Bundespräsidenten-Meisterschaft: Zweimalige Verlängerung mit Zittersieg

Ein Erfolg, der keiner ist…

Christian Wulff ist der neue Bundespräsident. Nach einem Abstimmungskrimi, den wohl kaum jemand erahnt haben dürfte. Mit Wahlfrauen und Wahlmännern des schwarz-gelben Lagers, deren Zerstrittenheit bei dieser Wahl voll zur Geltung kam.

BP-WahlEs kam zum Showdown… Der Berufspolitiker gegen den Bürgerrechtler (wobei auch die Linke mit Frau Jochimsen und NPD/DVU mit Frank Rennicke eigene Kandidaten stellten). Derjenige, der immer von seiner Partei und für seine Partei lebte, gegen den, der immer für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit lebte – und vor allem kämpfte. Wieder einmal hat die real existierende Demokratie bewiesen, dass es wohl mitunter möglich sein kann, ohne „Vitamin B“ oben mitzumischen, aber wenn es darauf ankommt, sind am Ende doch Beziehungen nicht nur das halbe Leben oder halbe Amt, sondern oftmals das ganze. Wenn CDU, CSU und FDP etwas aus dieser Wahl lernen können, dann vielleicht die Tatsache, dass markige Absichtserklärungen noch keine echte Kompetenz ersetzen.

Die Linke, mit den pseudo-emotionsreichen Auftritten ihrer Alt-Vorderen bewies wieder einmal, dass sie weder politik- noch regierungsfähig ist. Unerträgliche Äußerungen gegen den integren Gauck zu dessen Tätigkeit als früherer Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen zeigen, dass die „Linke“ einen dreifachen Salto rückwärts in die DDR-Vergangenheit vollbrachte – mit Haltungsnoten von minus 6,0. Wer Gauck vorwirft, er habe mit seiner Tätigkeit als Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen indirekt Menschen in den Tod getrieben (wie ein gewisser Herr Dehm), läßt nicht nur erahnen, wie er die Missachtung der Menschen- und Freiheitsrecht in der einstigen DDR bewertet. Absolut widerlich ! Hier werden die zahlreichen Menschen verhöhnt, deren Leben, Lebenswege, Gesundheit in der DDR nachhaltig von der Staatssicherheit oder anderen staatlichen Stellen zerstört wurden, nur weil sie sich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit einsetzten. „Das Leben“ eines Stasi-IM, der aus dem öffentlichen Dienst entfernt wurde, hat nicht Joachim Gauck „zerstört“, sondern das hat der betreffende Stasi-IM, der andere Leben und Lebenswege in der DDR auf das Negativste beeinflusste, noch immer selbst. Und viele Stasis und DDR-Eliten – die meisten sogar – sind auch in der Demokratie bestens versorgt, ob in der privaten Wirtschaft oder in öffentlichen Verwaltungen sowie „gemeinnützigen“ Vereinen/ Verbänden. Dass die „Linke“ Joachim Gauck die Unterstützung versagte, offenbart deutlich, dass diese Partei in der Demokratie noch lange nicht angekommen ist. Natürlich haben Ost-CDU, LDPD, NDPD und Bauernpartei – insbesondere seit 1961 ff. – maßgeblichste Verantwortung am DDR-Regime. – Auch hier ist eine noch deutlichere Aufarbeitung geboten – zumal viele Blockflöten zu CDU und FDP nach der Wende marschierten.

Hier kann ja auch der neue Bundespräsident entsprechende Debatten anstoßen.

Tja, wenn jetzt allerdings ein Herr Kauder meint, dass CDU, CSU und FDP es doch „geschafft haben“ und die Menschen – nach seiner Ansicht – bald meinen werden, was man jetzt doch für einen tollen Bundespräsidenten gewählt habe, so dürfte er demnächst nur die Blätter und Sender der medialen CDU-Büchsenspanner lesen oder am Ende doch an Realitätsverlust leiden. Die Bürgerinnen und Bürger haben die politischen Ränkespiele schon längst durchschaut. „Veröffentlichte Meinung“ ist nicht gleich „öffentliche Meinung“!
Der Ablauf der Wahl zum Bundespräsidenten und davor die Kandidaten-Suche von CDU/CSU/FDP – ein Armutszeugnis der Regierungskoalition, die noch im September 2009 eine erhebliche Zustimmung bei der Bundestagswahl erhielt. Aber auch SPD und Bündnis 90/ Die Grünen sollten nicht zu sehr frohlocken: Joachim Gauck vertritt zu verschiedenen Themen, ob zum Afghanistan-Einsatz, zum Sozialstaat oder zur sozialen Marktwirtschaft, konträre Positionen zur SPD/ Grünen-Programmatik. Er ist auch ein Mahner. Ein Bündnis mit den SED-Nachfolgern auf Bundesebene lehnt er entschieden ab. Er ist zugleich auch jemand, der an die demokratisch-antikommunistische Geschichte der SPD erinnert – einst hatte die SPD mit dem SPD-Ostbüro sogar die größte Widerstandsbewegung gegen das DDR-Regime in ihren Reihen – etwas, was viele sozialdemokratische 68er mittlerweile leider vergessen haben.

Das Resümee lautet: Sie, die CDU/CSU/FDP, sollten gewinnen. Und: Sie, die Schwarz-Gelben, haben gewonnen. Sie, die CDU/CSU/FDP, sollten überzeugen. Aber: Sie, die Schwarz-Gelben, haben nicht überzeugt.

Der echte Sieger der Bundespräsidenten-Wahl ist Joachim Gauck. Aber auch der einzige Sieger.

Das CDU/CSU/FDP-Bündnis taumelt weiter. Die Linke lebt in der Vergangenheit und macht sich so „flüssig“, in steigendem Maße sogar überflüssig. SPD und Grüne profitieren von der schwarz-gelben Zerstrittenheit – ohne überzeugende Gegen-Konzepte. Die deutsche Demokratie ist in schwierigem Fahrwasser. Ein Kapitän Gauck wäre hier der richtige Mann auf der Brücke gewesen. So bleibt ein Missbehagen. Dennoch sollte Christian Wulff seine Chance bekommen. Alles andere wäre unfair. Wie wenig witz- und geistreich manche Konservative sind, beweist ein schwarzer Wahlmann mit seiner Aussage, dass es im Land doch voran gehe, jetzt wo die Arbeitslosigkeit sinke.

Der erste „Wulff-Effekt“?!

In der Tat: In M-V liegt die offizielle Arbeitslosenzahl erstmals unter 100.000 nach der Wende. In Schwerin sank die Quote von 13 % (Mai 2010) auf 12,6 % (Juni 2010). Klasse! Was in dieser wenig aussagekräftigen Statistik jedoch nicht erwähnt wird, ist die Anzahl der Hartz IV-Empfänger, der Teilzeitkräfte (die gern einen Vollzeit-Job hätten), die Vorruheständler (die gern noch gearbeitet hätten), die Beschäftigten auf dem 2. Arbeitsmarkt, die Angestellten in prekären Arbeitsverhältnissen, die „Aufstocker“ und diejenigen, die in mehr und minder sinnreichen Weiterbildungen sind.

Es bleibt in diesem Land eben noch viel zu tun. Gerade in puncto „Wahrhaftigkeit“. Volksverdummung pur hatten wir bereits nicht nur einmal…

Die Bundespräsidenten-Wahl ist gelaufen. Es bleibt ein übler Beigeschmack.

Ein Kommentar von Marko Michels

 

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