Diskussionsveranstaltung „Ludwig Erhard – Begründer der Sozialen Marktwirtschaft“

Nachgefragt beim Referenten David Gregosz

Prof.Dr.Ludwig Erhard, Vater des „Wirtschaftswunders“ in der Bundesrepublik.Wie ist es um die „Soziale Marktwirtschaft – Made in Germany“ bestellt ? Rezession, Finanzkrise, Hartz IV-Debatte, Rekord-Schulden, EURO-Krise sind die „Schlagworte“ in der wirtschaftspolitischen Berichterstattung 2009/10.

Ist die Erfolgsgeschichte der sozialen Marktwirtschaft hierzulande zu Ende ?! Was würde ihr Begründer, Prof.Dr.Ludwig Erhard, wohl zu den aktuellen Diskussionen und Debatten „sagen“?

Am 16.März organisiert die URANIA in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung eine Diskussionsveranstaltung zur Thematik „Ludwig Erhard – Begründer der Sozialen Marktwirtschaft“ mit dem Referenten David Gregosz.

David Gregosz. Jahrgang 1983, ist Volkswirt und Politikwissenschaftler und seit dem Jahr 2009 Koordinator für Grundsatzfragen/Ordnungspolitik im Team Wirtschaftspolitik der Hauptabteilung Politik und Beratung bei der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Nachgefragt bei David Gregosz

„Besinnt euch auf eine wertgebundene Ordnung, die Markt und Staat, Freiheit und Sicherheit nicht gegeneinander ausspielt …“

Frage: Ludwig Erhard – dieser Name steht für das „Wirtschaftswunder“ in der Bundesrepublik in den 1950er Jahren, für die Erfolgsgeschichte der D-Mark und natürlich insbesondere für die „Soziale Marktwirtschaft“. Was zeichnete aus Ihrer Sicht den Wirtschaftsprofessor Ludwig Erhard aus?

David Gregosz: Ludwig Erhard hatte ein bestimmtes Menschenbild: Er war beseelt von dem Gedanken, den Menschen ihre Freiheit zu lassen, auch die Freiheit auf dem Markt, dann David Gregosz, Politologe und Volkswirt, Referent der   Veranstaltung in Schwerin.werden sie das Beste aus ihren Möglichkeiten machen. Deshalb setzte er die Aufhebung wesentlicher Bewirtschaftungsvorschriften gegen Widerstände  – und sehr zum Ärger der Alliierten – durch.

Er verband die Währungsreform vom 20. Juni 1948 also mit einer Wirtschaftsreform, die vier Tage später in Kraft trat. Durch die freie Preisbildung auf einigen Gütermärkten in Verbindung mit einem stabilen Tausch- und Wertaufbewahrungsmittel, der D-Mark, war der Grundstein für eine marktwirtschaftliche Ordnung gelegt. Erhards historischer Verdienst liegt in der Überführung einer theoretischen Idee in die politische Praxis – mit Beharrlichkeit und Sachverstand.

Frage: Die „Soziale Marktwirtschaft“ gilt als besonderes Markenzeichen der Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik seit 1949. Wie definierte eigentlich Ludwig Erhard die soziale Komponente in der Marktwirtschaft?

Davis Gregosz: Die ursprüngliche Idee der Sozialen Marktwirtschaft lag darin, dass die Soziale Marktwirtschaft nicht „sozial“ im Sinne einer umverteilenden Korrektur von Marktergebnissen sein sollte, sondern „sozial“ als Folge eines regelgebundenen Wettbewerbs. Das ist ein Wettbewerb, der Monopole – und damit Preistreiberei – und ideologisch begründete Staatseingriffe, beeinflusst durch Lobbygruppen, ausschließt, aber Ausnahmebereiche, etwa die Absicherung gegen die „großen Lebensrisiken“, beinhaltet.

Der Staat wurde als „Schiedsrichter“ begriffen, der die Einhaltung der Wettbewerbsregeln strikt zu kontrollieren hat, der aber im Markt nicht selbst „mitspielt“. Diese Ordnungsidee wurde ganz wesentlich durch den so genannten Ordo-Liberalismus der Freiburger Schule und die Christliche Soziallehre  beeinflusst. Erhard nahm also Anleihen bei verschiedenen Wissenschaftlern.

Frage: „Soziale Marktwirtschaft war – leider – gestern. Casino-Kapitalismus ist heute.“, meinen resigniert viele Anhänger der Konzeption von Ludwig Erhard. Angesichts der globalen wirtschaftlichen und finanziellen Verwerfungen der letzten Jahre: Was würde wahrscheinlich Ludwig Erhard zu diesen Entwicklungen sagen?

David Gregosz: In der Tat stimmen die jüngsten Entwicklungen bedenklich. Sie machen deutlich, wie aktuell die Überlegungen der „Gründerväter“ um Ludwig Erhard noch immer sind. Schon in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, aber auch nach dem Zweiten Weltkrieg wiesen Wissenschaftler darauf hin, dass eine marktwirtschaftliche Ordnung nicht ohne Regeln funktionieren kann. Das spezifisch deutsche Modell der Sozialen Marktwirtschaft sieht solche „Leitplanken“ explizit vor.

Die Väter dieses Modells verwiesen auf diese unverzichtbaren Prinzipien, um die Effektivität einer Marktwirtschaft zu sichern. Vordenker wie Walter Eucken oder Alfred Müller-Armack stellten das Prinzip der Geldwertstabilität und der Haftung für unternehmerische Entscheidungen ins Zentrum einer stabilen, funktionsfähigen Wirtschaftsordnung. Ebenso sollten eine Siegfried Witte (CDU), Wirtschaftsminister in M-V nach 1945 und  Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft. Von den Kommunisten aus dem Amt  gedrängt. schlagkräftige Wettbewerbsbehörde und eine entschiedene Fusionskontrolle Machtkonzentration und den Einfluss von Partikularinteressen verhindern.

Diese wichtigen Hinweise wurden in der Vergangenheit insbesondere auf der globalen Ebene nur unzureichend berücksichtigt – auch mangels ordnender Instanzen auf dieser Ebene. Das hätte Ludwig Erhard vermutlich auf das heftigste kritisiert.

Frage:
Prof. Ludwig Erhard war von 1949 bis 1963 Wirtschaftsminister der Bundesrepublik, sein Nachfolger, der Sozialdemokrat Prof. Karl Schiller, war ebenfalls ein Protagonist der „Sozialen Marktwirtschaft“. Die beiden excellenten Wirtschaftsfachleute gelangten jedoch an ihre politischen Grenzen. Ludwig Erhards relativ kurze und nicht sehr prägnante Kanzlerschaft dauerte nur von 1963 bis 1966, war außerdem von Dauer-Kritik aus den eigenen Reihen begleitet. Karl Schiller trat 1972 von seinem Ministeramt für Wirtschaft und Finanzen zurück, da er die Parteitagsbeschlüsse der eigenen Partei nicht für finanzierbar hielt.

Haben Wirtschaftsfachleute gegen „Vollblut“-Politiker, die gern in Wahlkämpfen suggerieren, in wirtschaftliche Abläufe positiv eingreifen zu können, in Deutschland generell keine Der Schweriner CDU-Fraktionsvorsitzende Sebastian Ehlers und der   amtierende Wirtschaftsminister in M-V, Jürgen Seidel (CDU).Chance? Wie ist hier Ihre Meinung?

David Gregosz: Menschen haben aus ihren Alltagserfahrungen heraus ein gewisses Gespür für wirtschaftliche Zusammenhänge. Sie glauben längst nicht jedem Wahlversprechen und lassen sich von Politikern auch nicht hinter „die Fichte führen“. Aber es ist durchaus verständlich, dass Menschen, insbesondere wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten drohen, wie z.B. Arbeitsplatzverlust, Firmenverlagerung, usw., Hilfe von Politikern erwarten.

Diese Hilfen sollten aber mit gesamtwirtschaftlichen Überlegungen in Einklang gebracht werden. Umsichtige Politikerinnen und Politiker sind in der Lage, solche Zusammenhänge auf verständliche Weise zu kommunizieren. Wirtschaftswissenschaftler können helfen, diese ökonomischen Überlegungen anzustellen.
Ich würde mir von ihnen aber wünschen, dass sie sich bei ihren Empfehlungen stärker an den Einschränkungen orientieren, denen Politiker unterliegen. Dabei geht es weniger um Wahlkämpfe, sondern vor allem um unser politisches System. Es setzt mit Blick auf wirtschaftliche Reformen aus guten Gründen auf Evolution statt Revolution. Wirtschaftliche Handlungsempfehlungen sollten diese Tatsache stärker berücksichtigen.

Frage: Was können die heutigen politischen und wirtschaftlichen Akteure von Ludwig Erhard lernen?20100316_MadeinM_V.jpg

Davis Gregosz: Man muss zur Kenntnis nehmen, dass Deutschland heute vor anderen Herausforderungen – unter völlig anderen Ausgangsbedingungen – steht, weshalb der einfache Rückgriff auf Ludwig Erhard nicht Ziel führend ist. Sein politisches Handeln kann aber Orientierung geben.

Vermutlich würde er mit Blick auf die schon angedeuteten Herausforderungen antworten: „Besinnt euch auf eine wertgebundene Ordnung, die Markt und Staat, Freiheit und Sicherheit nicht gegeneinander ausspielt.“ Das wäre die Neuauflage Erhard`scher Gedanken. Wir erleben im Moment das Gegenteil – auch wenn die angestoßene Debatte des Außenministers im Kern auf wichtige Zusammenhänge abstellt.

Leider versperrt eine gewisse Polemik die sachliche Auseinandersetzung. Dabei wäre es nach meiner Überzeugung wichtig, Wirtschafts- und Sozialpolitik nicht als Gegensatzpaar zu interpretieren, sondern zusammen zu denken. Jedenfalls hatten die Architekten der Sozialen Marktwirtschaft genau dieses verbindende Anliegen im Sinn.

Gleichzeitig wussten Sie um die zentralen Grundsätze einer leistungsfähigen Wirtschafts- und Sozialordnung. Erhard hatte immer betont: Leistung muss sich lohnen, Erarbeiten kommt vor verteilen, staatliche Hilfe ist nur Hilfe zur Selbsthilfe, Hilfe nur bei einer Gegenleistung -natürlich nur wenn die gesundheitliche Verfassung das zulässt – und Hilfe für Menschen, die sich selbst nicht helfen können.

David Gregosz bei seinem gut besuchten Vortrag in Schwerin.Die Fragen stellte: Marko Michels.Im Haus der Kultur fand die Veranstaltung mit David Gregosz  statt.

> > Termin: 16.März um 18.00 Uhr im Haus der Kultur, Arsenalstrasse 8, in Schwerin

Exkurs: Deutsche Wirtschaftsminister (der Bundesrepublik) von 1949 ff.

– Bundesminister für Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland (1949–1990)

Ludwig Erhard (CDU): 20.September 1949 bis 16.Oktober 1963
Kurt Schmücker (CDU): 17.Oktober 1963 bis 1.Dezember 1966
Karl Schiller (SPD): 1.Dezember 1966 bis 7.Juli 1972
Helmut Schmidt (SPD): 7.Juli 1972 bis 15.Dezember 1972
Hans Friderichs (FDP): 15.Dezember 1972    bis 7.Oktober 1977
Otto Graf Lambsdorff (FDP): 7.Oktober 1977 bis 17. September 1982
Manfred Lahnstein (SPD): 17.September 1982 bis 4.Oktober 1982
Otto Graf Lambsdorff (FDP): 4.Oktober 1982 bis 27.Juni 1984
Martin Bangemann (FDP): 27.Juni 1984 bis 9.Dezember 1988

– Bundesminister für Wirtschaft (1990-1998)

Helmut Haussmann (FDP): 3.Oktober 1990 bis 18.Januar 1991
Jürgen Möllemann (FDP): 18.Januar 1991 bis 21.Januar 1993
Günter Rexrodt (FDP): 21.Januar 1993 bis 26.Oktober 1998

– Bundesminister für Wirtschaft und Technologie (1998-2002)

Werner Müller (parteilos): 27.Oktober 1998 bis 22.Oktober 2002

– Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit (2002-2005)

Wolfgang Clement (SPD): 22.Oktober 2002 bis 22.November 2005

– Bundesminister für Wirtschaft und Technologie (2005 ff.)

Michael Glos (CSU): 22.November 2005 bis 10.Februar 2009
Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU): 10.Februar 2009 bis 28.Oktober 2009
Rainer Brüderle (FDP): 28.Oktober 2009 bis heute

Fotos:
1.Prof.Dr.Ludwig Erhard, Vater des „Wirtschaftswunders“ in der Bundesrepublik. (Deutscher Bundestag)
2.David Gregosz, Politologe und Volkswirt, Referent der Veranstaltung in Schwerin. (D.Gregosz/privat)
3.Siegfried Witte (CDU), Wirtschaftsminister in M-V nach 1945 und Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft. Von den Kommunisten aus dem Amt gedrängt. LHA
4.Der Schweriner CDU-Fraktionsvorsitzende Sebastian Ehlers und der amtierende Wirtschaftsminister in M-V, Jürgen Seidel (CDU). (CDU M-V)
5.Die maritime Wirtschaft in MV geriet seit 2009 in schwieriges Fahrwasser. Michels
6.David Gregosz bei seinem gut besuchten Vortrag in Schwerin. Michels
7.Im Haus der Kultur fand die Veranstaltung mit David Gregosz statt. Michels

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