„Die große Herausforderung muss angenommen werden“

Landesflüchtlingsräte und Pro Asyl kritisieren Beschlüsse aus Brüssel und Berlin

Schwerin – Die Landesflüchtlingsräte von Bund und Ländern und die unabhängige Menschenrechtsorganisation Pro Asyl haben sich in ihrer gemeinsamen Sitzung am 5. und 6. Oktober in Schwerin für eine liberale Flüchtlingsaufnahme, für ein Bleiberecht und für nachhaltige Integration von Flüchtlingen ausgesprochen. Scharf kritisiert wurden indes die Beschlüsse aus Brüssel und Berlin.

Den Organisationen zufolge verhindere die bis zu sechs Monate dauernde „Zwangsunterbringung von Flüchtlingen“ in Erstaufnahmeeinrichtungen deren Integration und führe auf Dauer zu menschenrechtswidrigen Zuständen. Die geplanten Einschränkungen bei den Sozialleistungen verstießen zudem gegen die Verfassung. Weiterhin heißt es in der Presseerklärung: „Die Einstufung eines Staates wie Kosovo, in dem 5000 KFOR-Soldaten stationiert sind, als sicheres Herkunftsland ist absurd.“

Auf der Konferenz wurden aber auch Maßnahmen diskutiert. Danach müsse es ein Ziel sein, den §53 AsylVerfG, der die Unterbringung von Flüchtlingen in Lagern als Soll-Vorschrift vorgibt, abzuschaffen. Gleichwohl gelte es, nachhaltige Aufnahmekonzepte und einen Generalplan zur Wohnbauförderung zu entwickeln. Als Beispiel wurde der soziale Wohnungsbau, wie es ihn in den 50er Jahren gegeben hat, genannt. Auch über die Beschlagnahmung von leerstehenden Wohnraum müsse diskutiert werden. Die von Bundes- und Landesregierungen bereitgestellten Kompensationsmittel über 500 Mio Euro seien hingegen nur ein „Tropfen auf den heißen Stein“. Laut den Flüchtlinsräten dürfe der Bund nicht mehr am geltenden Verteilungsschlüssel festhalten. „Es ist nicht zielführend, dass in manchen Kommunen Wohnraum frei ist, weil nach der quotierten Verteilung keine weiteren Flüchtlinge aufgenommen werden müssen, während andere Kommunen Container aufbauen müssen“, hieß es am Wochenanfang.

Pro Asyl und die Flüchtlingsräte fordern, die Abläufe im Asylverfahren zu entbürokratisieren und zu beschleunigen. Unter anderem müsse das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge innerhalb von drei Monaten über Asylanträge entscheiden dürfen. Auch die Registrierung und Ausstellung von Ausweispapieren etc. müsse sofort erfolgen. Unverständnis zeigte man in Schwerin darüber, dass weiterhin an Dublinverfahren festgehalten wird. „Diese Verfahren sind kostenintensiv, aufwändig, und sie beanspruchen erhebliche Ressourcen und Kompetenzen, die besser zur inhaltlichen Prüfung von Asylanträgen genutzt werden sollten“, heißt es in der Presseerklärung.

Im Raum standen zudem Forderungen, wie die sofortige Öffnung der Integrationskurse für alle Asylsuchenden und geduldeten Flüchtlinge, den Ausbau der Flüchtlingssozialarbeit oder die Abschaffung von Asylbewerberleistungsgesetz, Arbeitsmarktprüfung und ausländerrechtlichem Arbeitsverbot für Geduldete. Gleiches gelte für die medizinischen Leistungseinschränkungen in den ersten 15 Monaten. Für Asylsuchende solle ab dem ersten Tag ein Zugang zu BAFöG und BAB ermöglicht werden.

Die Konferenzteilnehmer machten noch einmal darauf aufmerksam, dass es bundesweit zu einem massiven Anstieg rassistischer Übergriffe gegen Asylsuchende und deren Unterstützer_innenstrukturen sowie der Zahl fremdenfeindlicher Demonstrationen in unmittelbarer Nähe von Asylsuchendenunterkünften. Sie distanzierten sich zudem davon, Menschen in diffamierender Manier in „gute“ und „schlechte“ Flüchtlinge zu unterteilen. Dies heize die rechtspopulistische Stimmungsmache nur weiterhin an, so die Verbände. „Wir fordern eine klare Positionierung der kommunalen Akteur_innen sowie der Landes- und Bundespolitiker_innen gegen rechtspopulistische Hetzkampagnen“, heißt es in der Stellungnahme. Gleichzeitig wird gefordert, rassistische Gewalt konsequent strafrechtlich zu verfolgen sowie fremdenfeindlichen und menschenverachtenden Gruppierungen mit einem Demonstrationsverbot zu belegen.

red

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