Das Technische Landesmuseum sagt „Tschüss“

… und Schwerin wird kulturell ärmer

Schwerin – eine Kulturstadt!?
Haben in den letzten Jahren die Schlossfestspiele, die BUGA, die verschiedenen Sonderausstellungen im Staatlichen Museum und auch die Aktivitäten zur 850-Jahrfeier viele „Dinge“ hinter den Kulissen verdrängt, so treten diese nun im „grauen Herbst“ 2010 deutlich hervor.

Schwerin will und muss sparen. Nur: Ohne vielfältige Orte des Erinnerns, Forschens und Reflektierens wird Schwerin geistig und gesellschaftlich veröden.

Das Technische Landesmuseum am MarstallKürzungen und „Abwickeln“ von Kultureinrichtungen sind jedenfalls keine konstruktive Antwort auf die Herausforderungen für die Zukunft. Schwerin ist da beileibe jedoch kein Einzelfall, auch das Handeln der Mehrheit der deutschen Kommunen ist angesichts „knappster Kassen“ ähnlich kurzsichtig  – allen schönen und geschönten Statistiken im Hinblick Wirtschaftsentwicklung, Arbeitsmarkt und Mittelstandsförderung zum Trotz.
Nun verlässt auch das Technische Landesmuseum, 1961 als Polytechnisches Museum gegründet, nach 40 Jahren Schwerin. Wieder eine kulturelle Einrichtung weniger in Schwerin …

Nachgefragt bei Frau Dr. Kathrin Möller, Leiterin des Technischen Landesmuseums

„Schwerin sollte seinen guten Ruf auch als `Kulturhauptstadt des Landes MV` nicht so leichtfertig aufs Spiel setzen!“

Frage: Frau Dr. Möller, das Technische Landesmuseum verlässt Schwerin in Richtung Wismar. Warum tun Sie den technikbegeisterten Landeshauptstädtern das eigentlich an? Der Marstall war doch eine gute Heimstätte für Ihr Museum.

Die Rückseite des Technischen Landesmuseums während der BUGADr. Kathrin Möller: Tatsächlich war der Marstall für uns in dreizehn Jahren eine zwar kleine, aber insgesamt gute Heimstätte, und die Schweriner waren sehr interessierte Besucher. Viele Schweriner haben das Museum ehrenamtlich unterstützt. In den vergangenen Jahren konnten wir dank dieser Hilfe z.B. unsere Patentdatenbank aufbauen. Die gleiche Unterstützung hatten wir uns von der Verwaltung erhofft. Leider haben sich die Schweriner Verantwortlichen nie so leidenschaftlich für das Museum eingesetzt, wie wir das jetzt in Wismar erleben. Das ist ein Grund dafür, dass wir die Stadt Schwerin verlassen.
Aber: wir haben immer betont, dass wir für die weitere Zusammenarbeit mit den Museen und technischen Sammlungen Schwerins auf jeden Fall zur Verfügung stehen!

Frage: Zum Schluss gibt es noch einmal eine nostalgische Sonderschau zu 40 Jahren Technisches Museum in Schwerin. Für Sie persönlich, ob aus Erzählungen oder selbst dabei, was waren für Sie die Highlights aus 40 Jahren Technisches Museum in Schwerin?

Diese Hochräder - hier beim Stadtumzug - waren auch beim Oll-Fohrrad-Rennen zu bestaunen.Dr. Kathrin Möller: Da gab es zahlreiche Höhepunkte: die tollen Exponate, die die Modellbauer wie zum Beispiel Wilfried Osten gezaubert haben, die funktionsfähige Mini-Hochofenanlage, die vielen Aktionen, wie unter anderem die Solarmobilrennen und Oll-Fohrradrennen, die Gitarrenausstellung mit Ingo Schlüter, die Museumsfeste gemeinsam mit den anderen Museen der Stadt und vieles mehr.

Frage: Schwerin muss sparen. Viele Einrichtungen sind von Kürzungen betroffen – und nicht nur von Kürzungen … Wie ist Ihre Meinung zur „Sparliste“ in Schwerin?

Dr. Kathrin Möller: Sehr erschrocken bin ich über die Diskussion zum Volkskundemuseum Mueß. Die größte volkskundliche Sammlung unseres Bundeslandes steht hier zur Disposition. Seit Jahrzehnten haben zunächst Dr. Ralf Wendt und dann Gesine Kröhnert tolle Arbeit geleistet, die weit über unser Land hinaus bekannt und geschätzt wird.
Offensichtlich wissen die Stadtvertreter nicht, was sie da tun. Schwerin sollt seinen guten Ruf auch als „Kulturhauptstadt des Landes MV“ nicht so leichtfertig aufs Spiel setzen!

Frage: Nun geht es für Sie ins phanTECHNIKUM nach Wismar. Sind dort die Bedingungen dann gravierend besser? Bauverzögerungen wegen finanzieller Engpässe hat es ja auch schon in der Hansestadt gegeben.

Dr. Kathrin Möller: Dass es kein Kinderspiel werden würde, war schon klar. Es gibt Probleme mit der Bausubstanz des alten Kasernenkomplexes. Aber wir sind auf gutem Wege. Seit Frühjahr 2009 wird gebaut, Ende 2011 wird der erste Bauabschnitt fertig und dann soll der Ausstellungsaufbau beginnen.  Im Frühjahr 2012 möchten wir eröffnen. Wir können den Schwerinern versprechen, dass wir die „Philosophie“ des Polytechnischen Museums, Technik und Technikgeschichte erlebbar zu machen, weiterführen werden. Dafür gibt es hier in Wismar große Unterstützung nicht nur durch die Verwaltung, sondern auch durch die Hochschule und die Industriebetriebe. Und – was mich ganz besonders freut – auch viele Schweriner Freunde helfen mit, eine neues attraktives Technikmuseum nicht nur für Wismar, sondern für die Region Schwerin-Wismar, bzw. das Land Mecklenburg-Vorpommern aufzubauen.

Frage: Wenn die Sonderschau „Museum im Museum“ beendet sein wird, ziehen Sie mit Wehmut oder neuer Hoffnung nach Wismar?

Dr. Kathrin Möller: Sowohl als auch! Ich werde insbesondere die Vorbereitungsrunden zum Museumsfest mit Heidemarie Otto und den anderen Museumskollegen vermissen, die Gespräche zur Technikgeschichte mit Peter Falow und mit den anderen ehrenamtlichen Museumhelfern, die gute Zusammenarbeit mit Unternehmen der Stadt und und und…

Aber: Diese Zusammenarbeit ist ja nicht beendet. Die Entfernung zwischen beiden Städten beträgt tatsächlich nur 34 Kilometer. Ich meine, wir sollten gemeinsam über die Entwicklung von Wirtschaft und Kultur in der Region Schwerin/Wismar nachdenken und nicht so furchtbar „kleinstädtisch“ diskutieren. Jedenfalls schaue ich nun optimistisch auf die Entwicklung des Technischen Landesmuseums im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern.

Dann viel Erfolg und eine optimale Kooperation mit den Schwerinern trotz des Umzugs!

Marko Michels (Text/Fotos)

Hat Schwerin bald ausmusiziert, ausgespeichert, ausgeforscht ?! Kulturelle Einrichtungen, wie der Speicher, ATARAXIA, das Volkskundemuseum, das Konservatorium und auch das Theater sollen unmittelbar oder mittelbar von deutlichen finanziellen Kürzungen betroffen sein … Aber noch ist die Diskussion „in Gange“!

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