25 Jahre IHK zu Schwerin – ein Rück- und Ausblick

Nachgefragt bei Pressesprecher Andreas Kraus


Geht es Deutschland gut? Die Meinungen über die derzeitige Lage hierzulande gehen zwar weit auseinander, aber mit Blick auf Europa lässt sich feststellen: von allen europäischen Staaten weisen nur neun wirklich „gute Zahlen“ auf – allen voran Deutschland. Aber sind die bloßen Zahlen wirklich aussagekräftig? Die Arbeitsmarkt-Statistik erscheint zwar auf dem ersten Blick ganz positiv, aber auf dem zweiten schon nicht mehr, denkt man die statistisch nicht berücksichtigten Empfänger von SGB II-Leistungen, an Niedriglöhner, Ein-Euro-Jobber, geringfügig Beschäftigte und (unfreiwillige) Vorruheständler im arbeitsfähigen Alter.

In den hochspezialisierten Berufen werden gut ausgebildete Fachkräfte gesucht. Aber gerade da versäumte die föderalistische Bildungspolitik in Deutschland bereits vor 25 Jahren die entsprechenden Weichen zu stellen. Kaum zu glauben, dass es noch Mitte der 1990er Jahre die Auffassung gab, dass Deutschland eine Ingenieurs- und Handwerker-Schwemme habe… Zu oft wurde nur auf die angebliche zukunftsträchtige Finanzwirtschaft und Finanz-Dienstleister geschaut. Wo das (weltweit) endete, ist seit 2007/08 deutlich geworden. Glücklicherweise gab es in Deutschland einen stets sehr gut agierenden Mittelstand, der zu Recht als Motor der Wirtschaft gilt.

Zur wirtschaftlichen Entwicklung in der Region fragte Schwerin-News nach der Schweriner Handwerkskammer nun auch bei der IHK nach. Andreas Kraus, Leiter Medien und Kommunikation der IHK zu Schwerin, stand Rede und Antwort.

„Verstehen uns als Dienstleisterin und kompetente Partnerin …“

Frage: Herr Kraus, 25 Jahre deutsche Einheit bedeuten auch 25 Jahre freie soziale Marktwirtschaft. Wie beurteilen Sie die Entwicklung der hiesigen Wirtschaft seit 1990 aus Sicht der IHK Schwerin?

Andreas Kraus: Mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Region Westmecklenburg können wir durchaus zufrieden sein. In den letzten 25 Jahren ist es gelungen, eine leistungsfähige Infrastruktur zu realisieren und zahlreiche Unternehmen anzusiedeln, insbesondere im produzierenden Bereich.
Die Ernährungswirtschaft nimmt hier eine herausragende Stellung ein und beschäftigt mit Abstand die meisten Arbeitnehmer. Bekannte Marken wie Dr. Oettker, Nestlé, Kühne, Arla, Ludwigsluster Fleisch- und Wurstwaren, Edeka, Tchibo, Lübzer, Grabower, Rücker Käse, ToffeeTec, SweetTec oder Säfte von Wesergold prägen heute das Bild Westmecklenburgs. Hier sind ganze Wertschöpfungsketten entstanden.

Holzcluster in Wismar - Beispiel für eine positive wirtschaftliche Entwicklung. (Foto: M. Michels)Darüber hinaus hat sich in der Hansestadt Wismar das größte europäische Holzverarbeitungscluster etabliert. Gute Fortschritte sind auch bei den medizinischen Hightec-Unternehmen in unseren Technologiezentren zu sehen und auch der Fahrzeug- und Anlagenbau ist mit Standorten z.B. in Lübtheen und Hagenow gut vertreten.
Die konjunkturelle Lage, die wir ständig hinterfragen, weist seit 2002 eine recht stabile und ansteigende Entwicklung aus. Während der Konjunkturklimaindex im Jahr 2002 bei knapp 70 Punkten lag, verzeichneten wir im Frühsommer des Jahres 2015 den Wert von 119 Punkten.

Frage: Einerseits stimmen die Zahlen zum Arbeitsmarkt und zur wirtschaftlichen Entwicklung, andererseits wird ein Fachkräftemangel moniert. Was wird nun wirklich in der Region gesucht? Welche Berufsgruppen bieten hier Perspektiven?

Andreas Kraus: Wir verzeichnen insgesamt, bedingt durch die demografische Entwicklung, einen Mangel an Fachkräften in fast allen Bereichen. Viele Unternehmen suchen in den unterschiedlichsten Qualifizierungen Fachkräfte. Dieses Problem prägt die Personalpolitik der Unternehmen sehr spezifisch. Auch bei den Aus- und Weiterbildungen der eigenen Fachkräfte sind die Unternehmen gefordert. Zudem kann auch auf ausländische und auswärtige Auszubildende und Fachkräfte zurückgegriffen werden. Eine aktive Willkommenskultur muss dabei gepflegt werden.

Frage: Die Höhe der Löhne stimmt in vielen Berufsgruppen nicht. Der Dienst am Menschen, ob in Pflegeheimen, Sozialstationen oder Kitas, wird nur mäßig honoriert. Müssten da nicht die Unternehmen an den „Lohnschrauben“ drehen bzw. Einfluß auf die Politik nehmen?

Andreas Kraus: Grundsätzlich ist eine IHK kein Tarifpartner und hat deshalb auch keinen Einfluss auf die Gestaltung der Tarife. Im Zusammenhang mit der augenblicklichen Situation fehlender Fachkräfte ist es jedoch sicher richtig, an die Unternehmen zu appellieren, attraktive Arbeitsplätze mit wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen anzubieten.
Hier gibt es eine Reihe von Möglichkeiten. Zum Beispiel familienfreundliche Arbeitszeitregelungen, eine gute Kinderversorgung oder besondere Leistungen für junge Familien. Viele Unternehmen sind da schon auf dem richtigen Weg.

Frage: M-V tritt als Tourismus-, Sport- und Gesundheitsland auf. In welchen Bereichen hat M-V aber wirklich Zukunft?

Andreas Kraus: Gerade im Juni haben die IHK in MV in der Hansestadt Wismar eine Technologie- und Industriepolitische Konferenz organisiert, auf der auch die Zukunftsfelder des Landes diskutiert worden sind. Diese Felder sind durch eine Förderrichtlinie des Landes untersetzt worden. Genau hier liegen die Chancen, die intensiv genutzt werden sollen. Die Fokussierung soll demnach auf sogenannte Leit- und Zukunftsbranchen liegen.

Das unterstützende Instrument dazu sind die sogenannten EFRE-Strukturfondsfördermittel, welche durch das Land noch zielgerichteter eingesetzt werden sollen. So liegen die Schwerpunkte in Zukunft in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft sowie der Stärkung der unternehmerischen Leistungsfähigkeit und die CO2-Reduktion.

Letzte Frage: 25 Jahre IHK Schwerin… Welche Bedeutung hat die IHK mittlerweile für die Region?

Andreas Kraus: Die Schweriner IHK versteht sich vor allem als Dienstleister ihrer rund 25.000 zugehörigen Unternehmen in Westmecklenburg und erbringt neben vielfältigen vom Staat übertragenen Aufgaben eine Reihe von Leistungen, die im Interesse der weiteren erfolgreichen Entwicklung der gesamten Region liegen.

Ludwig-Bölkow-Haus (Foto: IHK)Zudem ist die IHK auch eine wichtige Beraterin der Verwaltung und der Politik und hervorragend vernetzt. Ob bei der Aus- und Weiterbildung, Ex- und Importfragen, der Familienpolitik, bei wettbewerbsrechtlichen oder steuerrechtlichen Fragen, Existenzgründungsberatungen, der Umwelt- und Energietechnik, in Verkehrs- und Infrastrukturfragen oder der Sicherung unserer Unternehmen, bei Nachfolgeregelungen, Finanzierungen und Förderungen oder der Gesundheitspolitik, die IHK ist für ihre Unternehmen eine kompetente Partnerin.

Vielen Dank und weiterhin eine erfolgreiche Entwicklung!
Die Fragen stellte Marko Michels

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