Blick zur Ringer-Matte

Schon längst nicht mehr nur etwas für die Herren…

Die Landeshauptstadt hat eine gute Tradition in olympischen Kampfsportarten. Am bekanntesten sind die Erfolge Schwerins im Boxsport. Den ersten Olympiasieg errang hier Jochen Bachfeld in Montreal 1976. Andreas Zülow (1988 in Seoul) und Andreas Tews (1992 in Barcelona) folgten Bachfelds Gold-Beispiel. Zuletzt siegte der gebürtige Hamburger und Superschwergewichtler Peter Kadiru bei den diesjährigen Olympischen Jugend-Spielen in Nanjing.
Weitere olympische Medaillen für Schwerin holten Richard Nowakowski (Silber 1976), Richard Nowakowski (Bronze 1980), Andreas Tews (Silber 1988). Beim 1984 in Havanna ausgetragenen Box-Turnier anlässlich der „Wettkämpfe der Freundschaft“ – jener propagandistischen, von 14 Ostblockländern initiierten Gegenveranstaltung zu den Olympischen Sommerspielen in Los Angeles – holte der Junioreneuropameister von 1982, Torsten Schmitz, eine weitere Goldmedaille nach Schwerin.

Neben den Faustkämpfern startete ein weiterer Schweriner Kampfsportler bei Olympia – 1988 in Seoul. In Südkoreas Hauptstadt wurde der damals 24-jährige Judoka Torsten Brechot Dritter im Halbmittelgewicht. Die Zwillingsschwestern Carmen und Ramona Brussig (Judoabteilung beim PSV Schwerin) folgten mit Podestplätzen bei den Paralympics (in der Klasse Sehbehinderung) 2004, 2008 und 2012.

Das (Frauen-)Ringen im Blick

Mindestens bis zum Jahr 2028 soll auch das Ringen olympisch bleiben. Während die Herren hier bereits seit Beginn der Olympischen Spiele der Neuzeit im Jahr 1896 um die begehrten Titel ringen dürfen, ist das Freistilringen für Frauen erst seit 2004 (ebenfalls in Athen) olympische Disziplin. Etwas länger, seit 1987, werden in dieser alten Bastion der Herren bereits Welttitelkämpfe der Frauen ausgetragen.

Führend bei den Frauen ist Japan, das bei den letzten Olympischen Spielen 2012 in diesem Bereich dreimal Gold erkämpfte. Auch bei den diesjährigen Welttitelkämpfen in Taschkent waren die Japanerinnen wieder „das Maß aller Ringerinnen-Dinge“. „Nippons Töchter“ waren im Mannschaftswettbewerb die Nummer eins und konnten in den Einzel-Wettkämpfen 4 x Gold, 1 x Silber holen. Aus deutscher Sicht sorgte Aline Focken (KSV Germania Krefeld 1891) in der Gewichtsklasse bis 69 Kilogramm für goldene Momente…

Natürlich fehlt dieser traditionsreiche Kampf- und Kraftsport auch nicht im sportiven Angebot Schwerins. Schon seit 1948 gibt es Ringen in der Landeshauptstadt. Seit 1991 wird es beim PSV Schwerin angeboten.

Interview

Doch wie ist es insgesamt um das Frauen-Ringen in Deutschland bestellt. Wie ist der Stellenwert dieser Sportart hierzulande? Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen führte Sportjournalist Marko Michels ein Interview mit Christiane Knittel, erfolgreiche Ringerin und Referentin für Frauen-Ringen beim Deutschen Ringer-Bund.

„Ringen ist eine ungemein reizvolle Sportart…“

Frau Knittel, die diesjährigen WM bestätigten wieder einmal die führende Rolle Japans im Frauen-Ringen. Wie beurteilen Sie das internationale Kräfteverhältnis im Frauen-Ringen zwei Jahre vor den Olympischen Spielen 2016 in Rio?

Christiane Knittel: Ja, die japanischen Ringerinnen waren mit viermal Gold wieder einmal bestens dabei. Dort, in Japan, ist die Förderung allerdings intensiver als hierzulande. Aber auch die deutschen Ringerinnen – insbesondere Aline Focken – bewiesen, dass mit ihnen zu rechnen ist, wenn es darauf ankommt und Medaillen durchaus im Bereich des Möglichen sind.

Nicht zuletzt sind die Schwedinnen bei großen Turnieren im Frauen-Ringen immer recht stark – das wird bestimmt ebenfalls in Rio so sein.

Aline Focken gewann in Taschkent für Deutschland WM-Gold… Was zeichnet aus Ihrer Sicht Aline aus? Wie bewerten Sie Alines Chancen im Hinblick auf Rio 2016?

Christiane Knittel: Ich kenne ja Aline noch als kleines Mädchen und rang mit ihr zusammen noch in der deutschen Nationalmannschaft. Aline ist dabei eine sehr ehrgeizige Sportlerin, die großen Rückhalt und Unterstützung auch dank der Familie hat. Bei ihr stimmt das Zusammenspiel zwischen Familie, Sportförderung und einer dualen Karriere, die Sport und Studium miteinander verbindet. Insofern hat Aline auch eine gewisse Sicherheit und Grundlage für eine berufliche Perspektive nach dem Ringen. Sie hat also den „Kopf“ für das Ringen „frei“…

Ringen für Damen und Herren ist in Deutschland leider nur eine Randsportart. Nach der Diskussion um die olympische Zukunft des Ringens 2012/13 nahm das mediale Interesse zwar zu, bleibt aber dennoch weiterhin überschaubar… Was könnte aus Ihrer Sicht noch getan werden, um das Ringen attraktiver zu präsentieren (neue Regeln, mehr Turniere)?

Christiane Knittel: Es gab schon einige Neuerungen, gerade im Regelwerk. Ich denke aber nicht, dass weitere Neuheiten noch mehr Zuschauer in die Hallen bringen. Viel wichtiger ist aber, dass wir die Möglichkeit einer medialen Präsenz im Fernsehen bekommen. Der WM-Erfolg von Aline fand ja faktisch unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt, was ziemlich traurig ist. Ohne entsprechende Begleitung durch das Fernsehen und eine weitere umfassendere Berichterstattung über die wichtigsten Turniere werden wir aber kaum neue Zuschauer für das Ringen gewinnen können, ja die Sportfans für unsere Sportart begeistern können.

Früher gab es noch umfangreiche Berichterstattungen über das Ringen. Große Athleten, wie Wilfried Dietrich, der „Kran von Schifferstadt“, fünffacher Olympia-Medaillengewinner von 1956 bis 1968, darunter Olympia-Gold 1960 sowie Weltmeister 1961/Europameister 1967, Adolf Seger, zweifacher Olympia-Dritter 1972/1976, dreifacher Europameister 1972, 1973 bzw. 1976 sowie zweifacher Weltmeister 1975/1977, Pasquale Passarelli, Europameister/Weltmeister 1981 bzw. Olympiasieger 1984, oder die Rostocker Lothar Metz, dreifacher Olympia-Medaillen-Gewinner von 1960 bis 1968, darunter Olympia-Gold 1968, sowie Rudolf Vesper, ebenfalls Olympiasieger 1968, sind den meisten Menschen noch geläufig, ihre sportlichen Leistungen blieben nachhaltig in Erinnerung und begeisterten die Sportfans für das Ringen.

Heute haben wir zwar wieder sehr gute Ringer und Ringerinnen, die medial leider wenig beachtet werden… Ich hoffe, dass sich daran in naher Zukunft etwas ändern wird.

Wie ist eigentlich der Zuspruch zum Ringen in Deutschland, gerade im Frauen-Bereich?

Christiane Knittel: Der Zuspruch bei den jüngeren Ringerinnen ist durchaus sehr gut. Mit der Bundestrainerin Alexandra Engelhardt veranstaltete ich in diesem Jahr ein Jugend-Nachwuchs-Camp und die Resonanz war enorm. Letztendlich konnten 60 Teilnehmerinnen daran teilnehmen, aber die Zahl der Interessenten lag sogar bei 100… Leider ließ die Kapazitätsgrenze mehr Anmeldungen nicht zu… Also, ein Nachwuchsproblem gibt es bei den Ringerinnen nicht.

In Japan sind erfolgreiche Ringerinnen echte Heldinnen, deren Leistungen entsprechend honoriert werden… Wie sieht es in puncto sportliche und finanzielle Förderung der Ringerinnen in Deutschland aus?

Christiane Knittel: Mal abgesehen von positiven Einzelfällen müsste die Förderung noch optimaler werden. Es müsste mehr und bessere Möglichkeiten geben, die sportliche Karriere mit beruflichen Perspektiven (Schule, Ausbildung und Studium) zu verbinden. Zwar gibt es Förderung seitens der Sporthilfe, aber diese reicht nicht zum Leben aus… Daher muss aber auch hier etwas geschehen, dass die jungen Talente die kritische Phase – Übergang von der Schule zur Ausbildung/zum Studium – meistern können, ohne dass sie dabei ihren Sport vernachlässigen oder gar aufgeben müssen. Und es sollten berufliche Optionen nach einer erfolgreichen leistungssportlichen Karriere geschaffen werden, denn gerade eine Sportlerin/ein Sportler mit fundierter Ausbildung hat beste Voraussetzungen, sich auch im Beruf erfolgreich zu präsentieren. Das ist nicht nur bei den Ringerinnen so…

Sie selbst sind auch eine leidenschaftliche Ringerin. Was macht aus Ihrer Sicht den Reiz des Ringens aus, dieser so traditionsreichen Sportart?

Christiane Knittel: Ich selbst bin ja nicht mehr so aktiv auf der Ringer-Matte, engagiere mich jedoch als Trainerin und Frauen-Referentin beim Deutschen Ringer-Bund. Dazu bin ich noch immer mit viel Leidenschaft bei der Sache. Ringen ist für mich eine sehr komplexe, attraktive und ganzheitliche Sportart, die Kraft, Kondition, Technik und auch „Köpfchen“ erfordert. Das macht eben den Reiz des Ringens aus – ebenso wie das faire Duell „Frau gegen Frau“ oder „Mann gegen Mann“, bei dem jede/jeder allein verliert oder gewinnt…

Welche Ziele haben Sie noch persönlich? Sie sind ja auch eine studierte Wirtschaftsinformatikerin…

Christiane Knittel: Ich arbeite gegenwärtig für den Hubert-Burda-Verlag in Offenburg, habe inzwischen auch meinen Master-Abschluss als Medien-Informatikerin. Dabei bin ich im Verlag IT-Projektleiterin und bin bestrebt, auch meine berufliche Karriere weiter voran zu treiben…

Vielen Dank! Weiterhin alles Gute – persönlich, sportlich und beruflich!

mm

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