Ein Schlussstrich wäre so viel besser gewesen

Zum Neustart von „Power for Kids“ – Ein Kommentar von Patrick Dettmann

Wer Vereinsarbeit leistet, weiß wie sehr Erfolg und Fortbestehen der Organisation von der öffentlichen Wahrnehmung und vom allgemeinen Ruf abhängt. Ist letzterer erst einmal beschädigt, dann ist ein Weitermachen beinhahe unmöglich. Und manchmal ist es auch besser, ein für alle Male einen Schlussstrich zu ziehen.

Nicht so im Mueßer Holz. Nicht so beim Verein „Power for Kids“. Nachdem dieser 2015/2016 wegen eines unsäglichen Missbrauchsskandals bundesweit in die Schlagzeilen geraten ist, hätte eigentlich Ende sein sollen. Aber nein, man machte weiter. Der Vorstand wurde neu gebildet, mithilfe zweier Begleitbeiräte begann die Neustrukturierung des Vereins und die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. Natürlich gefiel der „Neustart“ nicht jedem. Immerhin wurden weiterhin Kinder und Jugendliche betreut. Weiterhin ohne pädagogische Fachkompetenz seitens der Verantwortlichen. Weiterhin ohne staatliche Anerkennung als Jugendhilfe-Träger…

Nur kurze Zeit später der nächste Schock. Der neue Vorsitzende wurde in U-Haft genommen. Der Vorwurf: Brandstiftung in besonders schwerem Fall. Man zog die notwendigen Konsequenzen. Anfang Juni 2016 schloss der Kinder- und Jugendtreff in der Hegelstraße entgültig seine Pforten. Doch der Verein selbst wurde nicht etwa aufgelöst. Nöö, man wolle mit neuem Konzept weitermachen, hieß es. Dazu soll die vereinseigene, ehemalige Boxhalle am Familienpark umgebaut werden.

Ist es Trotz, Uneinsichtigkeit oder Überheblichkeit? Warum ein Neustart? Auch mit neuem Namen und in neuer Wirkungsstätte bleibt doch eines Haften: Der Ruf und der Makel der Vergangenheit. Das zeigt sich doch schon allein in den Mitgliederzahlen. Immerhin lebt und stirbt eine Organisation mit diesen. Ein Blick in recherchierbare Zahlen zeigt, dass der Verein im Januar 2014 insgesamt 220 Mitglieder hatte. Im Dezember 2016 waren es dann nur noch 28. Wie sollte es auch anders sein. Eine logische Entwicklung…
Irgendwie ist das wie ein altes Bett, auf dem ein Verbrechen stattfand. Man kann es neu beziehen, auf neue Beine stellen, es umplatzieren und fortan auch nicht mehr Bett, sondern Koje nennen. Und doch will man nicht mehr darauf schlafen. Verständlich, wer will das schon?

Der x-te Neustart geht „Together“

Vor einigen Wochen dann, am 20. Januar 2017, sollten sich die verbliebenen Vereinsmitglieder zur Versammlung treffen. Es standen die Neuwahl des Vorstandes, der Beschluss der novellierten Satzung und die Entscheidung über den zukünftigen Vereinsnamen an. Aus dem 20.01. wurde der 10. Februar. Die Tagespunkte blieben. Am Mittwoch ging schließlich die erste Pressemitteilung des neu konstituierten Vereins herum. Unter den Mitgliedern herrsche „Aufbruchstimmung“, heißt es darin.

Die zeigt man auch per Facebook, wenn es darum geht den Umbau der neuen Vereinsräumlichkeiten bildhaft zu begleiten. Die Halle am Familienpark, in der einst Boxer trainierten soll noch in diesem Frühjahr bezogen werden. Die Räume will man für private Feiern vermieten. Weiterhin wolle man künfig „Projekte für alle Altersgruppen entwickeln“, einen „Beitrag zur sozialen Integration leisten“. Dabei stünden die „Bereiche Bildung, Kultur und Seniorenbetreuung im Vordergrund“.

Für Solidarität und aktive Nachbarschaft stehe auch der neue Name, heißt es. Dieser lautet nun „Together MH“ e.V.. …Naja, irgendwie nichtssagend und unkreativ ist der Name schon. Steht das Zusammensein, die Gemeinsamkeit am Ende nicht für jeden Verein? Aber die Bezeichnung steht ja hier nicht zur Debatte.

Der „neue“ Vorstand besteht nun aus drei Personen. Das sind Barbara Schlöcker, Florian Stolz sowie die wirklich neue im Team, die Diplom-Lehrerin und studierte Wildnispädagogin Ulrike Rodriguez. Im letzten Jahr saß sie noch im Begleitbeirat für PfK. Wie in der Presseinfo zu lesen, strebe sie bei „Together“ nun u.a. ein Theaterprojekte mit Bewohnern des Stadtteils an. Erfahrung und Kompetenz hat sie ja. Immerhin wirkte sie im einstigen „Freien Theater Studio im TIK“ mit. Apropos Erfahrung und Kompetenz? Sind diese vielleicht auch beim neuen Vorsitzenden Stolz zu finden? Kann der ehemalige Vereinssprecher und Gruppenbetreuer damit womöglich alle bestehenden Zweifel in den Wind schlagen?

Eher nicht. Stand der 24-jährige gerade in vergangenen Fernsehinterviews (NDR, WDR und Co.) nicht wirklich gut da. Es fehlte ihm an Feingefühl und Professionalität, wie es die Sache eigentlich erfordert hätte. Zwar kann man ihm fehlende Medienkompetenz nicht zum Vorwurf machen. Wer wäre nicht überfordert in so einer Situation. Aber immer wieder bekam man den Eindruck, er und andere damalige Vereinsverantwortliche haben in irgendeiner Weise ein Problem mit ehrlicher und tiefgreifender Aufarbeitung der Missbrauchsfälle. Noch Monate nach Peter B.s Verhaftung hingen Bilder mit diesem in den Vereinsräumen. In Interviews hatte sich keiner auch nur im Geringsten etwas vorzuwerfen. Nichtmal ein klitzekleines bisschen. Und Stolz? Laut einer WDR-Doku, soll er noch nach über einem halben Jahr ein Foto des Verurteilten als Profilbild seines Facebook-Acounts gehabt haben… Medienprofi oder nicht. Unschuldslamm –  mag sein. Aber Aufarbeitung sieht anders aus.

Ein Schrein für einen Pädophilen.

Dann aber, im Dezember 2016 sagte Stolz gegenüber der SVZ: „Wir haben uns mit den ehrenamtlichen Mitgliedern, die dem Verein nicht den Rücken gekehrt haben, kritisch mit der Vergangenheit auseinandergesetzt und Veränderungen eingeleitet.“ Ein Supervisor begleitete den Verein dabei.

Aha. Die Vergangenheit aufgearbeitet, Veränderungen eingeleitet. Endlich. Nur: Nach außen hin sieht man davon wenig. Denn wieder sind es Bilder, die den Verein unglaubwürdig machen. Aus irgendeinem unverständlichen Grund scheint man dort an diesen zu hängen. Da wäre zum Beispiel die Bildergalerie der alten Vereinswebseite Power-for-kids.de – immer noch online! Inklusive allen Gruppen- und Einzelfotos mitsamt Täter Peter B. Nirgens eine Kommentierung oder dergleichen. Keine Verpixelung, Schwärzung, Löschung. Als wäre alles beim Alten.
Ebenso online (letzte Aktualisierung Oktober 2015) ist die Seite der „Power Event Group“, der früheren Tanzgruppe B.s. Noch mehr Fotos, nichts gelösch. Peter B. ist namentlich als Manager/Kassenwart aufgeführt. Warum ist die Seite noch zugänglich? Die Tanzgruppe gibt es nicht mehr. Aus Nostalgie? Dann sollte man aber eine Stellungnahme des Vereins hier finden. Doch Fehlanzeige.
Es geht weiter: „PfK“ hat zwei Youtube-Kanäle. Neben diversen Fernsehbeiträgen und Aufnahmen aus der Vergangenheit finden sich – natürlich – die alten Bildergallerien.

Wo ist da bitte die erklärte Auseinandersetzung mit der Vergangenheit? Drei Klicks und fertig – Seite abgeschaltet. Sollte machbar sein, sind doch alle Domains/Kanäle auf den Verein registriert. Für jene der Tanzgruppe zeichnete sich Florian Stolz sogar schon vorher mitverantwortlich (Garfik und Design). Was hindert ihn? Als Betrachter bekommt man doch den Eindruck, hier wird einem Gewalttäter auch nach seiner Verurteilung eine huldigende Plattform geboten. Immernoch jungfräulich in Sachen Medienkompetenz, nach all den Monaten?

Was spricht – insbesondere mit jetzigem Neustart – gegen eine ausführliche öffentliche Stellungnahme (sei es nur über die sozialen Medien)? Nichts! Was kommt: eine winzige Pressemitteilung. Was spricht gegen uneingeschränkte Transparenz? Warum nicht z.B. das Protokoll der Mitgliederversammlung sowie die Satzung sofort veröffentlichen? Gut, letztere muss erst vom Amtsgericht bewilligt werden. Dennoch, die Zielvereinbarung kann man ja auch einfach mal so kommunizieren – vollständig. Was kommt: ein paar kleine Zitate innerhalb der Pressemitteilung. Warum keine Pressekonferenz? Was kommt: die Einladung sich an zwei Tagen die Woche vor Ort umzusehen oder zu helfen.

Optimismus oder Wunschdenken?

Also wieder die Frage: Warum kein kompletter Schlussstrich im Verein? Ist es Arroganz, Wichtigtuerei, Naivität? Oder sieht man sich gar als unverzichtbar für den Stadtteil? Blindheit vor Lauter „Aufbruchstimmung“? Mag der Bedarf für soziale Angebote und kostenfreihe/-günstige Freizeitbeschäftigung im Mueßer Holz groß sein. Dass ein so dermaßen vorbelasteter Verein wirklich „einen Beitrag zur sozialen Integration“ leisten kann, ist nur schwer vorzustellen. Das können andere besser. Vereinschef Florian Stoltz sieht das so: „Wir müssen neues Vertrauen gewinnen und hoffen, dass wir mit dem Umbau der Halle am Familienpark die Bewohner neugierig machen“.

Optimismus? Das sieht eher nach Wunschdenken aus. Letzendlich wurde das „Bett“ nur auf neue Füße gestellt und umplatziert. Den Makel der Vergangenheit wird allein Neugier auf die neue „Koje“ nicht vergessen machen.

War denn eine Vereinsauflösung nie Option???

Nach oben scrollen