Heizungsmonteur aus Schwerin startet zweite Karriere als Motorrad-Techniker

„Nur beim heißen Ofen ist´s geblieben“

Früher nahm Jürgen Hein den guten alten Maulschlüssel der Ost-Marke Smalcalda in die Hand, um Forster-Etagenheizungen oder Schwarzrohre zu montieren. Im neuen Job ist es Hightech, wenn der Schweriner eine Ducati Multistrada auf den Prüfstand stellt. Denn Hein musste aus gesundheitlichen Gründen den alten Job als Heizungsbauer an den Nagel hängen. Doch dank einer beruflichen Qualifizierung im Berufsförderungswerk Hamburg/Schwerin startet Hein neu durch. Derzeit absolviert er ein Praktikum in einem Schweriner Motorrad-Center.

„Jeder fing damals ja mit einer Simson an“, erinnert sich Hein an Zeiten, als Simson-Mopeds, MZ-Motorräder oder Exoten wie die Pannonia über DDR-Landstraßen fuhren. Und wie jeder DDR-Bürger hat auch Hein früh geschraubt. Der Mangel an Ersatzteilen machte es nötig. Doch seinen ersten Beruf fand er in einem anderen Handwerk: Er lernte Heizungsmonteur. 15 Jahre gehörten Schränkzange oder Schweißgerät zum Handwerkszeug. „Ein guter Job, aber irgendwann machte die Wirbelsäule nicht mehr mit“, erinnerte sich Hein. Die Arbeit forderte ihren Preis. Hein fällt immer öfter aus. Bandscheibenvorfall, Hexenschuss, wieder ein Bandscheibenvorfall, dann arbeitsunfähig. Doch Hein steckt nicht auf. Als der Motorradfan vergangenes Jahr über die Schweriner Motorradmesse schlendert, treiben ihn Neugier, Zufall und Hobby an den Stand des Berufsförderungswerkes Hamburg. Das BFW ist in Schwerin mit einer Außenstelle vertreten – und nutzt die Messe, seine Qualifizierung Zweiradmechaniker, Fachrichtung Motorradtechnik, vorzustellen.

Vor Ort beraten BFW-Biker & Tüftler alle, die nach einer Krankheit beruflich wieder durchstarten wollen. Und sie bieten Ostalgie-Pur, indem publikumswirksam einen restaurierten DDR-Oldtimer Simson 425S von 1959 und  eine unrestaurierte Simson 425 vorstellen. Daneben steht High Tech aus Japan: Ein Honda VTR Motor im Schnittmodell, ein Getriebe und ein Honda-Daxchopper.

„Das hat mich sofort angesprochen“, sagt Hein. Die Rentenkasse hatte ihm zwar bereits eine medizinische Rehabilitation angeboten, die ihn gesundheitlich wieder auf Vordermann brachte. Doch weil er keine Lust hatte, die Hände in den Schoß zu legen, macht er sich schlau, zurück in den Job zu kommen. „Das Berufsförderungswerk kam wie gerufen, weil sie nicht nur gecheckt haben, ob ich gesundheitlich wieder einsetzbar bin, sondern mir auch eine Fortbildung angepasst haben, die mein Rücken mitmacht.“ Hein durchlief dazu medizinische Test, um Belastbarkeit und Funktion von Muskulatur und Wirbelsäule einzuschätzen. Als die Diagnose klar war, war die Frage „Was tun?  „Und da ich schon immer gerne an Motoren gebastelt habe, war es keine Frage, wofür ich mich entscheide“, sagt Hein. Die Handicaps mit dem Rücken lassen sich mit dem neuen Job vereinbaren. Das BFW klärte arbeitsmedizinisch hier ab. „Ich war der dauernden Belastung beim Heizungsbau nicht mehr gewachsen. In der Werkstatt kommt es nur selten vor, dass ich schwer heben muss“. Dabei sind Schwergewichte wie die Ducati nicht selten. Moderne Motorräder müssen regelmäßig gewartet werden. Und sind echte Liebhaberobjekte.

Die alte MZ TS 250 habe er zwar gegen eine Suzuki getauscht, gibt Hein zu und flüstert. Denn er macht Praktikum in der Schweriner Trike & Bike Center. Und die ist auf die italienische Edel-Schmiede Ducati spezialisiert. Doch Trike & Bike Chef Guido Möller mag Suzuki ebenso wie Yamaha, Ducati, Piaggio oder Roller-Hersteller Kymco  „Wir warten und reparieren hier alle Typen, da kommt es auf das allgemeine Know How an. „Und das bringt Holger ja aus dem BFW mit“.  Wer sich heute um Motorräder kümmert, muss die Technik draufhaben. „Und er muss mit Kunden umgehen können. Wer eine Ducati fährt, ist anspruchsvoll“, kennt Möller seine Kundschaft, die Technik und Beratung wünscht.

Die Spezialisierung hier zum Motorradtechniker baut auf der zweisemestrigen allgemeinen Ausbildung zum Zweirad-Monteur auf. Hier erlernen Fahrrad- und Motorradtechniker metalltechnische und bewegungsmechanische Grundlagen. Im 1. Semester werden Naben zerlegt oder Speichen fixiert. Im 2. Semester geht es um Zündung, Elektrik, Fräsen und Drehen. Im 3. und 4. Semester erfolgt die Spezialisierung, um Motorräder, Roller oder Mopeds zu zerlegen und wieder herzustellen, Bremsen zu prüfen oder Motoren zu warten.

Zur Ausbildung gehören jedoch nicht nur die fachliche Qualifikation. „Es geht ja auch immer darum, wieder körperlich fit zu werden. Es geht auch darum, den Kopf nicht hängen zu lassen. Und es gehört auch dazu, die eigenen Chancen zu bewerten“, so Hein. Hein machte sich daher früh auf, eine Praktikumstelle zu finden. Fündig wurde er in seiner Heimat Schwerin. Die Ausbildung fand zwar in Hamburg statt. Doch Hein macht sich „keinen Kopf“. „Ich habe auch früher schon öfter ausgelegen“. Doch wenn er seine Prüfung Ende Juni vor der Handwerkskammer Hamburg abgelegt hat, schaut er optimistisch nach Schwerin. Dann will er mit seine Frau als Sozia um den Schweriner See brausen. Als Motorradfan und festangestellter Motorrad-Techniker auf dem Weg zur zweiten Karriere.

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