Die EURO 2008 im Blickfeld

Part 1: Die EURO-Frühgeschichte und die Schweriner

EURO 2008Kaum vergessen sind die heißen und feucht-fröhlichen Tage der Fußball-WM 2006 in Deutschland, da steigt schon die nächste Fußball-Event – die EURO 2008 in Österreich und in der Schweiz – vom 7. bis 29.Juni 2008.

Und Schwerin kann zumindest per „Public Viewing“ auf dem Marktplatz der Landeshauptstadt dabei sein – mittels einer sechs mal vier Meter großen Leinwand.
„Natürlich“ gibt es zu einzelnen Spielen die entsprechenden kulinarische Genüsse, z.B. Soljanka zu den Spielen der Russen, Käse zu den Spielen der Eidgenossen, schmackhafte Elche bei den Partien der Schweden, essbare Tulpen bei den „Games“ der Holländer“, Spaghetti bei den Italienern, „gallisches Hähnchenfleisch“ bei den Franzosen oder Sauerkraut mit „extra fettem“ Eisbein zu den Spielen der Deutschen 😉
Bei den Griechen wird Tzatziki gereicht mit extra viel Knoblauch, damit auch die Nachbarin demm fußballsportlichen Charme erliegt …

Fußball und die EM, Fußball und Cup-Wettbewerbe überhaupt – eine schwere „Geburt“. Anfangen könnte man bei den Chinesen, die ein fußball-ähnliches Spiel bereits vor mehr als 2000 Jahren am Hofe des Kaisers Huang-Ti besangen, oder bei den Hellenen oder den Römern, sogar bei den Inkas und Mayas wird man – hinsichtlich „Wurzeln“ des Fußballsportes fündig.

Das moderne Fußballspiel prägte vor allem das englische Freizeittreiben im Mittelalter, aber verschwand zu dessen Ende – von einigen Fastnachtsturnieren abgesehen – fast völlig. Erst mit dem Aufleben des sportlichen Wettkampfgedankens in England Anfang des 19.Jahrhunderts nahm die Bedeutung des Fußballspieles in England wieder zu. Es entstanden zwei Formen, die durch Größe und Art der vorhandenen Spielfelder beeinflußt wurden.

Fußball früher ...So soll dann auch der enge Spielplatz der renommierten englischen Charterhouse-School, der ursprüngliche Klostergarten, das Dribbling-Game, also das „Association-“ oder „Soccer“-Fußballspiel hervorgebracht haben, und auch die Westminsterschule soll „similary ill provided with a play ground“, also ähnlich kümmerlich mit Spielfeld versehen gewesen sein.

Das Wort „Soccer“ ist dabei als ein Slang-Wort der Studentensprache um 1894 aufgetaucht; man vermutet das lateinische Wort „soccus“ (griechisch = leichter Schuh), englisch auch sock oder socket, als Ursprung. In Winchester soll man hingegen gezwungen gewesen sein, auf langem Streifen am Rande des für Kricket ausgesparten Feldes das Fußballspiel einzuführen. Hier bestand für das spielerische Gedränge keine Gefahr, und so verblieb eine Spielweise, die man in ähnlicher Form als „Rugby“ bezeichnet.

Der erste „Association-Fußballclub“ soll 1857 unter dem Namen „Forest-Club“ nahe dem Eppingwalde, 20 km nördlich London, entstanden sein, wobei dort „soccer“ und „athletics“ in gleicher Weise betrieben wurde.

Doch das sind noch alles „Wehen“, so richtig „real“ in Richtung moderner Fußballsport wurde es erst am 26.Oktober 1863, als in einer Londoner Taverne der erste Fußball-Verband der Welt, die Football Association“ gegründet wurde. Auf dem europäischen Festland dauert die positive Entwicklung des Fußballsportes noch etwas länger, aber um 1875 entstehen auch in Holland, in Deutschland und in Dänemark die ersten Klubs. 1888/89 gewinnt Preston North End die erste englische Meisterschaft und schon 17 Jahre zuvor – 1872 – wird in Glasgow das erste Länderspiel zwischen Schottland und England ausgetragen, welches 0:0 endete.

Das erste Länderturnier wurde dann 1883 ausgetragen – zwischen England, Schottland, Wales und Irland, die dann 1886 die „International F.A.Board“ gründeten.

Olympia 1912Olympische Fußball-Turniere werden seit 1900 organisiert, doch fristeten diese nebenn Leichtathletik, Schwimmen oder Turnen eher ein „Schattendasein“ in der olympischen Familie. 1904 in St.Louis waren die Nordamerikaner gar unter sich, da vielen Europäern die Reise in die Staaten zu kostspielig und die Bedeutung des Turnieres als zu uninteressant erschien, so dass sich das Fußball-„Diaspora-Land“ Kanada vor amerikanischen Teams durchsetzen konnte.
Im gleichen Jahr erfährt der Fußballsport dennoch einen „organisatorischen Schub“. In Paris konstituierte sich der internationale Fußball-Verband, die FIFA, wobei es noch weitere 26 Jahre dauern sollte, bis die erste WM, dann 1930 in Uruguay, Realität wurde.

Sechs Jahre vor diesem Termin sollte es abermals in Paris zum ersten wirklichen „Welttreffen“ der weltbesten Fußball-Kicker kommen. Beim Olympia-Turnier 1924 nahmen 21 Länder teil und nicht, wie erwartet, die Europäer dominierten, sondern der Olympiasieger`24 hieß Uruguay. Als „Belohnung“ erhielt das kleine südamerikanische Land neben der olympischen Goldmedaille auch die Veranstaltung der WM 1930.

Auch bei der ersten WM dominierten die amerikanischen Teams. Erster wurde Uruguay vor Argentinien und da Jugoslawien auf das Spiel um den driiten Platz verzichtete, ging Bronze an das Überraschungsteam der USA.

Neue regionale Fußball-Wettbewerbe etablierten sich insbesondere, aber nicht nur, in Europa. So entstanden die Meisterschaft der nordischen Nationen, der Balkan-Cup oder der Inter-Cup.

In Schwerin zog „König Fußball“ auf ganz eigentümliche Weise um 1895 ein. Ältere Schüler, die sich befehdeten, trafen sich um die Jahrhundertwende zu Vergleichen und Revanchen auf freien Plätzen in der Stadt, um auf diese Art ihren Streit auszutragen. Nach dem ersten „Schweriner Fußballklub von 1903“ wurde 1904 mit „Vorwärts“ ein zweiter gegründet. Im Jahr 1911 kam „Union Schwerin“ hinzu. Austragungsort zahlreicher Fußballspiele war der kleine Exerzierplatz, der in der Nähe des Schloßgartens liegt.

Große Erfolge feierte vor allem der „Schweriner Fußball-Club von 1903“, der im Jahr 1925 Meister des Bezirks II (Lübeck-Mecklenburg) wurde. Der „SFC“ bot seinen Mitgliedern aber nicht nur das Fußball spielen an; ferner gab es Übungsmöglichkeiten in der Leichtathletik, im Handballspiel, im Hockeyspiel und im Tennis.

Außerordentliche Verdienste bei der Entwicklung des „SFC“ erwarb sich insbesondere dessen langjähriger Vorsitzender Pingel.
Der „SFC“ gehörte in den Jahren 1919 bis 1933 zum „Verband Schweriner Vereine für Leibesübungen“ und war damit – neben beispielsweise dem „Verein für Leibesübungen e.V.“, dem „Männer-Turn-Verein“ oder dem „Schweriner Schwimmklub von 1913“ – einer der bedeutendsten Vereine der Stadt.

Der „Schweriner Fußball-Club von 1903 e.V.“ zwischen 1903 und 1933 – Etappen einer Entwicklung

Die Geschichte des „SFC“ ist gleichzeitig die Entwicklungsgeschichte des modernen Rasensportes in Schwerin. Um die Jahrhundertwende, also um 1900, wurde in den Turnvereinen ebenso wie auf den Schulen in Schwerin so gut wie gar kein Rasensport – und damit auch das Fußballspiel – betrieben. Es gab nur wenige „turnerische (Rasen-)Spiele, z.B. Barlauf, Schleuderball, Schlagball und gelegentlich Faustball. Nur auf dem Realgymnasium wurde in den Sommermonaten bereits vor 1900 an Mittwoch- und Sonnabend-Nachmittagen – unter Leitung von Professor Metzmacher – von den oberen Klassen statt des winterlichen Kürturnens auf dem Großen Exerzierplatz Fußball gespielt.

Eine moderne Mannschaftsaufstellung kannte man damals noch nicht; durch Wahl wurden die freiwillig Erschienenen in zwei Parteien geteilt, die durch grüne und rote Armbinden unterschiedlich gemacht waren. Die Position des Torhüters mußte stets ausgelost werden, denn freiwillig war niemand bereit, nur „vor dem Gehäuse zu stehen“ …

Ein Torwart genoss in jenen Jahren nicht gerade höchstes Ansehen ! Genaue Spielregeln waren ebenfalls noch nicht bekannt, so daß das Mannschaftsspiel Fußball eher einer „Mannschaftsjagd“ glich: Jeder versuchte auf eigene Faust vorwärts zu kommen. Ziemlich unpraktisch war die Kleidung. Kurze Hosen oder gar Fußballstiefel gab es noch nicht. Die wollenen Strümpfe wurden über die langen Hosen gezogen, die Jacke ausgezogen und wenn der steife Kragen nicht abgebunden wurde, steckte man sich zwischen Hals und Kragen ein Taschentuch, damit der Kragen, für den nach dem Spiel zu unternehmenden König- und Friedrichstraßenbummel, nicht beschädigt wurde.

Doch die Entwicklung des modernen Fußballspiels setzte sich auch in Schwerin durch. Mehr Ernsthaftigkeit und eine straffe Organisation im Spiel sollten Markenzeichen des Schweriner Fußballs werden … Durch die Berufung des Kapellmeisters Zumpe aus München an das damalige Hoftheater kam dessen Sohn als Gymnasiast in die mecklenburgische Landeshauptstadt.

Dieser hatte schon in München auf der Schule Fußball gespielt und interessierte auch schnell die Schüler des Schweriner Gymnasiums für diesen Sport. Entsprechende Sportkleider und Fußballstiefel brachte er mit und lehrte den Schwerinern Mannschaftseinteilung und Regeln. Doch auch dessen Regelkenntnis hatte gewaltige Lücken.

So wurde nach seiner Anordnung z.B. ein Elfmeter in folgender Weise ausgeführt: Der Torwart i m Tor – damals noch mit Vorliebe „Goal“ genannt – der „Elfmeter-Ausführende“ am Ball. Die eine Partei stellte sich senkrecht von einem Torpfosten ab ins Spielfeld und die andere machte es ebenso am anderen Torpfosten.

Auf den Pfiff des Schiedsrichters liefen beide Parteien in die sich zwischen ihnen befindliche Gasse und versuchten, den Ball zu erhaschen. Erst ein Regelheft von Vater Zumpe machte seinen Sohn auf dessen Regelverstoß aufmerksam. Mit Zumpe sen. begann insgesamt der Aufstieg des modernen Fußballspiels in Schwerin.

Auch ein in Schwerin zur Erlernung der deutschen Sprache anwesender Engländer leistete den Schweriner Fußball-Enthusiasten ebenfalls gute Dienste. Fußballstiefel wurden gekauft bzw. aus alten Schuhen von heimischen Schuhmachern hergestellt. Kurze Hosen wurden auf die denkbar einfachste Art beschafft.

Eine alte lange Hose schnitt man ab und von der Mutter oder Großmutter umgesäumt. Zudem beschafften sich die Gymnasiasten blau-gelbe Hemden, die Realgymnasiasten blaue Sweater mit blau-weißem Wappen. Die Mannschaftskapitäne trugen mit großer Würde lange rote Schärpen. Nach all diesen Vorbereitungen gelang es dann auf den beiden erwähnten Schulen, die Direktoren zu bewegen, die Erlaubnis zur Gründung von Fußballmannschaften zu geben. Wettspiele wurden zwischen Gymnasium und Realgymnasium ausgetragen, und bald gelang es dem Gymnasium, in Sperber-Hamburg den ersten auswärtigen Gegner nach Schwerin zu verpflichten.

Das Spiel fand am 3.Februar 1901 auf dem Großen Exerzierplatz bei ziemlich hohem Schnee statt und konnte nur durch die Überlegenheit des Hamburger Torwarts über den des Gymnasiums mit Mühe und Not 3:1 von Hamburg gewonnen werden. Mit der Zeit hatten sich auch auf der Bürgerschule der Fußballklub Niklot und auf der Freischule der Fußballklub Adler gebildet. Doch beide Klubs traten im Vergleich zu den beiden Gymnasien, von denen allmählich das Realgymnasium das Gymnasium in Bezug auf Spielstärke überflügelt hatte, wenig in Erscheinung: So „lagen“ die fußballsportlichen Verhältnisse in Schwerin zu Beginn des Jahres 1903.

Marko Michels

F.: DOG (2)

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