Ein Tag zum Nachdenken – der „7.Oktober“ …

Ein mehr als nachdenklicher Jahrestag wäre unter anderen „Umständen“ sicherlich pompös begangen worden: der 58.Jahrestag der Gründung der DDR.

Den Anspruch, erster „Arbeiter- und Bauenstaat auf deutschem Boden“ zu sein, die soziale Gerechtigkeit – gegenwärtig wieder ein aktuelles Thema – verwirklichen zu wollen bzw. verwirklicht zu haben, konnte die DDR aber nie erfüllen.
 
Ebenfalls die hohen Zielsetzungen im wirtschaftlichen, kulturellen oder gesellschaftlichen Bereich blieben mehr Wunschdenken als Realität.

Am Ende verkam der DDR-Staat zu einem „Gebilde“ von Moskaus Gnaden mit einer SED-Machtclique an der Spitze, die jeglichen Bezug zu den Sorgen, Wünschen und Problemen der eigenen Bevölkerung verlor und ihre Macht durch DDR-Staatssicherheit, uneingeschränkten Führungsanspruch der kommunistischen Einheitspartei und russische Militärpräsenz so lange, 40 Jahre, sicherte …

Doch war das DDR-Experiment bereits vor ihrer Gründung zum Scheitern verurteilt ?!

Auch diese Frage muß leider eindeutig mit „Ja“ beantwortet werden und Grund war vor allem die tiefe Feindschaft zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten bereits seit der Weimarer Republik, als die KPD die Sozialdemokraten mit „Sozialfaschisten“ gleichsetzte und als „Arbeiter-Verräter“ titulierte.
 
Hermann Lüdemann, im November 1945 aufgrund seiner demokratischen Gesinnung als SPD-Landesgeschäftsführer abgesetzt.Durch die auf Zwang und Druck gegenüber den Sozialdemokraten herbeigeführte „Vereinigung“ von KPD und SPD 1946 reagierten viele Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern, auch in Schwerin, mit Widerstand, Parteiaustritt oder Flucht nach Westdeutschland.
 
Wie meinte dazu bereits der Historiker Andreas Hillgruber: „Die Zwangsvereinigung zur SED schuf angesichts der scharfen Ablehnung dieser Entscheidung durch den Führer der SPD in den Westzonen (Westdeutschland), Kurt Schumacher, ein schwerwiegendes Hindernis für eine gemeinsame Gestaltung Gesamtdeutschlands durch die Besatzungsmächte und durch die sich regenden deutschen politischen Kräfte, … erst die Gründung der SED bildet eine Zäsur, die einen tiefen Graben zwischen den politischen Kräften im Nachkriegsdeutschland, zunächst vor allem zwischen SED und SPD, aufwarf.“

Verhaftungen und Drangsalierungen von Sozialdemokraten und auch Christ- oder Liberaldemokraten, selbst von Vertretern in den eigenen Reihen, gab es allerdings nicht erst mit der Parteien-Vereinigung von 1946 bzw. der DDR-Gründung 1949.

Albert SchulzRostocks Oberbürgermeister Albert Schulz, stets ein entschiedener Gegner einer Vereinigung von KPD und SPD, wurde u.a. 1947 unberechtigterweise kurzzeitig verhaftet und seitdem intensiv vom russischen Geheimdienst und den früheren KPD-Vertretern bespitzelt.
 
1949, im Jahr der DDR-Gründung, eskalierte der Streit zwischen Albert Schulz und den früheren KPD-Funktionären. Das ehemalige KPD-Mitglied Karl Mewis warf Schulz vor, nicht das erforderliche ideologische (stalinistische) Grundwissen zu haben.
 
Diesen Vorwurf konterte Albert Schulz und verwies auf seine langjährige kommunalpolitische Erfahrung. Für den damaligen Rostocker Oberbürgermeister war eine sozial orientierte Gesellschaft ohne echte Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen keinen Pfifferling wert.
 
Nachdem die „Parteikontrollkommission“ im August 1949 die sofortige Funktionsenthebung von Albert Schulz beschloss, zog dieser persönliche wie politische Konsequenzen. Für ihn und seine Familie war die Grenze des Ertragbaren erreicht. In einem solchen Klima der Intoleranz, der Bespitzelung und Denunziation sowie der Ausgrenzung ehemaliger Sozialdemokraten war es ihm unmöglich weiter in Mecklenburg, speziell in Rostock, zu bleiben – zumal eine erneute Verhaftung drohte. Im August 1949 gelang ihm, seiner Frau und seinem Sohn Peter die Flucht in den Westteil Berlins.

Noch im gleichen Jahr wurden mit Martin Müller und Heinrich Beese zwei weitere führende Rostocker Sozialdemokraten aus ihren Ämtern gedrängt und in politischen Schauprozessen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
 
Albert KruseIn Schwerin wurde Bürgermeister und Stadtrat Albert Kruse seiner Ämter „enthoben“, weil er Kontakt zum SPD-Ostbüro, der Widerstandsbewegung der gesamtdeutschen SPD gegen die kommunistische Diktatur in der DDR, hielt. Auch Kruse mußte 1950 aus Mecklenburg fliehen, da seine Verhaftung drohte.

Ein schlimmes Schicksal erlitt auch der Hagenower Landrat Bernhard Pfaffenzeller, der sich gegen die kommunistischen Vereinnahmungsbestrebungen im Landkreis Hagenow entschieden zur Wehr setzte.
So trat er gegen die diktatorische KPD-Konzeption zur Durchführung der Bodenreform auf. Zunächst wurde er als Landrat von der sowjetischen Militäradministration abgesetzt. Dann erfolgte seine Verhaftung. Dabei wurde der aufrechte Demokrat Pfaffenzeller in ein Arbeitslager im Nordural deportiert, wo er unter menschenuwürdigsten Bedingungen 1950 verstarb.

Zwei Jahre zuvor war ebenfalls der Vorsitzende der SPD des Landkreises Wismar nach 1945, Karl Moritz, verhaftet und in ein Arbeitslager in der Nähe von Workuta gebracht worden.
 
Im Jahre 1950 wurde ebenfalls der Schweriner Pfarrer Aurel von Jüchen, tätig u.a. in der Schelfkirche, Opfer der kommunistischen Justiz. Von Jüchen, der nach 1945 in die SPD eintrat, mußte 1950 unter dem erfundenen Vorwurf, „Agent eines westlichen Geheimdienstes“ zu sein, die Verhaftung hinnehmen. Dazu sein Sohn Peter von Jüchen in einem Interview 1997: “ … Mein Vater wurde aus der SED ausgeschlossen und eine widerliche Verleumdungskampagne gegen ihn initiiert. Die führenden mecklenburgischen Kommunisten Grünberg und Mewis sprachen nur von `unserem Feind von Jüchen` … Er wurde dann in einer fernmündlichen Verhandlung durch ein `Sondergericht` zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Von 1950 bis 1955 war er dann im Arbeitslager in Workuta inhaftiert. Nur sein tiefer Glaube und seine feste demokratische Gesinnung ließen ihn diese harte Zeit überleben …“.

Albert Schulz, Martin Müller, Heinrich Beese, Albert Kruse, Bernhard Pfaffenzeller, Karl Moritz oder Aurel von Jüchen – nur sieben Beispiele von vielen, vielen anderen mehr.

Wenn ein Staat seine Gründung „so zelebriert“, dann hat dieser wahrlich keine Daseinsberechtigung.

Bereits im Ansatz war der Versuch in der gegründeten DDR gescheitert, eine gerechtere und sozialere Gesellschaft zu schaffen – und damit wurde ein uralter Menschheitstraum von einer besseren Welt, der von der Bergpredigt über die Ideen der französischen Revolution 1789 und der katholischen Soziallehre bis hin zu Teilen des „Kommunistischen Manifestes“ reicht bzw.seinen Ausdruck findet, in der Realität zerstört.

Und es bestätigte sich die Prophezeiung des damaligen evangelischen Kirchenpräsidenten Martin Niemöller, alles andere als ein verbohrter „kalter Krieger“ in jenen Jahren, der bereits vor dem englischen Baptistenkongreß Ende der 1950er Jahre eindeutig meinte: „Der Kommunismus wird versagen und verschwinden, denn er hat keine Antwort oder eine falsche und irreführende Antwort auf die entscheidende Frage: Wie können menschliche Wesen endlich wirkliche Menschen werden ?“ – „Die Würde des Menschen geht (im Kommunismus) verloren und seine Freiheit wird zerstört. Am Ende bedeutet kommunistischer Idealismus nur Nihilismus und deshalb ist er kein Weg zu tatsächlicher Menschlichkeit.“

DDR-Nostalgie ist daher völlig fehl am Platze, aber auch grenzenloser Jubel über die neue gesellschaftliche Entwicklung. – Nur Fehler, Mißstände und Machtarroganz lassen sich heute leichter korrigieren – ohne Angst vor Staatssicherheit, Bautzen oder Mauer-Toten – das sollte man nie vergessen !  

Marko Michels

Archiv-Foto: Hermann Lüdemann (bis 11/1945: SPD-Landesgeschäftsführer in Schwerin)

Archiv-Foto: Albert Schulz, früherer OB Rostock

Archiv-Foto: Albert Kruse, früherer Stadtrat Schwerins
 

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