ATARAXIA – Ein Ort der Begegnung

Geschäftsführerin Gerit Kühl im Interview


Gerade erst sorgte das 25. FilmkuMusik- und Kunstschule Ataraxia (Foto: M. Michels)nstfest wieder für viel Resonanz in Schwerin und bewies damit einmal mehr die große kulturelle Tradition der Stadt. Gleiches gilt für den Schweriner Kultur- und Gartensommer, welcher auch in diesem Jahr mit reichhaltigen künstlerischen und musikalischen Angeboten überzeugen kann.

Eine der renommierten Kultureinrichtungen in Schwerin ist die Musik- und Kunstschule ATARAXIA. Seit fast einem Vierteljahrhundert besteht sie bereits im Haus der Kultur, in der Arsenalstrasse 8.

Nachgefragt bei Gerit Kühl, Geschäftsführerin von ATARAXIA

„Auf jedes Kind individuell eingehen und musikalische Wünsche berücksichtigen…“

Frage: Fast ein Vierteljahrhundert ATARAXIA – Was waren die Höhepunkte in den letzten zwei Jahrzehnten?

Gerit Kühl: Einzelne Höhepunkte auszuwählen fällt mir wirklich schwer, es waren so viele. Aber exemplarisch nenne ich mal diese und bitte gleich alle um Nachsicht, die Wichtiges vermissen. So 1993 das Domhoffest mit großem Drachenumzug durch die Stadt, 1996 die Revue im Hof des Schleswig-Holstein-Hauses, 2001 der Umzug in das Haus der Kultur, auch 2001 zum 10jährigen Jubiläum die Ausstellung „FarbenFeuerFlut“ rund um den Pfaffenteich, die Kindermusicals „Ritter Rost und Prinz Protz“ im gleichen Jahr sowie „Ritter Rost und die Hexe Verstexe“ im Jahr 2003.

Weitere bedeutende Veranstaltungen waren 2002 in Kooperation mit dem Goethe-Gymnasium die Aufführung der Oper „The Fairy Queen“ von Henry Purcell mit Orchester, Chor und Tanz, 2004 das Konzert des AMMO (ATARAXIA Movie and Musical Orchestrion) und die Präsentation der Ausstellung „FarbenFeuerFlut“ im Europäischen Parlament in Brüssel, die zahlreichen Kinderfeste und anderes im Schweriner Schloss und in Schloss Wiligrad im Rahmen der Tage Alter Musik, 2008 das Musical „Swinging St. Pauli“ im Schweriner Theater, 2010 das Internationales Fagottino-Symposium mit Abschlusskonzert im Theater und 2011 die Große ATARAXIA-Revue im Theater zum 20jährigen Jubiläum.

Ereignisreich waren auch die letzten Jahre, unter anderem 2011 der Start des Jugendsinfonieorchesters Schwerin in gemeinsamer Trägerschaft von ATARAXIA und Konservatorium Schwerin, 2011/2012 die Konzertreihe Schlossklänge im Thronsaal des Schweriner Schlosses, 2012 die Gründung der ATARAXIA-Akademie und Ausbau der Talentförderung im Musikbereich unter Leitung von Jörg Ulrich Krah und 2014 das erste Familienfest in Hasenwinkel im Rahmen der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern mit der Brass Band „Potzblech“, dem Saxophon-Oktett und dem Jugend-Sinfonie-Orchester Schwerin.

Frage: Wer hatte aber die Idee zu Ihrer Einrichtung? Wer war „Vater“ oder „Mutter“ von ATARAXIA?

Gerit Kühl: Das war ganz eindeutig Ingolf Drabon. Die Idee für eine andere Musikschule entstand in der Wendezeit. In der DDR waren die Musikschulen ziemlich elitäre Einrichtungen, ausgerichtet hauptsächlich auf Talentsuche und Berufsvorbereitung.

Viele musikinteressierte Kinder bekamen keine Chance, ein Instrument zu erlernen. Ingolf Drabon und seine Mitstreiter, von denen viele auch heute noch bei ATARAXIA unterrichten, wollten neue Wege ausprobieren. Die Kinder sollten frühzeitig gemeinsam musizieren, ihre Lehrer als aktiv musizierende Vorbilder erleben. Auf jedes Kind individuell einzugehen und musikalische Wünsche zu berücksichtigen, war ein wichtiges Motivationsinstrument.

Die ersten Schüler kamen bereits ab 1989 und 1991 wurde dann der Verein „Die Kammer“ e.V. gegründet, um in organisiertem Rahmen Unterricht anbieten zu können. Später folgte der Zusammenschluss mit den Künstlern des „Querschiff“ e.V., die in der Bildenden Kunst einen ähnlichen Ansatz verfolgten. 1993 bekam das „gemeinsame Kind“ dann den Namen ATARAXIA.

Frage: Wie ist der Zuspruch zur Einrichtung?

Gerit Kühl: Unglaublich hoch! Leider können wir längst nicht allen interessierten Kindern Unterricht bieten, die Wartelisten sind lang. Seit einigen Jahren hat auch die Politik verstanden, dass kulturelle Bildung wichtig für alle Kinder ist, ihnen hilft sich im Leben zu orientieren und Werte vermittelt.

Bei meinem Start hier im Jahr 2000 hatten wir noch 800 Schüler, mittlerweile nutzen jede Woche über 1.600 Kinder, Jugendliche und Erwachsene die Angebote von ATARAXIA, nicht nur im Haus der Kultur, sondern auch in vielen Kindergärten und Schulen und im Atelier im Speicher.
Hinzu kommen Ferienangebote und Kooperationen auch mit Partnern im Ausland. Vom 13. bis 17. Mai 2015 hatten wir zum Beispiel Besuch von einem Jugendblasorchester und Bands der Kulturskolan aus Schwerins schwedischer Partnerstadt Växjö.

Frage: ATARAXIA steht ja auch für Vielfältigkeit… Welche Angebote sind bei Ihnen vorhanden?

Gerit Kühl: Man kann fast alle Instrumente bei uns lernen und in zahlreichen Ensembles von Quartetten über Bands bis zum Jugendsinfonieorchester Schwerin gemeinsam musizieren. Dazu kommen Ergänzungsfächer wie Komposition, Theorie, Improvisation und natürlich die Grundkurse wie Instrumentenkarussell und Musikalische Früherziehung für die Jüngsten. Im Tanzbereich bieten wir hauptsächlich Kurse für die Altersgruppe 4-12 Jahre an.

In der Bildenden Kunst gibt es Kurse für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. In diesen Kunstkursen werden verschiedene Techniken vermittelt – Zeichnen, Malerei, Grafik und im Kinderbereich auch plastisches Gestalten.

Jugendliche nutzen unsere Kunstkurse häufig, um sich auf ein künstlerisches Studium vorzubereiten und ihre Bewerbungsmappe zu erarbeiten. Dann gibt es noch die Spezialkurse wie Buchkinder, Bauwerkstatt, Schriftgestaltung/Graffiti, Grafikkurse und die Kleiderwerkstatt. Zu den wöchentlichen Kursen kommen Ferienangebote und Workshops hinzu.
Hier kann man Animationstechniken ausprobieren, Theater und Puppentheater spielen, Objekte bauen oder im Sommer eine ganze Woche im SommerKunstCamp am Schweriner See nach Herzenslust malen, zeichnen, jonglieren, bauen…

Den Begriff Vielfalt beziehen wir aber nicht nur auf unsere Angebote sondern genauso auf die Schüler. Das Thema Inklusion ist uns wichtig, wobei wir den gerade hochaktuellen Begriff etwas breiter verstehen. Besser als spezielle Kurse für benachteiligte Menschen finden wir es, für jeden den individuell passenden Zugang zu unseren ganz normalen Angeboten zu schaffen – sei es durch Ermäßigungen und Patenschaften als auch durch Anpassung des Unterrichts an die speziellen Bedürfnisse. So muss aus unserer Sicht echte gleichberechtigte Teilhabe am kulturellen Leben aussehen.

Frage: Welche Highlights wird es in diesem Jahr noch geben?

Gerit Kühl: Für die Bundes-Ebene des Wettbewerbs „Jugend musiziert“, der am kommenden Pfingstwochenende in Hamburg stattfindet, haben sich acht unserer Schüler qualifiziert. Deutschlandweit zu den besten Musikern seiner Altersklasse zu gehören, ist für jeden Schüler ein großes Highlight!

Am 13. Juni 2015 folgt mit dem Landesorchesterwettbewerb in Neubrandenburg der nächste Höhepunkt. An diesem Wettbewerb, der nur alle vier Jahre stattfindet, beteiligen sich unsere Brass Band „Potzblech“ und das Jugendsinfonieorchester Schwerin – ein gemeinsames Ensemble von Konservatorium und ATARAXIA.

Ein weiterer Höhepunkt am Ende des Schuljahres wird die Eröffnung der Ausstellung „Herzogskinder – Kulturerbe in Schweriner Schaufenstern“ am Samstag, den 11. Juli 2015 sein. In zehn Schaufenstern der historischen Altstadt zeigen Kinder im Rahmen dieser Ausstellung, wie sie sich mit den kulturellen Schätzen in unseren Museen auseinandergesetzt und dabei alte Kunstwerke neu interpretiert haben.

Ein spannendes Projekt, das Schweriner und Touristen zum Bummel von Schaufenster zu Schaufenster einladen wird. Diese Idee haben wir gemeinsam mit dem Citymanagement Schwerin entwickelt und mit Hilfe der Unterstützung der Sparkasse Mecklenburg-Schwerin wird das Projekt nun umgesetzt. Die Ausstellungseröffnung ist für den 11.Juli 2015 geplant.

Außerdem freuen wir uns sehr auf unseren neuen Steinway-Flügel, den uns die Hamburgerin Kulturmäzenin Brigitte Feldtmann vor einigen Tagen übergeben hat. Diesen werden wir im Herbst mit einen großen Konzert in unserem Saal gebührend einweihen. Dieses Konzert wird in jedem Fall ein musikalisches Highlight, dem noch weitere folgen werden.

Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg!
Marko Michels

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