Die „Flodde Lodde“ oder „Traumschiff Zukunft“

Letzte Chance für unter 25-Jährige


Ankunft auf der ''Insel der Chancen'' mit dem Boot ''Flodde Lodde''. (Foto: Agentur für Arbeit) Am Montagmorgen in Zippendorf: Die „Flodde Lodde“ hat eine ganz besondere Besatzung an Bord. Das Boot schippert mit 15 jungen Leuten im Alter zwischen 17 und 25 Jahren vom Bootsanleger Zippendorf nach Kaninchenwerder. Von hier aus wollen sie in ihre neue Zukunft starten. Das Wetter spielt mit – strahlender Sonnenschein glitzert auf dem Wasser, ab und an landet ein Spritzer auf der Haut, wenn das Boot die kleinen Wellen bricht. Auch wenn Jessica (21 Jahre) heute Morgen eigentlich noch so gar keine Lust hatte, der Einladung des Schweriner Jobcenters auf die Insel zu folgen, spätestens jetzt ist sie überzeugt, sich auf diesen Versuch einzulassen. Und auch Anja (21 Jahre) startet in diesen Tag mit großen Hoffnungen, sie möchte ihr Leben in den Griff bekommen und dafür will sie endlich eine Lehre machen.

Auf der „Insel der Chancen“*, so wird Kaninchenwerder auch genannt, sollen sich die jungen Frauen und Männer heute mal in verschiedenen Berufen ausprobieren. Alle 15 haben bislang weder Ausbildung noch Job. Sie haben schon einiges hinter sich – gesundheitliche Probleme, manche haben Schulden, andere sind wohnungslos oder waren bereits im Gefängnis. Sie haben Brüche in ihren Biografien – sagen die, die versuchen, ihnen wieder zurück ins normale Leben zu helfen. Zum ersten Mal gab es den Aktionstag rechtskreisübergreifend: Sowohl Hartz IV-Empfänger als auch Jugendliche mit Handicap und Förderbedarf sind dabei. Auf der Insel angekommen werden sie bereits von Arbeitgebern aus Schwerin und dem Umland erwartet, die sie begleiten werden. Vom Schloss Basthorst ist Anja Lux dabei, Susanne Kirsch vom „Garten- und Landschaftsbau Olaf Kirsch“ ebenso. Beide Frauen haben keine Vorurteile, auch wenn sie wissen, dass sie es mit Jugendlichen in schwierigen Lebenslagen zu tun haben. „Unsere Erwartung ist einfach, dass wir junge Leute für unser Hotel begeistern können. Wir haben Jobs, die für jeden passen. Wir haben ja auch unterschiedliche Gäste“, sagt die Assistentin der Basthorster Geschäftsleitung.
Und auch Susanne Kirsch, die Landschaftsgärtnerin, freut sich auf den Tag. Direkt unter der Regenrinne des alten Hauses hat sie sich ein Fleckchen im Schatten gesucht und erklärt Jessica und Anna, was in ihrem Job wichtig ist: „Wir müssen das einfach mal ausprobieren. Gerade über solche Schienen können Jugendlichen, die vielleicht nicht die besten schulischen Noten haben, aber praktisch gut sind, Ausbildungen ermöglicht werden. In Berufen, wie im Garten- und Landschaftsbau, ist natürlich Praxis ein Hauptbestandteil und wer da punkten kann, hat bessere Chancen, als wenn er in Französisch eine Zwei bietet.“

Mareike (l.), Jasmin (m.) und Tim an der Vermessungsstation. (Foto: Agentur für Arbeit)Vier Monate Vorbereitungszeit hat der Aktionstag auf Kaninchenwerder gekostet – nun soll sich zeigen, ob all die Anstrengungen tatsächlich Wirkung zeigen bei den jungen Leuten. Und Sabine Kühn, Fallmanagerin im Jobcenter Schwerin und Mitorganisatorin des Projekttags ist sichtlich erleichtert: „Wir sind stolz, dass wir Jugendliche aus zwei Maßnahmen beim SAZ (Schweriner Ausbildungszentrum) und Arbeitgeber für den Tag auf der Insel gewinnen konnten. Arbeitgeber, die sich Zeit genommen haben, um mit den Jugendlichen heute zu arbeiten. Ich hoffe sehr, dass vielleicht im Nachgang der eine oder andere tatsächlich einen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag angeboten bekommt.“

Rund um die Gaststätte auf Kaninchenwerder können sich die Jugendlichen ausprobieren. Jessica und Anna haben sich entschieden, mit Landschaftsgärtnerin Susanne Kirsch Ranken und Rosen einzupflanzen. Die Arbeit an der frischen Luft, die Kreativität, die man braucht, um Gärten und Anlagen landschaftlich zu gestalten – genau das hat beide junge Frauen gereizt. „Früher ist so viel schief gelaufen, aber jetzt habe ich die Kurve gekriegt“, erzählt die fast 22 jährige Jessica. „Jetzt versuch ich alles auf die Reihe zu kriegen, um später irgendwann mein eigenes Geld zu verdienen. Wenn ich denn Kinder habe, dass ich denen auch was bieten kann.“

In kleinen Gruppen scharen sich die jungen Leute um die Arbeitgeber, langsam baut sich ein Kontakt zwischen beiden Seiten auf, die Jugendlichen sind nicht mehr voll trotziger Abwehr, sondern signalisieren ehrliches Interesse. Und genau darauf hatten die Arbeitgeber gehofft. In der Küche der Gaststätte wird indessen mit dem Basthorster Jungkoch Erik Möller gemeinsam ein Gulasch gekocht. Auch Anja ist hier dabei. Immer noch weiß die 21 jährige nicht, was sie später einmal machen möchte. “Diese Maßnahme ist eine sehr gute Chance, um genau das herauszufinden. Es ist schon eine sehr große Hilfe. Wir haben hier alle irgendein Leid und hoffen, was Passendes zu finden. Und Gastronomie ist schon was Tolles.“ Währenddessen die beiden jungen Frauen auf dem besten Weg sind, tatsächlich neu durchzustarten, packen auch die anderen an ihren Stationen an: Mareike, Timm und Jasmin testen die Vermessungsstation, während Marvin und Florian sich für die Arbeit mit der Motorsense entschieden haben.

Ob der Tag tatsächlich für einen von den 15 jungen Leuten einen Job bringt, das wird sich zeigen – Spaß hat es sowohl den Arbeitgebern als auch den Jugendlichen gemacht, Wiederholung nicht ausgeschlossen.

Hintergrund
Das EU-geförderte Jugendberufshilfeprojekt „Insel der Chancen“ verbindet die Interessen von Wirtschaft und Sozialem, indem ein öffentlicher Ort durch produktive Tätigkeit von arbeitslosen jungen Erwachsenen aufgewertet wird. „Seit 6 Jahren läuft das ESF-Projekt, ‚Insel der Chancen‘. Seit 2010 haben sich hier rund 300 junge Menschen ausprobiert – jeder zweite hat den Anschluss an das normale Leben geschafft, so Projektleiter Tino Jablonski stolz.

Agentur für Arbeit Schwerin

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