Ein-Euro-Jobs – eine gesellschaftliche Bereicherung?!

Kommentar von Katharina Beissel-Gymnich zum Ausstellungsbericht: Ein-Euro-Jobs – eine gesellschaftliche Bereicherung?!

Angesichts der Ausstellung stellt sich die Frage allgemein: Was ist Arbeit wert?

Der Ein-Euro-Job ist als Arbeit – IN GELD GEMESSEN – überhaupt nichts wert. Der in Geld gemessene Wert der betreffenden Arbeit ist Null – auch wenn er aus der puren Arbeit besteht. Das war früher nicht so, dass Arbeit nichts wert war, aber inzwischen ist es so geworden. Das ist das Resultat eines schleichenden Vorgangs, aber inzwischen ist es zur Tatsache geronnen. Dass es früher anders war, ist dem Vergessen anheim gefallen ist. Die Erinnerung, dass Arbeit als solche einen Wert hatte, ist getilgt. Wer den Ein-Euro-Job ausübt, veranstaltet diese Ausübung, weil er keine geldwerte Arbeit hat. Er tut das in einem Land, in dem Arbeit (siehe die Mindestlohndebatte) sowieso immer weniger Geld wert sein soll. In zehn Jahren wird jede ehrenvolle Arbeit ehrenamtlich zu erledigen sein.

Bei der Ein-Euro-Maßnahme kann und soll ja auch gar nichts herauskommen, spottet der Kritiker. Falsch, antwortet der Verteidiger: Das Geleistete ist für die Gesellschaft ein klarer Gewinn…

Ist der Ein-Euro-Job eine gesellschaftliche Bereicherung? Wer es argumentierend auf das wahrheitsmoralische JA abgesehen hat, muss präzise fragen: Kann der Ein-Euro-Jobber gesellschaftlich bereichern? Oder schließen die Bedingungen der Beschäftigungsgelegenheit jeden messbaren Nutzen aus?

Es könnte nämlich scheinen, dass der Ein-Euro-Job keinerlei gesellschaftliche Bereicherung sein kann.

Dem Artikel „Papierkrieg um das Arbeitslosengeld II“ in der Schweriner Volkszeitung vom 19. Juli 2004 entnehmen wir erstens, zweitens und drittens die Meinung von IGM-Vorstandsmitglied Kirsten Rölke und die Meinung von Günther Schmid, Direktor des Wissenschaftszentrums Berlin und ehedem Mitglied der Hartz-Kommission:

1. Ein-Euro-Jobs sind für den Ein-Euro-Jobber bar jeder Perspektive. Ein-Euro-Jobs beinhalten keinerlei Garantie, dass sich am Schicksal des Langzeitarbeitslosen irgend etwas ändert. Der Arbeitsmarkt bleibt dicht.

2. Der Ein-Euro-Job bewirkt Armut. Ein Mehr an Armut lässt sich schlechterdings nicht als Bereicherung verkaufen. Im Gegenteil: Die Gesellschaft verliert.

3. Im Begriffshorizont der beschworenen arbeitsmarktpolitischen Intentionen gibt es eine ernüchternde Einsicht: Der Ein-Euro-Job verpufft wirkungslos. Dafür, dass der politisch gern propagierte Effekt am Ende eintritt, ist keine Sorge getragen. Es gibt sie nicht, die flankierende Vorkehrung für die Zeit während der Maßnahme und für die Zeit danach. Aus welcher Ecke heraus sollte sie also überraschend in die Erscheinung treten, die Bereicherung?

Der SVZ-Artikel „Städte schaffen Jobs für Arbeitslose“ vom 27. Juli 2004 nennt viertens, fünftens und sechstens die Meinungen von Jürgen Goecke, Chef der Arbeitsagentur Nord, Thomas Deiters, Städte- und Gemeindetag, und Hubert Meyer, Geschäftsführer Landkreistag Rügen:

4. Der frühzeitig engagierte Erfinder sinnvoller Jobs fehlt. Weshalb die schlimmste Befürchtung längst Wahrheit ist: Man erwischt den Ein-Euro-Jobber einerseits bei einer Arbeit, für die die Zuständigkeit eines Reinigungsdienstleisters aus dem ersten Arbeitsmarkt zu wünschen wäre; andererseits bei einer diskriminierenden Verrichtung, deren Sinnleere notorisch ist.

5. Die arbeitsfähige Beratungsstelle für den Ein-Euro-Job-Kandidaten fehlt. Das Vertrauen in die Ein-Euro-Politik nimmt angesichts solchen Mangels nicht überhand.

6. Das Innenministerium hat die von den Kommunen selbständig zu besorgende Betreuung des Ein-Euro-Kandidaten mit unnötig hohen Auflagen verkleistert. Anstatt vor Ort die Vermittlung in Jobs zu erleichtern, zwängt man den Betreuer in Bleischuhe.

Andererseits vermeldet der erwähnte SVZ-Artikel „Papierkrieg um das Arbeitslosengeld II“ Alpöhi Stoibers Meinung. Stoiber verspricht sich vom Ein-Euro-Job den arbeitsmarktpolitischen Effekt der Abnahme von Schwarzarbeit.

Der bayerische Ex spricht sich damit also für die zwar intentionsmarginale, jedoch immerhin für möglich, weil für erwartbar und für wünschbar gehaltene, Sinnhaftigkeit aus.

Die Antwort auf alles Gesagte ist: Der Ein-Euro-Job kann gesellschaftlich bereichern. Zu dieser Einsicht verhilft quarto tertiae (wer solch nützliche Abkürzungen für die Bewältigung seiner argumentativen Hausaufgaben nicht kennt, hat mindestens Rabelais nicht gelesen, und Aristoteles zum Beispiel schon gleich gar nicht) das reflexive Argument. Ihm zufolge ist die Ausstellung gesellschaftlich bereichernder Ein-Euro-Tätigkeiten selbst eine gesellschaftliche Bereicherung. Die Projektarbeit bereichert gesellschaftlich, weil primo primae jedes Mehr an Information über praktische Erfahrungen arbeitsmarktpolitisch relevanter Vorgänge ein gesellschaftlicher Gewinn und die Projektarbeit Lieferant einer solchen Information ist. Dass Ein-Euro-Jobs also in der Tat einen Nutzen für die Gesellschaft haben können, ist hiermit schlüssig bewiesen. Quod erat demonstrandum.

Infolgedessen sind die vorgetragenen Einwände wie folgt abzuschießen:

Ad 1. Der Ein-Euro-Job garantiert zwar nicht die grundlegende Änderung des Arbeitslosenschicksals. Er schließt aber die Möglichkeit nicht aus, dass das doch geschieht. Das Argument behauptet die Unmöglichkeit auch gar nicht. Wenn aber etwas sowohl sein als auch nicht sein kann, dann ist es kontingent. Die These der gesellschaftlichen Nichtbereicherung ist allgemein verneinend. Sie verlangt den Schluss aus 2/1 oder 2/2.

Ad 2. Auch wenn Verarmung nicht als Bereicherung durchgeht, so müsste die Verarmungswirkung doch universell behauptet sein. Ein solcher Effekt ist jedoch nicht notwendig. Er ist bloßes Akzidens. Ebenso verfehlt wäre es natürlich, an dieser Stelle statistisch argumentieren zu wollen, indem gerade der statistischen Erwartung jede notwendige Auswirkung auf das einzelne Element abgeht.

Ad 3. Ohne Wirkung bewirkt der Ein-Euro-Job keine Bereicherung. Aber auch, wenn der Gesetzgeber und/oder der das gesetzlich Vorgegebene Durchführende eine bestimmte Wirkung nicht bereits als notwendige Bedingung oder Folge der Realisierung gesetzt hat, ist irgend eine Wirkung doch nicht ausgeschlossen. Nicht nur die Praxiserfahrung, sondern auch das Regelungswerk selbst zeigt, dass der Ein-Euro-Job nicht notwendig jede mögliche Wirkung verhindert.

Ad 4. Das einzelne schlimme Beispiel beweist nicht die Totalität des Abträglichen. Offensichtlich ist auch der fachkundige Behördenberater nicht notwendige Bedingung dafür, dass es zur Kreation eines sinnvollen Jobs kommt.

Ad 5. Man mag zwar im Einzelfall die mittlerweile existierende Beratungsstelle für Ein-Euro-Job-Kandidaten kritisieren. Immerhin gibt es sie aber.

Ad 6. Unnötig hohe Auflagen werden in einigen Fällen das bestmögliche Betreuungsresultat erschweren. Einige Fälle sind jedoch nicht die Gesamtheit, so dass es in anderen Fällen möglich sein wird, den gesellschaftlich bereichernden Ein-Euro-Job-Effekt zu erreichen.

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