Boxsportliche Herausforderungen meistern …

Mit einer ambitionierten Faustkämpferin aus der Landeshauptstadt im Gespräch

Boxen und Mecklenburg-Vorpommern – das hat Tradition, das beinhaltet Erfolge, das ist auch aktuell eine gute Symbiose. Haben bislang vor allem die Faustkämpfer für die positiven Schlagzeilen gesorgt, so sind diesen die Faustkämpferinnen – im Hinblick auf die Erfolge – „dicht auf den Fersen“.

Frauen und Boxsport – Russische Faustkämpferinnen am erfolgreichsten

Zwar gibt es noch immer Vorbehalte gegenüber dem Frauen-Boxsport und das trotz der Tatsachen, dass die Sportlerinnen seit 2001 ihre Amateur-WM austragen bzw. seit 2012 im olympischen Programm vertreten sind. Seit der ersten Weltmeisterschaft 2001 in Scranton hat die Akzeptanz des Faustkampfes unter Frauen jedoch weltweit zugenommen und viele Länder konnten sich schon in die Medaillen-Listen eintragen: Bislang erkämpfen Boxsportlerinnen aus 37 Nationen – von allen Kontinenten – WM-Edelmetall, davon sicherten sich 20 Staaten einen oder mehrere WM-Titel.

Am erfolgreichsten bei den Frauen-Amateur-WM (von 2001 bis 2012) waren bislang die Russinnen, die 18 x Gold, 8 x Silber und 22 x Bronze gewannen und 2001 in Scranton (4 x Gold, 2 x Silber, 2 x Bronze), 2005 in Podolsk (7 x Gold, 1 x Silber, 4 x Bronze) und 2010 in Bridgetown (2 x Gold, 1 x Silber) jeweils die erfolgreichste Box-Staffel stellten.
China war zweimal die Nummer eins: 2008 in Ningbo (5 x Gold, 2 x Silber, 4 x Bronze) und 2012 in Quinhuangdo (3 x Gold, 1 x Silber, 1 x Bronze). In Antalya 2002 und in Neu-Delhi 2006 waren hingegen Nordkorea (2 x Gold, 2 x Silber, 1 x Bronze) und Indien (4 x Gold, 1 x Silber, 3 x Bronze).

Im kommenden Jahr, 2014, finden die Weltmeisterschaften im kanadischen Edmonton statt. Beste Teilnahme- und Erfolgsaussichten hat dabei auch Sarah Scheurich vom BC Traktor Schwerin, die bereits 2011 U 19-WM-Dritte wurde.

Nachgefragt bei Sarah Scheurich. Die 20-Jährige spricht über ihre sportlichen Ziele, das Frauen-Boxen allgemein, ihren Trainingsalltag, das Leben neben dem Boxring und ihre olympische Ambitionen
 
„Man sollte nie zufrieden sein …“

Frage: Sarah, das Abi hast du in der Tasche, mittlerweile bist du Mitglied der Bundeswehr-Sportfördergruppe und kannst dich nunmehr verstärkt auf den Boxsport konzentrieren. Welche Ambitionen hast du für die kommenden Jahre?

Sarah Scheurich: Das Ziel sind natürlich die Olympischen Spiele 2016 in Rio. Dort möchte ich starten, möglichst auch erfolgreich sein. Auf diesem Weg gibt es aber noch einige Herausforderungen zu meistern, so stehen in den kommenden Jahren auch erfolgreiche Teilnahmen bei EM und WM auf meiner Agenda.

Frage: Du trainierst am Leistungszentrum in Schwerin – der großen Box-Hochburg in M-V neben Wismar, Rostock, Greifswald oder Neubrandenburg. Wie sind die Trainingsbedingungen? Und: Wie sieht der Trainingstag einer ambitionierten Boxsportlerin überhaupt aus?

Sarah Scheurich: Die Bedingungen sind hier in Schwerin sehr gut. Ich bin auch froh, dass die es in der Landeshauptstadt diesen Olympiastützpunkt gibt, an dem die sportliche Infrastruktur ganz einfach stimmt. Wir haben eine neue moderne Halle, einen super Kraftraum, einen guten Outdoor-Bereich mit dem Stadion am Lambrechtsgrund, natürlich sehr kompetente Trainer – eine Physiotherapie ist zudem vorhanden und auch eine Sauna gibt es.

Ich wohne ja seit diesem Jahr in Schwerin, daher ist mein Anfahrtsweg zum Training ebenfalls nicht mehr so aufwendig und der Zeitverlust nicht mehr so groß. Es ist schon optimal, hier trainieren zu können. Was den Trainingsablauf betrifft: Ab 7.00 Uhr beginnt die erste Trainingseinheit mit dem Laufen. Das sind dann circa acht bis zehn Runden im Stadion, mitunter machen wir auch Zeitläufe, Sprints oder Schatten-Boxen. Abschließend sind gymnastische Übungen angesagt – das Ganze dauert so eine Stunde.

Dann geht es mit dem Fahrrad zurück zu meiner Wohnung, ich esse etwas, ruhe eine Stunde und dann fängt um 11.00 Uhr schon die zweite Trainingseinheit an, die bis 13.00 Uhr dauert. Dort steht dann Tatzen-Training, das Feilen an der Technik oder Krafttraining auf dem Programm. Das richtet sich danach, ob gerade Wettkämpfe geplant sind.

Und am Abend, um 17.30 Uhr (bis 19.00 Uhr) beginnt die dritte und letzte Trainingseinheit am Tag, die Partner-Training, ebenfalls Tatzen-Training oder Sparring beinhaltet. Mitunter wird der Trainingstag mit einem Sauna-Gang abgeschlossen. Freitagabend fahre ich dann nach Hause, zu meinen Eltern in Groß Niendorf.

Frage: National konntest du schon einige Erfolge erreichen, international gab es Bronze bei den Juniorinnen-WM vor zwei Jahren. Gerade im Elite-Bereich sind die Russinnen, Amerikanerinnen oder Asiatinnen eine Macht … . Wie beurteilst du deine Chancen, dich gegen diese starken Gegnerinnen durchsetzen zu können?

Sarah Scheurich: Es gibt gerade aus der ehemaligen UdSSR Kämpferinnen, die schon „hammer-gut“ sind. Ich habe leider noch nicht gegen so viele Gegnerinnen aus diesen Ländern geboxt, was insbesondere damit zusammen hängt, dass ich vom Halbschwergewicht bis 81 Kilogramm ins Mittelgewicht bis 75 Kilogramm wechsele. Gemeinsam mit meinem Trainer Michael Timm werde ich mich aber so vorbereiten, dass ich auch Erfolgs-Chancen gegen vermeintlich stärkste Konkurrenz im kommenden Jahr haben werde.

Natürlich ist der „Glücks-Faktor“ nicht zu unterschätzen, ob man „günstige“ Gegnerinnen ausgelost bekommt oder ob einem die Ringrichter gewogen sind. Es kann für mich bereits im nächsten Jahr schon entsprechende Erfolge geben, aber eine Garantie dafür gibt es natürlich nicht. Die sportliche Perspektive stimmt jedoch und ich bin optimistisch.

Frage: Noch immer gibt es Vorbehalte gegenüber dem Frauen-Boxen, was in ähnlicher Form auch andere Kampfsportarten betrifft. Du bis seit 2000 Kampfsportlerin, seit 2005 speziell Boxsportlerin. Warum ist aus deiner Sicht Frauen-Boxen eine Sportart, die sich weiter durchsetzen sollte? Wie ist deine Meinung zum Niveau des Frauen-Boxsportes national wie international?

Sarah Scheurich: Das Niveau im Frauen-Boxsport wird generell immer besser. Wenn man sich noch einmal Kämpfe vor vier, fünf Jahren anschaut und nun die aktuelle Entwicklung sieht, dann sind das schon sportliche „Quanten-Sprünge“ – gerade bei den WM oder den EM oder sogar bei den Deutschen Meisterschaften.

Die technische Qualität der Kämpfe ist enorm gestiegen. Wir Boxerinnen können da selbstbewusst auftreten und brauchen uns wahrlich nicht zu verstecken.  Das Problem bei uns Boxerinnen ist allerdings, dass wir viel zu wenig Wettkampf-Erfahrungen haben, weil es ganz einfach nun einmal Geld kostet, um in andere Länder zu deren Turnieren zu reisen und entsprechende Kämpfe zu bestreiten.

Der Zuspruch zum Frauen-Boxen wächst jedoch – global betrachtet – stetig. In Irland, zum Beispiel, als wir uns dort zu einem Trainingslager aufhielten, da boxten so viele kleine, junge Mädchen und waren begeistert bei der Sache. Spätestens seit dem Olympiasieg von Katie Taylor  (Anmerkung: Kommt aus Irland!) im Leichtgewicht bei den Olympischen Spielen 2012 in London, ist Frauen-Boxen auf „der grünen Insel“ Volkssport. Katie ist ein sportliches Idol, dem viele Mädchen und junge Frauen nacheifern wollen.

Vielleicht wächst auch in Deutschland der Zuspruch zum Frauen-Boxsport weiter, wenn es in naher Zukunft eine deutsche Weltmeisterin im Amateur-Boxen gibt…

Frage: Dein sportliches Ziel sind die Olympischen Spiele 2016 in Rio. Was muss sportlich bei dir noch besser werden, damit sich dein olympischer Traum verwirklicht? Was sind schon jetzt deine Stärken…

Sarah Scheurich: Wir arbeiten viel an meiner Schnelligkeit und an meiner Beinarbeit, weil dieses die Grundlage für erfolgreiche Kämpfe ist. Außerdem bin ich bestrebt, noch mehr Wettkampf-Praxis bis Rio zu bekommen, weil man dadurch ganz einfach boxsportlich mehr lernt. Es gibt immer etwas zu verbessern, man darf nie zufrieden sein.

Frage: Boxen ist zwar vieles, aber nicht alles. Was machst du neben dem Boxring? Sicher nicht,  Boxhandschuhe „zu häkeln“…

Sarah Scheurich: „Ab und zu“ bin ich als Wakeboarderin aktiv, aber am Wochenende freue ich mich, einmal relaxen zu können. Ich jogge dann zwar auch, mache Bauchmuskel-Training, fahre eventuell Rad, lasse es dann aber ruhig angehen.

Frage: Bald finden die Olympischen und Paralympischen Winterspiele in Sotschi statt. Du selbst warst ja – als Auszeichnung für deine Erfolge – als Zuschauerin vor Ort bei den Paralympics 2012 in London. Was verbindest du mit der olympischen Idee?

Sarah Scheurich: Es war vor mehr als einem Jahr „ein Wahnsinn“,  vor Ort bei den Paralympischen Spielen sein zu können, das hautnah miterleben zu dürfen. So war ich beim Rollstuhl-Basketball und bei den Schwimm-Wettkämpfen.

Es ist imponierend, was die Athletinnen und Athleten trotz ihrer Handicaps leisten! Außerdem ist es beispielhaft, was die Paralympioniken für einen großen Willen aufbringen, um ihre Wettbewerbe erfolgreich zu meistern. … Schön, selbst erlebt zu haben, dass die Olympischen und Paralympischen Spiele mittlerweile als eine Einheit angesehen werden.

Olympia und Paralympia sind im Sport das Größte, was eine Sportlerin bzw. ein Sportler erreichen kann. Die ganze sportliche Familie trifft sich für zwei Wochen zu fairen Wettkämpfen und kann neue Freundschaften schließen. Obwohl bei den einzelnen Entscheidungen zumeist ja die von Weltmeisterschaften bekannten Konkurrentinnen oder Konkurrenten dabei sind, ist der Erfolg bei Olympia noch um „einen Tick“ höher zu beurteilen – die Anspannung ist größer, weil das öffentliche Interesse an den olympischen Entscheidungen noch höher als sonst ist und Olympia eben nur alle vier Jahre stattfindet.

Frage: Zu Winter-Olympia, was ja bald stattfindet … Interessiert dich der Wintersport ebenfalls? Wenn ja, was sind dort deine Lieblingssportarten?

Sarah Scheurich: Ich bin eigentlich nicht ein großer Fan des Wintersportes, aber dennoch interessieren mich die Wettkämpfe im Ski- und Schlittensport schon. Sicher werde ich mir auch einige Entscheidungen im TV ansehen.

Frage: Schwerin ist eine Sportstadt, speziell Box-Hochburg. Schwerin ist jedoch außerdem eine Kulturstadt. Bist du auch eine regelmäßige Pisten-Gängerin? Hast du auch ein Faible für das Theater oder klassische wie moderne Konzerte?

Sarah Scheurich: Das kommt darauf an, ob ich in der Vorbereitung auf nationale und internationale Meisterschaften bin, was ja meistens der Fall ist. Natürlich gehe ich auch einmal zur Disco, aber ich bin schon diszipliniert, denn ich möchte als Boxsportlerin noch einiges erreichen. Der Trainingsalltag bestimmt so auch meinen allgemeinen Tagesrhythmus und nach einem intensiven Trainingstag bin ich dann froh, zu Hause abschalten zu können. Mit meiner Oma, die ja in Schwerin wohnt, gehe ich aber schon gern ins Theater.

Frage: Und… Wie verbringt eine Boxsportlerin die letzten Wochen des Jahres – zwischen Adventskerzen und Neujahrskater oder im weihnachtlichen Boxring?

Sarah Scheurich: Ich bin froh, dann bei meiner Familie sein zu können und werde die Feiertage und den Jahreswechsel ruhig verbringen. Aktiv sein werde ich natürlich auch und übermäßiges Schlemmen wird es bei mir nicht geben, denn ich will ja ins Mittelgewicht wechseln.

Vielen Dank! Dann maximale Erfolge beim Boxsport 2014 und darüber hinaus!
Marko Michels

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