Interview mit Bundestrainer Oliver Caruso
Im November wird es noch einmal weltmeisterlich. In der traditionsreichen olympischen Sportart Gewichtheben finden vom 5. bis 16. November die Welttitelkämpfe im kasachischen Almaty statt. Favorisiert sind – fast schon obligatorisch – die Athletinnen und Athleten aus Russland und China, die zuletzt bei den WM 2013 in Wroclaw jeweils sechs Goldmedaillen im Zweikampf errangen.
MV – ein Gewichtheber-Land
Auch Mecklenburg-Vorpommern brachte in der Vergangenheit einige erfolgreiche Gewichtheber hervor. Allerdings liegen die olympischen Erfolgsmomente für unser Bundesland und deren Gewichtheber-Hochburg Stralsund schon ein wenig länger zurück: So belegte der gebürtige Schweriner Jürgen Ciezki in Montreal 1976 Platz fünf (II.Schwergewicht); bei den Spielen 1976 konnte der gebürtige Barther Helmut Losch, für Stralsund startend, sogar Bronze (Superschwergewicht) erkämpfen.
Bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau durfte sich Jürgen Heuser (auch in Barth geboren und für Stralsund startend) über Silber (Superschwergewicht) freuen. Andreas Behm belegte im Leichtgewicht dann 1992 in Barcelona Rang drei; dort kam der gebürtige Rostocker Mario Kalinke (für Stralsund antretend) auf Rang neun (II.Schwergewicht).
Gerade in Schwerin hatte die Schwerathletik – neben Rostock und Stralsund – stets eine gute sportliche Heimat innerhalb Mecklenburg-Vorpommerns. Im Jahr 1892 gründete sich hier der Schweriner Athleten-Club „Germania“, der Ringen, Gewichtheben und Gewichtwerfen anbot. Der Schweriner Athleten-Club kooperierte seinerzeit auch eng mit anderen Sport-Vereinen der Stadt und bot beispielsweise Ruderern und Schwimmern Übungsstunden an, die diese oftmals dankend mitabsolvierten.
Und der bereits erwähnte Jürgen Ciezki, 1952 in Schwerin geboren und für den TSC Berlin startend, beeindruckte nicht nur in Montreal 1976 mit einem fünften Platz. Bei EM zwischen 1974 bzw. 1990 erkämpfte er im Reißen/Stoßen 3 x Silber, 7 x Bronze und bei WM im gleichen Zeitraum holte Jürgen Ciezki im Reißen/Stoßen 1 x Gold, 3 x Silber, 3 x Bronze. Dazu kommt im Zweikampf 2 x WM-Silber (1974/1978), 2 x WM-Bronze (1975/1977), 1 x EM-Silber (1978) und 5 x EM-Bronze (1974/1975/1976/1977/1980).
Almaty 2014 im Blick – Nachgefragt bei Bundestrainer Oliver Caruso
Die Weltmeisterschaften 2014 in Almaty sind aktuell eine wichtige Standortbestimmung auf dem Weg nach Olympia 2016 in Rio. Über die Abitionen und Athleten des BVDG sprach Marko Michels mit Bundestrainer Oliver Caruso (Olympia-Dritter 1996, Vize-Weltmeister 1998 und WM-Dritter 2002 – jeweils im Zweikampf)
„Hoffen auf viele Punkte für die olympischen Quoten-Plätze…“
Marko Michels: Herr Caruso, im November finden die WM im Gewichtheben in Almaty statt. Welche sportlichen Ziele hat der Bundesverband der deutschen Gewichtheber im Hinblick auf Almaty?
Oliver Caruso: Es geht uns in Almaty zunächst darum, möglichst viele Punkte im Hinblick auf Quotenplätze bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro. Es gibt ja bei den Welttitelkämpfen dazu ein entsprechendes Punktsystem bis zum 25. Platz. Das Ziel muß es also sein, zahlreiche vordere, vor allem Top-Ten-Platzierungen zu schaffen. Ähnliches gilt dann auch für die Welttitelkämpfe 2016. Natürlich wäre auch eine Medaille ganz große Klasse, aber dazu gehört auch ein Quäntchen Glück…
MM: Wie beurteilen Sie das gegenwärtige internationale Leistungsniveau im Gewichtheben?
OC: Es ist in den einzelnen Gewichtsklassen, gerade in den oberen, schon so, dass die Leistungsdichte enorm zugenommen hat. Viele Gewichtheberinnen und Gewichtheber können sich Hoffnungen auf Edelmetall machen. Es ist nicht mehr wie einst, als vielleicht drei bis vier Athletinnen oder Athleten für Medaillen in den einzelnen Gewichtsklassen infrage kamen. Zweifellos werden aber wieder die Teams aus Russland und China sicherlich wieder zu den erfolgreichsten gehören.
MM: Wer hat aus Ihrer Sicht gute Chancen, für Deutschland in Almaty dabei zu sein?
OC: Bei den Männern sind zum jetzigen Zeitpunkt (Mitte Oktober) bereits vier Gewichtheber fest nominiert: Max Lang, Jürgen Spieß, Alexander Prochorow und Almir Vlagic. Insgesamt wollen wir mit acht Gewichthebern zu den WM reisen, wobei sechs in die Quoten-Wertungen berücksichtigt werden. Die endgültige Nominierung erfolgt nach den Deutschen Meisterschaften Ende Oktober. Selbstverständlich werden auch die deutsche Gewichtheberinnen um Julia Schwarzbach in Almaty starten. Wahrscheinlich werden sechs unserer Gewichtheberinnen dabei sein. Vier davon werden für die Quoten-Wertung bezüglich der Spiele 2014 berücksichtigt.
MM: Ohne einen ambitionierten Nachwuchs gibt es keine erfolgreiche Zukunft des Gewichthebens auch hierzulande… Wie ist der Zuspruch bei den jungen Athletinnen und Athleten zum Gewichtheben in Deutschland?
OC: Es gibt schon leistungsbereiten und interessierten Nachwuchs im deutschen Gewichthebersport. Leider fehlen uns in vielen Vereinen ehrenamtliche Trainer und Betreuer. Unser Bundestrainer im Nachwuchsbereich, Thomas Faselt, ist hier jedoch sehr aktiv und versucht mit der vom Verband begleiteten Trainer-Offensive, entsprechende qualifizierte Betreuer zu finden bzw. auszubilden. Zudem wird eine engere Kooperation zwischen dem Verband und den einzelnen Vereinen in dieser Frage angestrebt. Nur: Der Erfolg wird sich eher langfristig einstellen., es wird nicht von heute auf morgen gehen. Wir sind aber zuversichtlich.
MM: Vielen Dank und maximale Erfolge in Almaty!
Rückblick in die WM-Geschichte
In der WM-Geschichte des Gewichthebens dominierten bislang Russland (mit UdSSR) und China. Im „ewigen Medaillen-Ranking“ (im Zweikampf) führt Russland mit 378 Medaillen, darunter 183 x Gold, vor China mit 256 Medaillen, darunter 155 x Gold. Dahinter folgen Bulgarien mit 223 Medaillen (79 x Gold), Deutschland (mit DDR und Westdeutschland) mit 148 Medaillen (31 x Gold), die USA mit 117 Medaillen (39 x Gold) und Polen mit ebenfalls 117 Medaillen (25 x Gold).
Die letzten großen Erfolge deutscher Gewichtheberinnen und Gewichtheber bei globalen Wettkämpfen (WM/Olympische Spiele) gingen auf das sportliche „Konto“ von Matthias Steiner. Matthias wurde in der Gewichtsklasse über 105 Kilogramm (Zweikampf) Olympiasieger 2008 und Vize-Weltmeister 2010.