Eine Ballett-Tänzerin aus „Austria“ erobert die Landeshauptstadt

Agnes Schmetterer im Gespräch

Über die Zukunft des Mecklenburgischen Staatstheaters in Schwerin wird weiter kräftig diskutiert, als ließe sich die Bedeutung der Kultur „effektiv definieren“ bzw. „einsparen“. Kultur ist bekanntlich ein geistiges Grundnahrungsmittel, wer daran kürzt, nimmt es billigend in Kauf, dass geistige Schlichtheit dominiert und Extremisten ein leichtes politisches Spiel haben.

Unbeeindruckt davon müssen die Künstlerinnen und Künstler des Staatstheaters mit ihren Auftritten und Leistungen brillieren, auch das Schweriner Ballett-Ensemble mit seinem Direktor Sergej Gordienko. Die Aufführungen des kleinen Ensembles konnte dabei mit seinen Aufführungen begeistern, ob mit „Coppelia“, „Hummelflug – Klassik trifft Moderne“, mit „BREL – Pure Leidenschaft“ oder „Schlafes Bruder“. In Vorbereitung ist ein Kammertanz-Abend und ein Rock-Ballett-Abend. Zudem treten die Tänzerinnen und Tänzer in Vorstellungen des Musiktheaters, wie der „Csárdásfürstin“, auf.

Eine junge Österreicherin, die schon seit dem sechsten Lebensjahr dem Ballett verbunden ist, tanzt ebenfalls im Schweriner Ensemble: Agnes Schmetterer kam in dieser Spielzeit an das Mecklenburgische Staatstheater. Bisherige Ballett-Stationen waren für die Tänzerin Wien, Linz und Chemnitz.

Im Interview erzählt Agnes Schmetterer über ihr Schweriner Engagement, ihre tänzerische Begeisterung, die Winterspiele 2014 und ihre Zukunftspläne.

„Möchte stets mein Bestes geben…“

Frage: Agnes, Sie sind eine von den „Neuen“ im Schweriner Ballett-Ensemble. Wie kam es zur Verpflichtung nach Schwerin? Wollten Sie unbedingt in die mecklenburgische Landesmetropole?

Agnes Schmetterer (Foto: Silke Winkler)Agnes Schmetterer: Es war eigentlich mehr ein Zufall. Ich war ja Tänzerin am Theater Chemnitz und als Gast-Tänzerin am Landestheater Linz eingeladen, die „Julia“ in Shakespeares „Romeo und Julia“ zu tanzen und mein Freund Tuomas Hyvönen war noch Tänzer in Chemnitz. Dort erfolgte ein Direktoren-Wechsel und wir waren nicht sicher, ob wir weiterhin dort bleiben wollten. Wir erhielten einen Anruf von Sergej Gordienko, dem jetzigen Schweriner Ballettdirektor – der zudem in der vorletzten Spielzeit Ballettmeister in Chemnitz war – und er fragte, ob wir Interesse hätten, nach Schwerin zu kommen.

Wir wussten dabei, dass er in Schwerin zwei Stücke von unserem früheren Chemnitzer Direktor Lode Devos, den ich als Künstler, Menschen und Inspirationsquelle ungemein schätze, aufführen wollte. Wir hatten beste Erfahrungen mit ihm gemacht und beschlossen, nach Schwerin zu wechseln. Über Schwerin wussten wir beide leider noch sehr wenig ….

Frage: Die Schweriner Ballett-Compagnie unter der Leitung von Direktor Sergej Gordienko ist zwar klein (16 Mitglieder), aber fein (zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen). Was zeichnet aus Ihrer ganz persönlichen Sicht das Ballett-Ensemble in Schwerin aus? Geht es immer freundschaftlich-familiär zu oder „fliegen“ – ganz künstlerisch-elitär – auch einmal „die Fetzen“?

Agnes Schmetterer: Ich habe bereits Erfahrungen mit drei Ballett-Compagnien – in Wien, in Chemnitz und in Linz – und ich kann wirklich sagen, es war einzigartig, wie familiär wir hier in Schwerin aufgenommen wurden. Ich bin zwar erst seit einem halben Jahr im hiesigen Ensemble, aber viele Kolleginnen und Kollegen sind bereits liebe, enge sowie treue Freunde, auf die ich zählen und auf die ich mich verlassen kann bzw. will  – und mit denen ich auch lachen und weinen kann!

Was „die Fetzen“ anbelangt: Jeder, der ein wenig erfahren ist, weiß, dass menschliche Beziehungen nicht ohne Konflikte möglich sind. Natürlich gibt es das in Schwerin auch, aber das gehört ganz einfach dazu, wie in jeder Familie.

Frage: Eine Ballett-Tänzerin muss sehr sportlich sein… Lassen Sie sich bei ihren tänzerischen Interpretationen auch vom künstlerischen Geschehen im Bereich des Sportes inspirieren, zum Beispiel von Kürprogrammen im Eiskunstlaufen, von Turn-Shows oder sportakrobatischen Aufführungen?

Agnes Schmetterer: Ich nehme schon wahr, was im Bereich des Sportes passiert, ebenfalls in den angesprochenen Sportarten. Ich respektiere und bewundere jede Sportlerin sowie jeden Sportler, weil wir Ballett-Tänzerinnen bzw. Ballett-Tänzer – einmal abgesehen von der künstlerischen Komponente – letztendlich ja auch Sportler sind. Daher kann ich gut nachvollziehen, wie hart der Job eines Hochleistungssportlers ist. Insbesondere von den Kampfsportarten bin ich beeindruckt. Es gibt ja innerhalb des Karate auch die Übungsform Kata, die aus fiktiven Kämpfen besteht. Letztendlich sind es Kombinationen, die auch eine Form der Choreografie präsentieren. Dabei geht es um Präzision und Stärke.

Ich bewundere zudem die Eiskunstläufer und Wasserspringer. Aber als Inspiration dienen mir deren Darbietungen nicht – das wäre geheuchelt. Meine Aufgabe als Tänzerin ist es, die Vision des Choreografen Realität werden zu lassen. Nicht mehr und nicht weniger.

Frage: Apropos Sport … Bald beginnen die Olympischen Winterspiele und Sie sind ja Österreicherin. Sind Sie da mit Skiern groß geworden? Werden Sie Olympia etwas verfolgen?

Agnes Schmetterer: Ich bin wahrscheinlich die „einzige“ Österreicherin, die nicht mit Skiern auf den Hängen und Pisten unterwegs ist – das überlasse ich lieber einer Marlies Schild oder einem Marcel Hirscher. Ich werde die Winterspiele in Sotschi dennoch verfolgen. Zwar habe ich keinen Fernseher, aber mit den Mitgliedern der Compagnie werden wir uns schon den einen oder anderen Wettbewerb „irgendwo“ gemeinsam anschauen. Der Eiskunstlaufsport und der Skisport, speziell das Skispringen, interessieren mich persönlich. Und mein Freund ist ja Finne. Für ihn ist Eishockey das Nonplusultra, die Mega-Sportart.

Frage: Wie gefällt Ihnen eigentlich die Stadt Schwerin? Welche Ziele möchten Sie hier verwirklichen?

Agnes Schmetterer: Schwerin ist eine entzückende Stadt mit sehr viel Charme. Schwerin ist nicht zu winzig, aber überschaubar. Mich faszinieren die vielen kleinen Gassen, die individuell gestalteten Häuser und die vielen abwechslungsreichen Boutiquen sowie Geschäfte in der Innenstadt. Es sind schon Unikate darunter.

Leider ist es nicht ganz so entzückend, was ich mit meiner derzeitigen Wohnung erlebe – und da bin ich ehrlich: Das muss in so einer sympathischen Stadt nicht sein. Was ich dort „erfahre“ – vom fehlenden Fußboden bis zur mangelhaften Warmwasserversorgung, um nur zwei Beispiele zu nennen – ist menschlich schon enttäuschend. Jeder, der einen fordernden Job hat – auch eine Ballett-Tänzerin und einen Ballett-Tänzer haben diesen – braucht am Abend seine „Ruhe-Oase“. Und diese fehlt mir hier in Schwerin…

Tja, welche Ziele habe ich nun im Hinblick auf mein Engagement in Schwerin?! Meinen Kindheitstraum, einmal die „Julia“ zu tanzen, habe ich mir bereits erfüllt. Aber ich halte nichts davon groß zu planen, eine „To-Do-Liste“ anzulegen, was man unbedingt erreichen möchte. Im Leben kommt ohnehin alles anders…

Ein Ziel ist es zweifellos, mich weiter zu entwickeln. Ich möchte stets mein Bestes geben und nach einer Vorstellung sagen können: Ich habe alles so gut gemacht, wie ich es machen konnte. Natürlich habe ich schon Vorstellungen von meinem weiteren Leben. Wenn sich diese mit Schwerin verbinden lassen, wäre es schön, wenn nicht, dann ziehe ich weiter.

Frage: Und… Was sind die nächsten tänzerischen Herausforderungen für Sie in Schwerin?

Mozart! maybe? - Die Premiere findet am 8. Februar 2014 im E-Werk statt. (Foto: Silke Winkler)Agnes Schmetterer: Am 8. Februar folgt ja mit „MOZART! maybe?“ im E-Werk die nächste Herausforderung, die nächste Premiere. Es ist eine hervorragende und anspruchsvolle Arbeit mit dem geschätzten Lode Devos, von dem man so viel lernen kann. Ich bin immer wieder stolz, in seinen Produktionen tanzen zu dürfen.

Letzte Frage: In Schwerin gibt es kulturelle Kürzungspläne, auch für das Staatstheater. Welche Bedeutung hat für Sie ganz persönlich Kultur in der Gesellschaft?

Agnes Schmetterer: Was die kulturellen Kürzungspläne und die Diskussionen darüber betrifft, so ist es etwas, was mir das Herz bricht. Ich weiß nicht, ob Sie die Meinung des britischen Premiers Winston Churchills während des zweiten Weltkriegs kennen, als es darum ging, den Kultur-Etat zugunsten des Rüstungsetats zu kürzen… Er sagte seinerzeit dazu: „Then what are we fighting for?“

Kultur ist so wichtig für eine jede Gesellschaft – allein zur Selbstreflektion. Für mich ist es schon abschreckend, wenn ich höre, dass einige TV-Sendungen, wie das „Dschungelcamp“, „GNTM“ oder „DSDS“, so einen großen Zuspruch finden, aber um Kultur und Kunst ein „großer Bogen gemacht wird“. Kultur – das ist es doch, was die Menschen aus dem Tierreich maßgeblich herausragen lässt. Einerseits, um ein Beispiel zu nennen, sind Unmengen von Geld vorhanden, um am nicht betriebsfähigen Berliner Flughafen herumzuwerkeln, andererseits werden Etats für die Theater zusammen gestrichen… Ein Umdenken, ein Umsteuern  ist notwendig.

Vielen Dank! Alles erdenklich Gute – persönlich und tänzerisch – nicht nur in Schwerin… Und hoffentlich bald eine anständige Wohnung in der Landeshauptstadt M-V!
Marko Michels

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