Halbe Wahrheiten mit Peter Ensikat

Ausverkaufte Lesung in der Schweriner Weiland-Buchhandlung

Der 9. November ist in Deutschland ein geschichtsträchtiger – im positiven wie im oftmals negativen Sinn. Wie begeht man einen solchen Abend, an dem einen zum Lachen und zugleich zum Heulen zumute sein müsste?!  Am besten mit Peter Ensikat, dem weisen Kabarettisten mit der Neigung nicht alles zu verbissen zu sehen, erst recht nicht, wenn die „dritten“ es nicht mehr schaffen. Peter Ensikat stellte in der Schweriner Weiland-Buchhandlung in wohltuender Form seine Biographie vor, die niemanden schont oder verschont, schon gar nicht den Autor selbst.

Mit „Meine ganzen Halbwahrheiten“ schrieb der 1941 in Finsterwalde geborene „Überlebenskünstler“ ein Zwischen-Resümee seines Lebens, von dem sich manche Kanzler, die den Mantel der Geschichte überstreiften oder sogar die neue Mitte entdeckten, mehr als eine „Scheibe abschneiden“ können. Offen, authentisch und aufrichtig schildert Peter Ensikat seine Jahre zwischen Nazi-Deutschland, DDR, Wende-Zeit und „Deutschland, einig Vaterland“ aus der Perspektive eines wahrhaftig Betroffenen.

Da modelt sich keiner zum „Wi(e)derstandskämpfer“ um. Wo andere mit gehässigem Zynismus aufwarten, beweist Ensikat gekonnt Selbstironie – etwas, an dem es in Deutschland schon immer mangelte. Die DDR empfand er einfach nur als Tristesse, als ewige Provinz. Gleichwohl passte er sich an, um zugleich auch wieder anzuecken. Die „Firma Horch, Guck und Greif“ beobachtete nicht nur seine Vorstellungen. Zum „DDR-Bürger“ wurde er eigentlich erst, als diese schon gar nicht mehr existierte. Die Selbstgefälligkeit des westdeutschen Bildungsbürgertums gegenüber den „Neu-Bundis“ war nicht nur ihm ein Graus.

So erfährt man viel Amüsantes und zugleich Nachdenkenswertes über Ensikats Pionierzeit, seine Familien-Bande, kirchlichen Ambitionen und Nicht-Ambitionen, seine beruflichen Herausforderungen, seinen schauspielerischen und kabarettistischen Lebensweg. Hier ist einer Mensch im besten Sinne. Hier schönt und poliert keiner die Biographie. Hier werden eher die Kerben, Kratzer und „Flecken“ in besonderer Weise herausgestellt. Wer sein Leben so meistert, darf sich wahrlich als Meister betrachten. Auch ohne Spikes, Boxhandschuhe oder Degen. Dazu ist das Leben ohnehin nur ein ewiger (Box-)Kampf.

Ensikat hat jedenfalls seine Prüfungen bestanden, ob immer mit Glanz und Gloria sei dahingestellt. Aber er hat es versucht und fand seine Berufung. Das ist noch immer mehr, als sich die meisten erträumen und jemals erreichen werden. Manche merken nicht einmal, wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort das Falsche tun, aber lassen sich gerade dafür gebührend feiern. Eine Feierstunde war dieser November-Abend mit Peter Ensikat in Schwerin sicher nicht, aber man konnte schmunzeln, nachdenken und mitdenken. Mehr geht wirklich nicht.

„Meine ganzen Halbwahrheiten“ sind ein Standardwerk für sonnige August-Abende ebenso wie für triste November-Stunden!

Marko Michels

Übrigens: Noch bis zum 20. November dauern die Schweriner Literaturtage. Einfach mal vorbei schauen!

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