Der „weiße Sport“ erobert Schwerin

Saison-Eröffnung 2010 des Schweriner Tennis-Clubs und Anfänge des Tennissportes in Schwerin Anfang des 20.Jahrhunderts …
Am 17.April 2010 ist von 11.00 Uhr bis 16.00 Uhr Saison-Eröffnung 2010 des Schweriner Tennis-Clubs von 1908 am Franzosenweg – mit einem abwechslungsreichem Programm. Aber wie gelangte der „weiße Sport“ eigentlich nach Schwerin ?!

Nachdem das Tennisspiel, also ein mit einem Schläger ausgeführtes Netzballspiel, aus Frankreich kommend zwischen 14. und 17.Jahrhundert seinen Siegeszug als Hallen- und Freiluftspiel auch in Deutschland, England oder Skandinavien antrat, hat das sportfeindliche 18.Jahrhundert ihm als Volksbrauch eigentlich fast den Garaus gemacht … Vor dem „völligen Aussterben“ bewahrte das Tennisspiel der englische Major Clopton Wingfield. Im Jahr 1874 meldete er „A new and improved portable court for playing the ancient game of tennis“ zum Patent an.

Doch weder die von ihm gewählten Maße des Tennisplatzes noch der von ihm gebrauchte griechische Name „Sphairistike“ hatten lange Bestand. Sein Verdienst war es aber, das „alte Tennis“ von den Künsteleien, die schwerpunktmäßig in der Halle entwickelt wurden, befreit und daraus ein sehr einfaches und flüssiges Freiluftspiel gemacht zu haben.
Der „Mary-le-bone-Athletik-Club“ griff seine Gedanken auf; über die von Wingfield vorgeschlagenen Regeln wurde beraten, vieles umgearbeitet und durchgesetzt, was Wingfield – wenn zunächst auch widerstrebend – hinnahm.

Im Jahr 1877 fanden dann die ersten englischen Lawn-Tennis-Meisterschaften statt. Das „neue Tennis“ trat seinen Siegeszug um die Welt erfolgreich an.

Die allgemeine Tennis-Begeisterung erreichte die mecklenburgische Landeshauptstadt zwar mit einiger Verspätung, aber im Jahre 1908 gründeten auch die Schwerinerinnen und Schweriner – mehrheitlich die gut situierten – ihren ersten „Lawn-Tennis-Club“.
Zunächst entdeckten die so genannten „besseren Kreise“ ihre Zuneigung zum „weißen Sport“ – und wollten auch möglichst „unter sich“ bleiben. Aufnahmebegehren von Interessenten, die nicht aus einer Adelsfamilie stammten bzw. die nicht zum reichen Bürgertum gehörten, wurden zumeist abgewiesen.

So schreibt der Schweriner Weinhändler Fritz Havemann dem mecklenburgischen Großherzog über den abgelehnten Aufnahme-Antrag seiner Tochter im Mai 1909:

„ … Eu(re) Königliche Hoheit als Protektor des hiesigen lawn-Tennis-Clubs von 1908 wollen gnädigst gestatten, dass der alleruntertänigst Unterzeichnete sich im Nachstehenden erlaubt, Vorkommnisse in diesem Club zu Eu(rer) Königlichen Hoheit Kenntnis zu bringen. Der Club verdankt nur der hochherzigen Förderung durch Eu(re) Königliche Hoheit sein Bestehen und hat die Schweriner Einwohnerschaft das Bestreben des Clubs, Pflege und Förderung des Tennisspiels, mit großer Freude begrüßt.

Wenn auch ein Teil der Mitglieder dem Adel und den ersten Kreisen der Stadt angehört, so sind in dem Verein doch unbeanstandet Töchter von Höheren und Subaltern-Beamten, Töchter von Kaufleuten usw., ja sogar Töchter von Geschäftsreisenden aufgenommen. Dieser Umstand veranlasste auch meine erwachsene Tochter sich zur Aufnahme zu melden.

Ich konnte in Rücksicht darauf, dass ein grosser Teil der übrigen Mitglieder der gleichen Gesellschaftsklasse angehört als ich, diesen Entschluss nur billigen, zumal meine Tochter eine eifrige Tennisspielerin ist. Eu(re) Königliche Hoheit sind ja über meine Persönlichkeit und meinen Ruf und mein Ansehen sicher orientiert, da ich vor Jahren die Gnade hatte, zum Hofweinhändler ernannt zu werden.

Ueber meine Tochter kann ich nur sagen, dass sie sich des allerbesten Rufes erfreut. Wenn wir dies erwogen, so mussten wir uns sagen, dass wir es ruhig wagen konnten, meine Tochter anzumelden. Dies ist geschehen. Am 9.Mai d.J. (1909) erhielt meine Tochter nun die anliegende Mitteilung ihrer Nichtaufnahme …
…  In Vertrauen hierauf und das mir zu Seite stehende Recht wage ich es alleruntertänigst, Eu(re) Königliche Hoheit wollen sich in Gnade der Sache annehmen, meiner schwer gekränkten Tochter zu ihrem Recht zu verhelfen oder doch den Club anzuweisen, dass er die Gründe der Nichtaufnahme meiner Tochter mitteile. Im festen Vertrauen auf Eu(re) Königliche Hoheit huldvolles Entgegenkommen bin ich (,) Eu(re) Königliche Hoheit alleruntertänigster Diener(,) Fritz Havemann, Großherzoglicher Hofweinhändler …“

Ergebnis dieser Petition an den Großherzog war die zögerliche Aufnahme der Tochter des Weinhändlers Havemann in den Lawn-Tennis-Club zu Schwerin. Dennoch bildet diese erbetene Mitgliedschaft einer Vertreterin aus der niederen Mittelschicht eher die Ausnahme; der Lawn-Tennis-Club blieb ein elitärer Sport-Club der damaligen Schweriner „High-Society“ – zumindest bis 1918.

Zunächst hatte der Schweriner Lawn-Tennis-Club mehr den Charakter eines Freizeitsportes der „Reichen“. Ab 1913 begann der Club aber auch Wettkampf-Turniere zu organisieren; noch im gleichen Jahr fand das „I. Allgemeine Lawn-Tennis-Wettspiel des Schweriner Lawn-Tennis-Vereins 1908 e.V.“ statt. Gespielt wurde zwischen dem 9.6.1913 und 16.6.1913 auf den Plätzen im Schlossgarten (Franzosenweg). An diesem Turnier nahmen Spieler/Spielerinnen aus Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Pommern, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Braunschweig teil.  Preise stifteten hierfür der Magistrat Schwerin als auch der Großherzog.

Zwischen 1913 und 1933 veranstaltete der Schweriner Tennis-Verein – mit Ausnahme der Kriegsjahre – im Sommer das deutschlandweit bekannte „Schweriner Lawn-Tennis-Turnier“.
Bereits im Jahr seiner Gründung – 1908 – trat der „LTC Schwerin“ dem „Deutschen Tennisbund“ bei und übernahm damit auch dessen Spielregeln.
Im Jahr 1922 wurde der „Schweriner Hockey-Club“ – aus finanziellen Erwägungen – dem „Lawn-Tennis-Club“ angegliedert; der neue Sportverein nannte sich nun „Schweriner Tennis- und Hockey-Club von 1908 e.V.“.

Der Finanzbedarf bezüglich Spielstättenpflege oder Sportausrüstung des größeren „THC Schwerin“ war gerade in den Folgejahren 1922 bis 1930 enorm hoch, denn nach 1922 hatte die Tennis-Abteilung 7 Tennisplätze am Franzosenweg zu hegen. Zudem pachtete die Hockey-Abteilung eine Spielanlage auf dem Großen Exerzierplatz.

Tennis um 1930Nach 1925  nahm der „Schweriner Tennis- und Hockey-Club von 1908 e.V.“  eine imposante Entwicklung. So gelang es 1928/29 trotz der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse mehr als 100 Schülerinnen und Schüler für den Verein zu gewinnen. Damit standen im Jahr 1929 116 ordentliche Mitgliedern 77 Mädchen und 32 Knaben gegenüber – eine Zahl, die in diesem Verhältnis kein anderer Schweriner Sport- und Turnverein in jenen Jahren erreichte.

Der „weiße Sport“ hatte sich in Schwerin etabliert.

Übrigens: Von 1896 bis 1924 war Tennis olympisch, dann 1968 bzw. 1984 olympische Demonstrationssportart, und seit 1988 wieder im olympischen Programm. In Seoul 1988 wurde Steffi Graf Olympiasiegerin im Damen-Einzel. Vier Jahre später, 1992 in Barcelona, gab es für Boris Becker/Michael Stich Gold im Herren-Doppel.

Marko Michels (aus M.Michels: „Die Entwicklung des Schweriner Sportes von 1850 bis 1933“, Manuskript mit Dokumenten/Foto-Sammlung, Stadtsportbund Schwerin 2000)

Foto:
Bundesarchiv
Bild 146-1987-085-21
Lizenz: CC-BY-SA 3.0
Tennis um 1930

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