„Gidamania“ aller Orten?!

Ein Kommentar von Dr. Marko Michels


„Pegida“ und „Schwegida“. „MVgida“ und „Bergida“. Zurzeit herrscht in Deutschland, auch in M-V, speziell in Schwerin, die „Gidamenie“ oder „Gidamania“ – es gingen bzw. gehen zig Tausende Menschen für und gegen etwas auf die Straße, ohne Sinn und Verstand. Ohne Analyse der Realitäten. Ohne die tatsächlichen Widrigkeiten, die zweifellos vorhanden sind, zur Kenntnis zu nehmen.

Wo ist der „Feind“

Man suchte sich einen „Hauptfeind“. Schlagwort „Islamisierung“. Dabei droht weniger durch die „Islamisierung“ Ungemach. Nein, es sind diejenigen, die offiziell vorgeben für die real existierende Demokratie zur Felde zu ziehen, diejenigen also, die die realen Nöte und Probleme der Menschen eigentlich kennen sollten.

Was ist wirklich…

Allen voran die beiden Kirchen, die evangelische und katholische. Im letzten Jahr, 2014, hatten beide rund 11 Milliarden Euro Steuer-Einnahmen („Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ vom Oktober 2014) – dazu weitere Einnahmen, etwa durch Spenden. Wenn diese nur die Hälfte davon für die Flüchtlingsarbeit ausgeben würden, es könnte den Flüchtlingen hierzulande – und es sind eben insbesondere politische Flüchtlinge aus Bürgerkriegen – um einiges besser gehen.

Professor Jean Ziegler, der große Soziologe und Vize-Vorsitzender im Beratenden Ausschuss des UNO-Menschenrechtsrates, weist zudem auf eine weitere negative Entwicklung hin, welche die Demokratie real gefährdet: „… Wir leben in einer perversen Zeit. 2013 haben die 500 größten globalen Konzerne mehr als die Hälfte des Weltbruttosozialprodukts kontrolliert. Diese Oligarchien des globalisierten Finanzkapitals haben eine Macht, wie sie Kaiser und Päpste niemals besaßen…“ (SPIEGEL Nr. 2/2015)

Auf die Frage des SPIEGEL, ob die Menschen – angesichts der zahlreichen Konflikte in der Welt – gleichgültig seien, äußert sich Jean Ziegler deutlich: „…Nein, die Menschen sind sensibel. Sie sind zu Mitgefühl fähig. Niemand, der die Bilder von Flüchtlingen sieht, die im Mittelmeer ertrinken oder in der Sahara verdursten, bleiben davon unberührt. Aber viele empfinden Ohnmacht. … Es gibt (aber) keine Ohnmacht in der Demokratie. Die Ideologiefabriken des modernen Kapitalismus, die PR-Zentralen der Konzerne, die rechtskonservativen Medien haben uns eingeredet, wir müssen das Diktat der Märkte als Sachzwang akzeptieren. Aber das ist falsch…“

Fachkräftemangel?!

In Deutschland herrscht angeblich ein Fachkräftemangel. Verena Bentele, die zwölffache Paralympics-Siegerin im Skisport und Bundesbeauftragte für die Belange schwer behinderter Menschen, gab kürzlich dem FOCUS (Dezember 2014) ein interessantes Interview, in dem sie darüber berichtete, dass hoch qualifizierte Menschen mit Handicaps – trotz des besagten Fachkräftemangels – noch immer ausgegrenzt werden, dass die Arbeitslosigkeit bei diesen sogar steigt…

Dabei ist auch die allgemeine „Arbeitslosen-Statistik“ ohnehin mit Vorsicht zu lesen, da Empfänger von SGB II-Leistungen, Reha-Fälle, geringfügig Beschäftigte, auf dem zweiten Arbeitsmarkt Tätige, Umschüler und Ein-Euro-Jobber in diesen offiziellen Statistiken gar nicht auftauchen. Und wenn die Zahl der aktiven Jobs steigt, so ist das auch eine Folge, dass immer mehr Menschen, auch hierzulande, mehrere Jobs annehmen müssen, um zu überleben.

Viele Firmen sind dabei spitzfindig, wenn es um das „Umgehen“ des Mindestlohnes geht und etwaige anfallende Mehrkosten für den Mindestlohn werden inzwischen – mittels Preiserhöhungen auf Produkte und Dienstleistungen – auf die Verbraucher „abgewälzt“.

Vieles läuft in diesem Land falsch, dem es im Vergleich zu anderen Ländern aber immer noch „gut“ geht, wobei es auch in Deutschland, gerade in M-V und in Schwerin, schlimme soziale Verwerfungen gibt.

Pflicht zur Hilfe

Aber: Ein Land, das unter Kaiser Wilhelm II. den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts, an den Herero und Nama, verübte, das unter dem „Führer“ den 2. Weltkrieg, der mehr als 60 Millionen Menschen das Leben kostete, begann und das sich durch „Staatsratsvorsitzende“ indirekt und logistisch an der Niederschlagung der Demokratiebewegungen unter anderem in der Tschechoslowakei und Polen beteiligte, sollte bei der Aufnahme von Flüchtlingen, gerade aus Bürgerkriegsgebieten, deutlich mehr Herz und Wohlwollen zeigen!

Außerdem: Deutschland ist nicht nur aktueller Fußball-Weltmeister, dank der deutschen Nationalspieler mit Migrationshintergrund, nein, leider ist Deutschland auch WM-Dritter hinsichtlich Rüstungsexporten. Frieden schaffen, mit immer mehr Waffen?! Das kann und darf nicht die Maxime deutscher Außenpolitik sein! So heizt man Konflikte nur noch weiter an, denn wer garantiert, dass die Waffen nicht in falsche Hände geraten, wenn diese nicht schon längst in falschen Händen sind?!

Demonstrieren ohne echte Ziele

Nun wird in M-V, in Schwerin, auch fleißig demonstriert – von „Gutmenschen“ wie „Ungutmenschen“ oder wie diese sich gegenseitig auch immer titulieren mögen. Fakt ist, dass beide Demonstrationen auf dem Holzweg sind, die wirklichen globalen Probleme, die auch Deutschland mit MV betreffen, gar nicht tangieren! So gelangt man nicht an die Wurzeln allen Übels.

Ja, Flüchtlinge und qualifizierte Menschen aus aller Welt können das Leben in diesem verstaubten und langweiligen M-V durchaus bereichern. Warum müssen diese oftmals zentral untergebracht werden? Es gibt so viel Wohnraum-Leerstände in Schwerin, auch in der Innenstadt, am Pfaffenteich und direkt in der City! Oder will man vor irgendwelchen politischen und wirtschaftlichen Lobbyisten, die nur Demokraten spielen, aber wenn es darauf ankommt kneifen, kapitulieren?

Probleme gehören in das Zentrum einer Stadt und nicht an deren Rändern (siehe Umzug der Arbeitsagentur vor einigen Jahren)! Entledigt Euch endlich Eurer „Gidamania“ und demonstriert gegen die echten Probleme – und nicht zuletzt für deren Lösung! Nicht eine „Islamisierung“ Deutschlands ist das Problem, sondern die Realitätsferne vieler unserer Volksvertreter und deren medialer PR-Berater. Positive Ausnahmen gibt es durchaus auch unter diesen…

Dr. Marko Michels

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