Wadan-Werften insolvent, auch viele maritime Zulieferbetriebe betroffen und das Mecklenburgische Staatstheater in schwierigstem Fahrwasser …
Kein guter Tag für Mecklenburg-Vorpommern, speziell für Schwerin, Wismar und Rostock-Warnemünde. Kein Anlass zu Schönrednerei, zu Selbstgefälligkeit, zu inszenierter Kompetenz.
Die Wadan-Werften sind insolvent, einige maritime Zulieferbetriebe ebenso bzw. von dieser bedroht und auch das „Flaggschiff der Kultur in M-V“, das Mecklenburgische Staatstheater in Schwerin, gerät in schwieriges Fahrwasser.
Und warum ? Nicht etwa, weil Werften, Zulieferbetriebe oder Theater schlechte (Arbeits-)Leistungen boten oder schlecht wirtschafteten … Nein, weil kriminelle Zocker und bräsige Politiker nichts auf die Reihe brachten, zumindest „auf die Reihe“, die den Menschen nutzt.
Wie der Geschäftsführer und Generalintendant des Mecklenburgischen Staatstheaters, Joachim Kümmritz, heute informierte, befürchte er eine Kürzung der Landesmittel um 1,5 Millionen. Diese Kürzungen sind nicht zuletzt Folge des nihilistisch angelegten Finanzausgleiches ab 1.Januar 2010, das derzeit im Landesparlament diskutiert werde. So sollen die vier Theater-Standorte in M-V in Zukunft jeweils 25 Prozent der Mittel zur „Grundsicherung“ erhalten. Eine Art „Hartz IV“ für einen geistigen und kulturellen Leuchtturm in M-V, bei dem dann auf Raten das Licht ausgehen soll ?!
Teil eins der Schlossfestspiele, Mozarts „Zauberflöte“, von Zuschauern und Kritikern mit viel Lob und Anerkennung bedacht, ging heute auf die Zielgeraden. Das gesteckte Ziel hinsichtlich der Besucherzahlen konnte dabei nicht ganz erreicht werden, wie Joachim Kümmritz darlegte. 41000 Zuschauer sahen die Vorstellungen der „Zauberflöte“ auf dem Alten Garten 2009 – 47000 waren anvisiert. Ein Manko, ein Fakt, der das Staatstheater in der aktuellen Diskussion in die Defensive bringen könnte ?! Keineswegs.
Die Gründe dafür sind einleuchtend und fundiert: Einerseits unterstützte die Mecklenburgische Staatskapelle Zirkus Roncalli am 25.Juli bei „Classic Meets Circus“ vor Rekord-Kulisse auf der Freilichtbühne während der BUGA. Andererseits strich man den 1.August bereits in der Planungsphase als Vorstellungstermin, weil dann Proben und Umbau des Bühnenbildes für „Sorbas“ in Verzug geraten wären. Schon jetzt wird der schnelle Wechsel von „Zauberflöte“ auf „Sorbas“ (Premiere am 8.August) eine logistische Meisterleistung ! Und einmal ließ „Petrus“ so viel „Flüssigkeit“ vom Himmel fallen, dass es für die Zauberflöte „Land unter“ hieß. Drei Vorstellungen, die fehlen. Ansonsten wäre die Marke von 47000 Besuchern erreicht worden !
„Es ist schon grotesk, dass sich der Generalintendant dafür entschuldigen muß. Allein die 41000 Zuschauer sprechen eine deutliche Sprache und sind mehr, als manche Häuser in ihrer gesamten Spielzeit vorweisen können.“, meinte dann ebenfalls Schwerins Finanz-Dezernent Dieter Niesen.
Bisher hatten übrigens sowohl Schwerin als auch Rostock jeweils 27 Prozent der Mittel zur „Grundsicherung“ erhalten. Durch Lohnsteigerungen, Inflation könnte sich der Ausfall der finanziellen Mittel nicht nur auf die angesprochenen 1,5 Millionen Euro beschränken – es könnten gut weitere 500000,- Euro in negativer Hinsicht „mehr“ werden.
Seit 1990 mußte das Mecklenburgische Staatstheater bereits 200 Personen entlassen, die Schweriner Philharmonie wurde „abgewickelt“ – nicht nur nach Ansicht von Finanz-Dezernent Dieter Niesen ein „harter Einschnitt“ für das Schweriner Kulturleben – und ständig wird das Mecklenburgische Staatstheater, wie die aktuelle Diskussion zeigt, mit weiteren Kürzungsplänen konfrontiert.
Wo bleiben nun all die reiferen und jungen Politikerinnen sowie Politiker, die gern zum Entspannen und Nachdenken das Staatstheater aufsuchen, die von den Schlossfestspielen schwärmen und die begeistert beim Theaterball das „Tanzbein schwingen“. Schwingen diese nur „schöne Reden“ a la „Leichtturm der Kultur“, „Kulturelles Flaggschiff“, „ein Juwel des kulturellen Lebens“.
Worte ersetzen keine guten Taten ! Zu Recht fühlt sich Joachim Kümmritz von der diskutierten Gleichmacherei bestraft. Und Dieter Niesen assistiert deutlich: „Hier wird eine außergewöhnliche Leistung bestraft !“
Die Schauspielerinnen und Schauspieler, die Ballett-Tänzerinnen und Ballett-Tänzer, die Mecklenburgische Staatskapelle, das Ensemble der Fritz-Reuter-Bühne, das Puppenspiel – sie alle genießen weit über die Grenzen Schwerins einen ausgezeichneten Ruf, ein Ruf, der durch die Kürzungspläne in Mitleidenschaft gezogen werden kann.
„Klare Kante“ gab es daher von Joachim Kümmritz: „Das Geld reicht vorne und hinten nicht !“ In der Tat, mit der aktuellen finanziellen Unterstützung wird das Mecklenburgische Staatstheater das großartige Niveau, das in der Theater-Welt anerkannt ist, nicht halten können.
Es geht sogar um die generelle Existenz des Theaters, denn weitere 70 Personen müssten in der Perspektive entlassen werden. Zwar sind die Einnahmen seit 1991/92 verfünffacht worden, der Besuch der Schlossfestspiele konnte seit 1996/97 um rund 15000 Besucher gesteigert werden, aber es stiegen auch die Betriebskosten. Hier muß die „öffentliche Hand“ helfen.
Der Wert von Kulturstätten läßt sich nun einmal nicht (allein) nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben ermitteln. Wenn es das Ziel der aktuellen Politik ist, dass es in M-V immer mehr geistlose, bräsige und kulturlose Menschen gibt, dann liegt man in der aktuellen Behandlung des Staatstheaters „richtig“. Nur, diejenigen, die dieses mit ihrer Politik befördern, legen damit auch den Nährboden für „Extremisten“ aller Art in M-V. Ein Theater, in dem der Alltag kritisch reflektiert, hinterfragt wird, ist dann nicht mehr vorhanden.
Joachim Kümmritz will – und dazu ist er als Geschäftsführer nach Gesetzeslage verpflichtet – Mitte September die Insolvenzproblematik überprüfen lassen. Dann liegen die konkreten Zahlen, Ausgaben für die Spielsaison 2008/09 vor.
Geht das Mecklenburgische Staatstheater tatsächlich in die Insolvenz, dann sollte es die aktuelle Landesregierung gleich mit tun.
Aber noch gibt es hoffentlich geistreiche und engagierte Politik-Vertreter in diesem Land: Also übernehmen Sie, Herr Tesch und Frau Schwesig !
Als sei eine mögliche Insolvenz des Staatstheaters noch nicht genug, gab es in Wismar und in Rostock-Warnemünde viele Tränen und noch viel mehr Entäuschung. Die Insolvenz der Wadan-Werften ließ sich nicht abwenden, ab 1.August gibt es keine Arbeit mehr für die 2700 Beschäftigten.
Mehr als 2500 Werft-Arbeiterinnen und Werft-Arbeiter sowie Werft-Unterstützer zogen am Vormittag durch die Wismarer Innenstadt zum historischen Markt, unterstützt auch von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern aus anderen Betrieben, von Vertretern aus allen gesellschaftlichen Bereichen, aus mittelständischen Firmen, aus der Kultur und dem Sport, darunter ebenfalls die Bundesliga-Handballspielerinnen der TSG Wismar.
Betriebsrätin Ines Scheel sprach vom schwärzesten Tag in der Geschichte der Werften des Landes. Seit 63 Jahren gehörte die Werft zu Wismar, war fester Bestandteil der Stadt und ihrer Einwohner.
Für viele Familien der Werft-Arbeiter, aber auch – und das sollte man nicht vergessen – der vielen maritimen Zulieferbetriebe beginnt eine unsichere Zukunft.
Weder real existierender Sozialismus, Wende-Zeiten und marktwirtschaftliche Entwicklung konnten die Zukunft der Werft gefährden – im Gegenteil: Dank glänzend qualifizierter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dank der hohen Qualität der Zulieferbetriebe erwarb wurden die Werften in Wismar und in Rostock-Warnemünde zu positiven Markenzeichen Mecklenburgs weltweit.
Erst kriminelle Zocker einer deformierten Demokratie erreichten das …
Wismar ohne Werften, das würde bedeuten, dass sich der Pulsschlag der Weltkulturerbe- und Hanse-Stadt dramatisch verlangsamen würde. Es ginge Flair, Atmosphäre und Kraft unwiderruflich verloren. Alles, was Wismar so dringend braucht …
Hoffentlich war es heute nicht das endgültige Ende für die Werften in Wismar und in Rostock-Warnemünde.
Sonst wäre der 31.Juli 2009 ein wahrhaft desaströser Tag in der Geschichte Mecklenburgs …
Marko Michels
F.: 1.Joachim Kümmritz und Dieter Niesen bei der heutigen Pressekonferenz im mecklenburgischen Staatstheater. mm / 2.Im angeregten Gespräch – Dieter Niesen. mm / 3.Joachim Kümmritz wies deutlich auf die prekäre Situation des Mecklenburgischen Staatstheaters hin – falls der beabsichtigte Finanzausgleich ab 2010 Realität wird. mm / 4.Das Mecklenburgische Staatstheater – wahrlich ein „kultureller Leuchtturm“ des Landes … mm / 5.Anscheinend muß erst Papageno der Politik die entsprechenden Flötentöne (und Förderkonzepte) beibringen. (Aufnahme: Silke Winkler) / 6.-8.Die maritime Wirtschaft in Wismar: Die Werft ist insolvent, viele Zulieferbetriebe betroffen … mm