Veranstaltungsmarathon in Schwerin und in Wismar am 4.Juli 2009

Zwischen Rotspon, Töpfen, großer Politik, kleinen Franzosen und „Tagen der offenen Türen“ – ein persönlicher Rückblick

SchwerinWismarEinen heißen Samstag konnte in den beiden mecklenburgischen „Metropolen“ verlebt werden. „Heiß“ in Bezug auf Diskussionen, Jubiläen und in „Sachen Kultur“.

Und die Farbe „Rot“ spielte auf die eine oder andere Weise eine mehr sowie minder große Bedeutung.

Den Auftakt machte eine Tagung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Schwerin. Es ging wieder einmal um die Frage, was von der DDR übrig bleibt bzw. blieb. Außer Ampelmännchen, Sandmännchen oder (politischen) Hampelmännchen. Nun gut.

HJHackerFür Hans-Joachim Hacker, Mitglied des Bundestages und SDP/SPD-Mitglied seit 20 Jahren, war klar: „Die DDR ist seit der friedlichen Revolution 1989 mausetot.“ Damit schloss er sich der Meinung des brandenburgischen Ministerpräsidenten Mathias Platzeck an. Bei der Bewertung des Charakters der DDR war der Schweriner Bundestagsabgeordnete aber schon vorsichtiger. Zwar habe er bereits 1968, nach der gewaltsamen Niederschlagung des „Prager Frühlings“ in der Tschechoslowakei, die DDR nicht mehr als seinen Staat betrachtet und nach dem exorbitanten Wahlbetrug bei der Kommunalwahl 1989 sei für ihn endgültig klar gewesen, dass der Staat DDR politisch, wirtschaftlich und moralisch zugrunde gehen musste, aber die Bezeichnung „Unrechtsstaat“ vermied er.

Wollte er seinem Parteifreund und Ministerpräsidenten M-V, Erwin Sellering (Zur Erinnerung: Der Mann mit dem „Schuß Willkür“ !), kurz vor der Bundestagswahl nicht „auf die politischen Füße treten“ ?! Jedenfalls machte Hans-Joachim Hacker während seines Referates keinen Hehl aus seiner Abneigung gegenüber der DDR. Als Beispiele nannte er die hohe Staatsverschuldung, die Mangelwirtschaft, den Umwelt-Frevel, den Führungsanspruch der SED und die Willkür bei der Durchsetzung politischer Ziele. Auch das Scheitern der von der SED seit deren VIII.Parteitag propagierten „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ sei für ihn offensichtlich gewesen.

Auch das Argument der Kita-Betreuung ließ er nicht gelten, letztendlich habe die umfassende Kinderbetreuung der SED nur dazu gedient, einerseits die Kinder zu indoktrinieren, andererseits brauchte man die Arbeitskraft nicht nur der Väter sondern auch der Mütter, um zumindest eine gewisse Produktivität zu erreichen.
Auch auf die negative Rolle der Ost-CDU bei der Stützung der DDR-Diktatur ging Hans-Joachim Hacker ein.

Leider hätte man sich deutlichere Worte vom Schweriner Sozialdemokraten bei der Charakterisierung der DDR gewünscht. Die gegenwärtigen Missstände in Wirtschaft, Finanzpolitik, das Aufleben „alter Seilschaften“ in neuen „demokratischen Zeiten“ blieben „außen vor“. Die alten „DDR-Eliten“ feiern im Zusammenspiel mit westdeutschen Wendegewinnlern nämlich wieder fröhliche Urstände. Insofern lebt die DDR auf eigenartige Weise doch fort.

„Entscheidungsträger von gestern“ sind die „Entscheidungsträger von heute und morgen“, befinden wieder über Lebensläufe, sogar der früheren Widerständler und Nicht-Angepassten in der DDR. Aber wer darauf eingeht, hat eben das Thema verfeht, ist „ewig gestrig“ und ein „notorischer Querulant“. Punkt. Auch auf die Rolle einiger Sozialdemokraten, die die Vereinigung mit der KPD freiwillig mitmachten, sich nach 1945 korrumpieren ließen und als tatkräftige „Aufbauhelfer“ der DDR-Diktatur fungierten, wurde nicht eingegangen. Schuld haben eben nur SED, Stasi und Blockflöten. Ob man es sich so leicht machen kann ?! Sicher nicht.

Arndt Noack, Pfarrer der St.Petri-Gemeinde in Benz/Usedom und Mitbegründer der SDP 1989, war bei der Bewertung der DDR und hinsichtlich der Mitschuld der SPD an der Entwicklung in der DDR hingegen sehr deutlich: „…Die DDR war nicht nur ein Unrechtsstaat, sondern ebenfalls eine Unrechtsgesellschaft. Die SED hatte auch alle gesellschaftlichen Bereiche auf sich hin geordnet. Die Einschränkung der geistigen Freiheit war tägliches Unrecht …“ Und: “ … Ich meine freilich auch, dass die Geschichte der SPD in dieser Frage (DDR-Diktatur) nicht nur eine Widerstandsgeschichte, sondern auch eine Schuldgeschichte ist …“ (siehe Schwerin-News-Interview mit A.Noack am 1.Juli 2009)

Martin Klähn, Erstunterzeichner des Gründungsaufrufs des Neuen Forums 1989, bezeichnete den Mauerfall aus Sicht der damaligen Bürgerrechtler sehr differenziert. Für ihn folgte mit dem Mauerfall eine reaktive Phase. Waren vorher noch große Hoffnungen vorhanden, eine phantasievoller Aufbruchstimmung erlebbar, die von den Bürgerrechtlern und Demonstranten aktiv gestaltet wurde, setzte unmittelbar nach dem Mauerfall Ernüchterung ein.

Das Neue Forum hatte es versäumt, die Machtfrage zu stellen, hatte im Gegensatz zu den alten Parteien und Partei-Wiedergründungen keine klare Struktur und keine klaren Ziele. Letztendlich fehlt auch die Regierungskompetenz, so dass der Sieg der „Allianz für Deutschland“ unter Führung der CDU bei der Volkskammerwahl keine Überraschung mehr darstellte.
Dennoch habe Martin Klähn die Zeit des Machtverfalls der SED und der DDR-Staatssicherheit genossen. Es sei stets die Sehnsucht, der Traum nach einem gelingendem Leben vorhanden gewesen, die Vereinigung mit der Bundesrepublik nach Artikel 23 bedeutete auch eine Aufgabe von Selbstgestaltung und Selbstbewusstsein der Ostdeutschen.

In diesem Zusammenhang wies Hans-Joachim Hacker darauf hin, dass eben auch die DDR-Bürger , wie die Westdeutschen, sehr materiell orientiert waren.

Am Ende war es wohl doch nicht der Freiheitswillen, sondern die Sehnsucht nach schnellem Wohlstand, nach Reisen nicht nur in Richtung Bulgarien,  CSSR oder Rumänien, sondern in Richtung Übersee, der Wunsch nach modernen Autos, Südfrüchten sowie reichhaltigeren „Sättigungsbeilagen“ und die Abneigung gegen „Alu-Chips“, die den Ausschlag für  das Votum der Ostdeutschen hinsichtlich des schnellen Anschlusses an die Bundesrepublik gaben.

Eines ist jedoch sicher: Die Diskussionen über die DDR-Vergangenheit müssen und werden weiter gehen. Nicht einmal fünf Prozent der DDR-Geschichte – und das waren nicht nur SED, Stasi und Blockparteien – wurden bislang objektiv, kompetent und weit reichend aufgearbeitet. Es ist in dieser Hinsicht noch viel zu tun – und damit viel anzupacken. Auch die Rolle der westdeutschen Polit-Protagonisten aus allen Lagern bei der Unterstützung des DDR-Regimes sollte vermehrt in den Fokus gerückt werden. Ebenso die Bedeutung der DDR als billiger Lieferant, als „Milchkuh“ des „Großen Bruders“ im Osten !

KonservatoriumKonservatorium– Nach „heißer Politik“ konnte in Schwerin am Samstag auch hochklassige Musik genossen werden. Und ein Jubiläum gab es auch, ein junges dazu … Die „Streicher“ des Konservatoriums Schwerin feierten ihren fünften Geburtstag. So wurde zum „Tag der offenen Tür“ ins Konservatorium eingeladen, und Konzerte wurden dem interessierten Zuschauer sowie Zuhörer auf dem Hof des Konservatoriums und auf der Freilichtbühne geboten.

KonservatoriumKonservatoriumKonservatoriumMehr als 100 Schülerinnen, Schüler und Pädagogen sind beim Streicher-Projekt des Konservatoriums aktiv, das von Christine Lüdicke „aus der Taufe gehoben wurde“.

Weitere musikalische Talente stellten sich beim „Tag der offenen Tür“ ebenfalls vor und bei bestem Sonnenschein, kühlen Getränken und leckerer Bratwurst war der Nachmittag sowohl künstlerisch als auch kulinarisch ein Erfolg.

TöpfeTöpfeEin weiteres Jubiläum konnte auf dem Schweriner Markt gefeiert werden. Aber hier galt „Scherben bringen kein Glück – sondern müssen notfalls die Versicherung `aktivieren` …“ Es stand der 20.Töpfermarkt in der Landeshauptstadt auf dem Programm und mehr als 50 Ausstellerinnen und Aussteller durften sich Schwerinern und Gästen präsentieren. Schmuck, Keramik für draußen und drinnen, Geschirr – es gab alles was der „Töpfer-Fan“ suchte und brauchte.

SHHAusstellungÜbrigens: „Zerstreuung“ fand man auch beim kleinen Sommer-Markt am Schleswig-Holstein-Haus oder beim Besuch der Hundertwasser-Ausstellung …

Ein stolzes Alter konnte auch die Volkshochschule Schwerin feiern – 90 Lenze, eine ehrfürchtige Anzahl. Wer wollte, konnte vom „Tag der offenen Tür“ im Konservatorium, gleich die kulturellen Angebote beim „Tag der offenen Tür“ in der Volkshochschule nutzen, von der Puschkinstrasse 6 (Konservatorium) in die Puschkinstrasse 13 (VHS).

VHSWie meint Marita Schwabe, VHS-Leiterin Schwerin, unter anderem zum Leitbild der Volkshochschule: Diese verstehe sich als Ort des lebensbegleitenden Lernens, der Begegnung und der Verständigung. Gelungenes Lernen bedeute dabei, dass die Teilnehmenden die in der Einrichtung besuchten Kurse und Einzelveranstaltungen als einen ihren Bedürfnissen und Erwartungen erfüllenden Prozess erfahren.
Kurzum: Maximalen Spass und ewiges Lernen, beides kann man in der Volkshochschule Schwerin verbinden.

VHSSo stellten sich am „Tag der offenen Tür“ die einzelnen Fachbereiche im Gebäude sowie auf dem Hof der Schelfschule vor.

Wer nach politischen Diskussionen und kulturellen Ergüssen „Die Nase voll hatte …“, konnte am Samstag auch einen Abstecher ins nahe gelegene Wismar unternehmen.

WismarWeinDort fand das zweite Hanse-Weinfest zwischen Altem Hafen und Marktplatz statt. Höhepunkt war das Eintreffen der Segelschiffe aus Lübeck mit dem Rotspon im Alten Hafen und die Verkostungen auf dem historischen Markt. Hier konnte man auch Carolin II., die Stralsunder Weinprinzessin, treffen.

WismarWer noch nicht „abgefüllt“ war, für den gab es bei der „Französischen Shopping-Nacht“ dann Camembert, „Brigitte“ und Champagner, der durch die Straßen und Gassen der Wismarer Innenstadt floss.

WismarWenn schon keine gebratenen Tauben – trotz sengender Hitze – umherfliegen, dann möge wenigstens kühler Champagner die Kehle nässen, so die Devise.

Und wer den Abend dann nicht mit dem Bläck Fööss-Song „Frankreich ! Frankreich !“ ausklingen lassen wollte, war selbst dran schuld.

WismarImmerhin begehen wir „anno 2009“ den 220.Jahrestag der französischen Revolution … Also, wieder ein Jubiläum und Wismar dachte sogar daran. Aber hier gibt man sich ja ohnehin „Neugierig. Weltoffen. Tolerant.“ Besonders gegenüber sich selbst …

Marko Michels / F.: M.M. (23), BUGA (1)

KaratePS: Sportiv ging es am Wochenende außerdem zu: Beim „Fünf-Seen-Lauf“ in Schwerin, bei den „Offenen Karate-Landesmeisterschaften MV 2009“ in Wismar oder beim „Wonnemar-Volleyball-Turnier“ …

BUGA> Tipp: Am Sonntag – 5.Juli 2009 – gibt es auf der Freilichtbühne Schwerin zwischen 11.00 Uhr und 18.00 Uhr eine blumige Hochzeits-Show – aus Anlass der BUGA ! mm

Kon>>  Weitere Impression vom „Tag der offenen Tür“ im Konservatorium Schwerin/4.7.09

Töpfe>>> Weitere Impression „Töpfermarkt“ Schwerin/4.7.09

Gasse>>>> Weitere Impression „Französische Einkaufsnacht“ in Wismar/4.7.09

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