Hundert Jahre, hunderttausende Fotos, Millionen Visionen

Spannender Vortrag mit historischen SVZ-Bildern im Schleswig-Holstein-Haus

Das SVZ-Foto-Archiv öffnete vor kurzem erstmalig seine Kisten und Schränke. Darin schlummerten jahrzehntelang etwa 300.000 Fotografien. Das medienhaus:nord, der Zeitungsverlag für die Schweriner Volkszeitung, bewahrte dieses einzigartige Fotoarchiv aus nahezu 100 Jahren Verlagsgeschichte. Der Verlag überließ diesen Archivbestand dem Freilichtmuseum für Volkskunde Schwerin-Mueß zur ständigen Aufbewahrung und Aufbereitung.

Bei einem Bauernprotest am 8. Oktober 1993 machten Bauern von schweinehaltenden Betrieben auf ihre Existenzbedrohende Lage aufmerksam. Sie kippten tonnenweise Zuckerrüben vor die Tür des Landwirtschaftsministeriums und schenkten dem damaligen Landwirtschaftsminister Martin Brick (CDU) symbolisch ihre letzten 13 Schweine. Foto: © SVZ/Ernst Höhne
Bei einem Bauernprotest am 8. Oktober 1993 machten Bauern von schweinehaltenden Betrieben auf ihre Existenzbedrohende Lage aufmerksam. Sie kippten tonnenweise Zuckerrüben vor die Tür des Landwirtschaftsministeriums und schenkten dem damaligen Landwirtschaftsminister Martin Brick (CDU) symbolisch ihre letzten 13 Schweine. Foto: © SVZ/Ernst Höhne

„Wir werden viele Jahre benötigen, um diese Fotosammlung zu digitalisieren und Jahrzehnte, um diesen regionalgeschichtlich wertvollen Schatz wissenschaftlich aufzuarbeiten“, begeistert sich Volker Janke, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Museums. „Was da in Kisten und Schränken in dunklen Kammern so viele Jahre vor sich hin gilbte, tritt nun ans Tageslicht und liefert uns die Perspektiven der jeweiligen Pressefotografen in ihrer Zeit. Das ist deshalb so spannend, weil ein Auftragsfoto oft das enthält, was politisch und aktuell gefordert oder erwartet wurde. Bilder wurden schon immer manipulierend eingesetzt.“

Neben ihrem dokumentarischen Wert besitzen diese Pressefotos aber auch andere Facetten: Motiv, Ästhetik, aktuelle Moden. Der offiziell gewollte Blick überschneidet sich mit der ganz profanen Perspektive eines angestellten Fotografen, vielleicht ein Familienvater, ein Leichtfuß oder stiller Denker. Und dann gab es ja noch die Auswahl: So viele Fotos von einem Ereignis. Doch welches dieser Bilder wird in der Zeitung gedruckt, widerspiegelt am besten das, was ausgesagt werden soll?

Seit dem 9. Juli diesen Jahres zeigt eine Sonderausstellung im Freilichtmuseum unter dem Titel: „Der offizielle Blick – Bildjournalismus und sein regionalgeschichtlicher Wert“ an Hand exemplarischer Beispiele einen Querschnitt durch das Archiv. Volker Janke, der Kurator dieser Schau, erläutert in seinem gleichnamigen Vortrag am Mittwoch, den 28. September, um 19 Uhr im Schleswig-Holstein-Haus den Entstehungszeitraum, der sich über mehrere politische Systeme erstreckt und unternimmt Interpretationsversuche zu den verschiedenen Blickwinkeln der jeweiligen Fotografen.

Zum Beispiel: Was passiert eigentlich, wenn man mehrere Fotografien zu einem Thema aus unterschiedlichen Zeiten und von verschiedenen Fotografen nebeneinander hängt und analysiert? Gibt es sogar noch die originalen Zeitungsberichte dazu? Diese und noch viele andere Chancen der Deutung unserer regionalen Geschichte bietet eines der größten Bildarchive des Landes auf seine ganz besondere Weise. Damit liefert es dem Mueßer Volkskundemuseum auch für künftige spannende Ausstellungsprojekte großes Inspirationspotenzial.

 

Fred-Ingo Pahl
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