Dreizehntes Erwerbslosenparlament tagt in Schwerin

Thema am 29. Oktober: „Teilhabe an Arbeit für alle – gegen Armut und gesellschaftliche Ausgrenzung!“

Im Festsaal des Schlosses tagt am 29.10. das dreizehnte Erwerbslosenparlament MV. (Foto: Michels)Oktoberzeit ist auch Parlamentszeit und ganz besonders: Erwerbslosenparlamentszeit. So hat der Erwerbslosenbeirat am 29. Oktober (ab 10.00 Uhr) das dreizehnte Erwerbslosenparlament Mecklenburg-Vorpommerns in den Festsaal des Schweriner Schlosses einberufen. Im europäischen Jahr gegen Armut und gesellschaftliche Ausgrenzung soll die Thematik „Teilhabe an Arbeit für alle – gegen Armut und gesellschaftliche Ausgrenzung!“ im Vordergrund stehen. Dabei wird insbesondere auf die Beschäftigungssituation, die Lage der Langzeitarbeitslosen und die Armutsentwicklung im Land eingegangen.

Was ist jedoch eigentlich das Erwerbslosenparlament? Das Erwerbslosenparlament ist für das Land und für die Landespolitik eine wichtige Einrichtung, vertritt es doch mehr als 40 Organisationen, Vereine, Beschäftigungsgesellschaften und landesweite Bündnisse. Darüber hinaus arbeitet es im Landesbeirat sowie den 4 Regionalbeiräten zur Umsetzung des Landesarbeitsmarktprogramms mit und gibt wichtige Impulse und Hinweise.

Und die sind trotz aller gegenwärtig schönen Zahlen in puncto Arbeitsmarkt ebenfalls notwendig:
In der Tat sieht entgegen allen beschönigenden Äußerungen und Zahlen mancher Bundes- und Landespolitiker sowie Funktionsträgern der Arbeitsagenturen und ARGEn die Realität in Deutschland sowie auch in Mecklenburg-Vorpommern alles andere als positiv aus.

Arbeitslosenzahlen werden oftmals relativiert. Rechnet man jedoch die Anzahl der Arbeitslosengeld I-Empfänger, der Arbeitslosengeld II-Empfänger, der Sozialgeld-Empfänger, der Arbeitenden in prekären Arbeitsverhältnissen, die sich ihr Einkommen durch Hartz IV aufstocken müssen, die unfreiwilligen Vorruheständler, die gern noch Arbeit hätten, aber perspektivisch keine mehr bekommen werden, sowie die „arbeitsmarktpolitisch Geparkten“ auf dem zweiten Arbeitsmarkt oder in oftmals dubiosen Weiterbildungsmaßnahmen hinzu, so kann man davon ausgehen, dass jeder Zweite hierzulande kein „richtiges Arbeitsverhältnis“ aufweist, das letztendlich wirklich die Existenz sichert.

In Deutschland waren im August 2010 6,7 Millionen Menschen Empfänger von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld, darunter 1,77 Millionen Kinder, 2,03 Millionen Alleinstehende und 3,58 Millionen Bedarfsgemeinschaften. Die Zahl der Arbeitslosen betrug zusätzlich im September 2010 3,03 Millionen, dazu kommen noch die prekär Beschäftigten.

Angesichts solcher Zahlen von einem „Beschäftigungswunder“ zu sprechen, ist Zynismus, politische Schönfärberei und Realitätsverweigerung pur. Aber mittlerweile ist die Stigmatisierung von „Hartz IV“-Empfängern ja „Mode“, nicht nur bei ehemaligen gescheiterten Finanzsenatoren oder „Geldsinstituts-Vertretern“, sondern auch bei ambitionierten, „mainstreamigen“ Nachwuchspolitikern.

Dass hinter jeder Hartz IV-Empfängerin oder hinter jedem Hartz IV-Empfänger ein höchst unterschiedliches Schicksal steht – allein erziehende Mütter, bisherige Leistungsträger jenseits des 55. Lebensjahres, gesundheitlich Beeinträchtigte etc. – wird hingegen negiert. Sicher: Es gibt auch Mißbrauchsfälle. Wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen auch … Diese negativen Einzelfälle, die doch eher eine  Minderheit repräsentieren, als „Paradebeispiel“ des typischen Hartz IV-Empfängers darzustellen, ist daher fadenscheinig.

Politiker wie Heiner Geißler oder Helmut Holter, unterschiedlichsten politischen Lagern angehörig, kritisieren daher zu Recht die unseligen Diskussionen um den Missbrauch von Hartz IV in Deutschland, die auf eine Minderheit zielen.

Helmut Holter, der ehemalige Arbeitsminister in M-V macht auch deutlich, dass die Tatsache, dass der Regelsatz für Kinder nicht erhöht werden soll, „dem Fass den Boden ausschlage“. Holter weiter: „Die Bundesregierung ignoriert, dass das Verfassungsgericht gefordert hat, dass Kinder nicht länger sozial ausgeschlossen werden dürfen. Anstatt die Kinder mittels einer Chipkarte zu stigmatisieren, muss ein bedarfsgerechter Regelsatz her und kostenlose Angebote für alle Kinder auch nachmittags in der Schule und den Jugendfreizeiteinrichtungen.“

Natürlich müssen nicht nur die Kinder aus „Hartz IV“-Familien gefördert werden, sondern ebenfalls aus Familien mit geringem Arbeitseinkommen. Kann ein Erwerbslosenparlament da Abhilfe schaffen? Sicherlich nicht. Aber es kann ergebnisorientierte, sachliche und vielfältige Diskussionen anregen. Ein Erwerbslosenparlament ist sicher kein Machtinstrument, mit dem sich soziales Unrecht beseitigen läßt. Aber es ist letztendlich das einzige Gremium, zu dem alle sozialen Vereine, Verbände, Organisationen und Einzelpersonen geladen sind, die den sozial Benachteiligten in diesem eigentlich so reichen Land Gehör verschaffen können.

Marko Michels

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