Michael Strähnz, VVN/BdA Schwerin, über die Antifaschistin Frieda Fritz

Erinnerungen und Schlußfolgerungen

Nie wieder KriegVor 70 Jahren – mit dem Überfall Deutschlands auf Polen am 1.September 1939  – begann der zweite Weltkrieg, der 60 Millionen Opfer forderte. Dabei wurde insbesondere in Europa zwischen Atlantik-Küste und Ural der blutigste Krieg der Menschheitsgeschichte geführt.

Bereits im Vorfeld des offiziellen Beginns des zweiten Weltkrieges – mit der Unterstützung Francos im spanischen Bürgerkrieg – machte das Hitler-Regime deutlich, dass es eine kriegerische Auseinandersetzung zu führen beabsichtigte, die auf zivile Opfer keine Rücksicht nehmen sollte.

Der Holocaust, der Mord an Millionen Juden, dessen grauenvolle Einzigartigkeit in der Weltgeschichte darin besteht, dass er in Planungsstäben konzipiert und dann detaillegetreu ausgeführt wurde, wird das deutsche Selbstverständnis für immer prägen.

Die Nazis offenbarten damit, dass sie nicht nur einen Krieg gegen andere Völker führten, sondern einen Kampf gegen das eigene Volk – gegen Deutsche mit jüdischem Glauben, gegen Deutsche mit protestantischem und katholischem Glauben, die sich den Nationalsozialisten widersetzten, gegen Konservative, Sozialdemokraten, Liberale und Kommunisten, die den Machtanspruch der Nazis nicht akzeptierten.

Die Verbündeten Hitler-Deutschlands, allen voran Mussolinis Italien sowie das japanische Kaiserreich, sorgten mit ihrem brutalen Vorgehen in den von ihnen besetzten Gebieten (Nordafrika, Äthiopien, China, Indochina) und dem heimtückischen Überfall auf Pearl Harbour durch die Japaner, dass der zweite Weltkrieg zur barbarischsten Auseinandersetzung auf diesem Planeten wurde.

Karl Möller, der aufrechte Sozialdemokrat aus Ludwigslust, der nach 1945 in die SPD eintrat und aufgrund seiner Ablehnung der KPD-SPD-Vereinigung inhaftiert wurde, beschrieb die Beweggründe für seinen Eintritt in die SPD 1945 wie folgt: „Die ganze Welt hasste 1945 unser Land ,und sie hatte auch allen Grund dazu. Doch es gab auch eine ehrwürdige deutsche Kultur, einen Goethe, einen Schiller sowie Kurt Schumacher (Nachkriegsvorsitzender der 1933 von den Nazis verbotenen SPD) und die Sozialdemokraten. Denen wandten wir Jüngeren uns nach Kriegsende zu.“

Doch hat die Menschheit seit 1945 dazu gelernt ? Leider nicht. Die stalinistischen Regime nach 1945, die folgenden Kolonialkriege, der Vietnam-Krieg der Amerikaner und die zur Zeit 53 Kriege und kriegsähnlichen Handlungen in allen Teilen der Welt zeigen, dass die Menschheit nicht friedvoller wurde.

Martin Niemöller, evangelischer Theologe, führender Vertreter der „Bekennenden Kirche“ und von den Nazis im KZ inhaftiert, stellte vor dem Hintergrund des 1945 beendeten zweiten Weltkrieges und der Etablierung der stalinistischen Regime Ende der 1950er Jahre die entscheidende Frage: „Wie können menschliche Wesen endlich wirkliche Menschen werden ?!“

Diese Frage wurde weder durch den real existierenden Sozialismus noch durch den real existierenden Kapitalismus bislang beantwortet …

Wichtig ist es daher, dass es Menschen gab und gibt, die trotz eigenen harten Schicksals ihre Menschlichkeit behielten, wie die kürzlich verstorbene Frieda Fritz aus Schwerin, die wegen ihres Mutes und ihrer Aufrichtigkeit von den Nazis verfolgt, inhaftiert und gequält wurde.

„Friedel war eine mutige und bescheidene Frau !“

Michael Strähnz, Vorsitzender des VVN/BdA Schwerin, über das Leben von Frieda Fritz

> Frage: Kürzlich verstarb in der Landeshauptstadt die letzte KZ-Überlebende aus Schwerin Frieda Fritz im Alter von 90 Jahren. Was zeichnete diese Frau aus? Welches Schicksal ist mit dem Namen Frieda Fritz verbunden?

– Michael Strähnz: Frau Fritz war eine sehr bescheidene Frau, die sich ihr ganzes Leben aktiv gegen Rassismus einsetzte. Sie wollte, dass sich solch ein Verbrechen, wie der Faschismus nie wiederholte. Als langjähriges Mitglied des Postchores Schwerin setzte sie dabei auch auf das Mittel der Kunst. So schrieb im Juni 1965 die Schweriner Presse: „ (So) steht sie auf der Bühne und singt mit ihrer schönen Stimme…dann strahlt aus ihren Augen förmlich die Lebensfreude. Doch beim Singen des aufrüttelnden Liedes ’Sag mir wo die Blumen sind’, spiegeln sich in ihrem Gesicht Trauer und Empörung wider.“

> Frage: Wie sah der Lebensweg von Frieda Fritz nach dem Krieg aus?

– Michael Strähnz: Friedel kam in Zehdenik zur Welt. Weil sie eine etwas dunklere Hautfarbe hatten, wurden sie, ihre Elter und Geschwister von den Nazis zu Zigeunern erklärt. In der Zeit von 1941 bis zum 6.März 1943 arbeitete sie in den zum Heinkel Konzern gehörenden Guma-Werken Oranienburg. Am morgen des 7.März 1943 wurden sie und ihre Eltern und die kleinen Geschwister von der Gestapo ohne eine Angabe von Gründen verhaftet.

Nachdem sie im Berliner Polizeipräsidium registriert wurden führte der furchtbare Leidensweg in das KZ Auschwitz-Birkenau. Friedel schrieb dazu später: „ Jetzt waren wir nur eine Nummer, keinen Namen hatten wir mehr.“ Hier mussten sie an einer Erweiterung des Konzentrationslagers hart arbeiten. Der Hunger war der ständige Begleiter der Gefangenen. Flecktyphus raffte die Menschen nur so dahin. Friedel überstand den Typhus.

1944 ging es in Güterwagons von Auschwitz-Birkenau ins das Frauen KZ Ravensbrück. Hier wurde die schmächtige Frau zum Straßenbau eingesetzt. „Das Frauen-KZ Ravensbrück wurde auch für medizinische Experimente an Frauen missbraucht…So ging es auch Friedel.“

SS-„Ärzte“ waren für diese unmenschlichen Misshandlungen verantwortlich. Nach vier Monaten im KZ Ravensbrück wurde Friedel in das KZ Außenlager Schlieben des KZ Buchenwald gebracht. Hier mussten bei der Hugo Schneider AG Panzerfäuste hergestellt werden. Im April 1945 wurde das KZ von Truppen der US-Armee befreit. „Friedel empfand die Jahre ihres KZ-Aufenthalts als die schlimmste Zeit in ihrem Leben. Trauer erfasste alle, als sie erfuhren, welche ihrer Angehörigen nicht mehr am Leben waren. Ihre Eltern, ihre Schwester mit den vier kleinen Kindern und ihre Tante haben dieses schreckliche Leiden nicht überstanden.“

Nach ihrer Befreiung zog sie nach Gransee. Hier lernte Sie ihren späteren Mann Helmut kennen. Gemeinsam mit ihm und ihrem Bruder traten sie bei vielen Kulturveranstaltungen auf. 1947 heirateten sie und 1957 zogen sie nach Schwerin.

Friedel war Arbeiterin im Obst- und Gemüsegroßhandel und bei der Energieversorgung Serviererin. Sie war zudem immer als Künstlerin aktiv.

> Frage: Bis ins hohe Alter blieb Frau Fritz aktiv. Wie sah Ihre Zusammenarbeit mit dem VVN in Schwerin aus?

– Michael Strähnz: Friedel Fritz war seit 1990 Mitglied der Interessenvereinigung der Verfolgten des Naziregimes (IVVdN). Die IVVdN arbeitete eng mit dem Bund der Antifaschisten zusammen und im Jahr 2000 schlossen sich beide Vereine zum VVN/BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten) zusammen.  Friedel war bis zu ihrem Tode Mitglied der VVN/BdA.
Ob Friedel 1947 Mitglied der VVN wurde ist mir allerdings nicht bekannt. 1953 wurde die VVN durch die SED aufgelöst. Da der Staatscharakter der DDR antifaschistisch war brauchte es auch keine extra Organisationen die Antifaschismus als Ziel hatten.

> Frage: In der heutigen Zeit – ganz gleich, um welche Diktatur es sich handelt, ganz gleich in welchem Land – stehen oftmals die Täter im Mittelpunkt des Interesses, während die Widerstandskämpfer und Nicht-Angepassten an den Rand der Gesellschaft gespült werden. Wie beurteilen Sie das geschichtswissenschaftliche und mediale Täter-Opfer-Schema?

– Michael Strähnz: Ob die Täter oder Opfer im Mittelpunkt stehen, ist eine Frage wer der Täter und wer das Opfer war bzw. st. Hier liegt auch schon das gesellschaftliche Problem des derzeitigen Täter-Opfer-Schemas. Sag mir wessen Opfer du bist, und ich sage dir, ob du wirklich ein Opfer bist. Ein Opfer der Neonazis spielt nur dann eine Rolle, wenn es diplomatische Probleme geben könnte. Also wenn die Opfer aus dem Ausland kommen – egal. ob sie hier leben oder nicht. Das hängt mit der subjektiven Sicht auf die Menscherechte zusammen.

Diese Rechte werden nach subjektiver Sichtweise oder per Sympathiewert verteilt. Ein deutscher Punker oder Obdachloser hat eben keine Menscherechte und so ist sein Schicksal eventuell eine Nachricht, jedoch keinen „Aufstand der Anständigen“ wert. Wenn unsere Gesellschaft – Parteien, Medien) – es einmal schafft, Menschenrechte als Menschenrechte gelten zu lassen und diesen Kampfbegriff auch im Inland anwendet, lassen sich diese auch verwirklichen.

M.Michels

F.: Käthe Kollwitz „Nie wieder Krieg !“, Lithographie 1924

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