Im Blickpunkt: Ulrike Hanitzsch zu Gast in Schwerin

Zwei Liederabende im werk 3 – nachgefragt…


Geht etwas ins Finale, so wird gebührend Abschied gefeiert. Das hat in Deutschland Tradition. Aktuell trifft das auf den Monat April zu, denn am 30.04. wird in den Mai getanzt – in Schwerin etwa zwischen Marstallhalbinsel über die verschiedenen Disco-Klubs bis hin zum werk3. Am 1. Mai folgt natürlich die obligatorische Mai-Kundgebung. Und am anschließenden Wochenende wird allen Kulturinteressierten ein vielseitiges Begleitprogramm geboten. Zum Beispiel startet der Schweriner Kultur- und Gartensommer mit dem „FrühjahrsErwachen“.

Zwischen Leidenschaft und Sehnsucht bewegt sich das Programm von Ulrike Hanitzsch. So nimmt sie am 1. Mai im Programm „Mi Noche Triste“ die Zuschauer mit auf eine musikalisch-poetische Reise in die Welt des Tangos. Einen Tag später spielt sie – ebenfalls im werk3 – das Lieschen Puderbach in „Das Wunderkind“, welche es im Berlin der 1920er Jahre kaum erwarten kann, die großen Bühnen zu erobern.
Ulrike Hanitzsch, geboren in Schwerin studierte Englisch, Portugiesisch sowie Italienisch (Dolmetschen) an der HU Berlin, sowie später Schauspiel am Max-Reinhardt-Seminar in Wien, sie war Ensemble-Mitglied des Staatstheaters und ist seit sechs Jahren freischaffend.

Für Schwerin-NEWS nahm sich die polyglotte Künstlerin Zeit, um über ihre Veranstaltungen, ihre Erinnerungen an den 1. Mai und ihre Reisen zu sprechen.

„Man braucht wenig, um glücklich zu sein…“

Frage: Frau Hanitzsch, am 1. und 2. Mai sind Sie wieder einmal zu Gast in Schwerin. Was können und dürfen die Kultur-Interessierten an beiden Tagen von Ihnen erwarten?

Ulrike Hanitzsch: Die zwei Programme sind sicher so unterschiedlich, wie sie kaum sein können. Dennoch ist die Leidenschaftlichkeit, mit der „Das Wunderkind“ um die Erfüllung seiner Träume ringt, absolut verwandt mit der der Menschen, die damals nach Argentinien ausgewandert sind, um sich dort ihre Träume zu erfüllen. Beide sind getrieben von einer grossen Sehnsucht und mit einer Realität konfrontiert, die anders aussieht als erträumt. „Das Wunderkind“ kontert in kurzen Hosen mit grosser Klappe und Berliner Schnauze, die argentinische „Malena“ rückt in hohen Absätzen und im schwarzen Kleid dem eingebildeten Muchacho den Kopf zurecht und lässt dann doch abends die Tür offen, weil er hoffentlich zurückkommt…

Frage: Sie arbeiten ausgerechnet am 1. Mai auf der Bühne – dann, wenn andere frei haben. Was verbinden Sie persönlich mit dem 1. Mai?

Ulrike Hanitzsch: Zunächst: Schauspieler haben gerade dann, wenn alle anderen frei haben, eigentlich nie frei… Was den ersten Mai für mich persönlich betrifft: Am 1. Mai irgendwann Ende der 1980er Jahre, war ich von der Schule aus – das muss in der 4. Klasse gewesen sein – mit einem „Winkelement“ ausgestattet und auf der Museumstreppe abgestellt worden: zum Jubeln und Winken. Und während unten der komische Tumult vorbeizog, dessen Inhalt ich damals überhaupt nicht begriff, zog das Mädchen neben mir ein Einweckglas mit einer lebendigen Maus unter der Jacke hervor. Das hatte sie heimlich „mitgeschmuggelt“ und war die eigentliche Attraktion des Tages. Das ist „das Erste“, was mir einfällt, wenn ich „1. Mai“ höre.

Frage: Schwerin wird immer schöner, wenn auch nicht alles schön ist, was glänzt… Wie stellt sich für Sie Schwerin, ihre „eigentliche“ Heimat, anno 2015 dar?

Ulrike Hanitzsch: Natürlich finde ich es schön, dass alles immer hübscher wird, und ich treffe oft auf dem Rückweg nach Berlin Leute im Zug, die zum ersten Mal in Schwerin waren und ganz begeistert sind. Nur muss man, denke ich, bei all der sicher wichtigen und notwendigen „Fassaden-Spachtelei“ inzwischen höllisch aufpassen, dass die schöne Stadt nicht zu einer saisonalen Puppen- bzw. Touristenstube wird. Was passiert da mit unserem Theater? Mit unserem Orchester? Wo ist die Schauburg, in der ich meinen ersten Kinofilm gesehen habe? Haben wir auch nach der sensationell schnell ausverkauften Kunze-Matinee im Grossen Haus weiterhin unsere Musikschulen und wie es mit ihnen weiter geht noch im Kopf? Warum hat Schwerin als Landeshauptstadt keine vernünftige Hochschule? Warum komme ich von Berlin da nur mit dem Bummelzug hin? Fragen über Fragen…

Frage: Sie sind viel in der Welt rumgekommen… Was waren für Sie die nachhaltigsten Eindrücke dieser Reisen?

Ulrike Hanitzsch: Dass man, je mehr man in der Welt unterwegs ist, zunehmend darauf kommt, dass es, wo immer man hinkommt, um das selbe geht. Dass die Menschen – vom Himalaya bis zum Amazonas – grundsätzlich das selbe suchen. Und, dass diese gemeinsame Sehnsucht die Basis ist, auf der man sich immer verstehen kann. Dass man wenig braucht, um glücklich zu sein. Dass man seinen Rucksack, egal, wie weit man wegfährt, doch nie los wird. Dass der immer zu schwer ist, und dass man eigentlich um so reicher ist, je mehr Dinge man hat, auf die man verzichten kann.

Letzte Frage: In Ihrer Vita steht, dass Sie auch Seglerin sind… Am ersten Mai-Wochenende gibt es Segelsport auf dem Schweriner See. Sind Sie selbst noch aktiv bzw. sportlich überhaupt noch rege?

Ulrike Hanitzsch: „Wettkampfmäßig“ bin ich schon lange nicht mehr aktiv, aber unser 15er Jollenkreuzer liegt – dank meiner Schwester – frischlackiert beim SSV. In den letzten zwei Jahren bin ich allerdings kaum zum Segeln gekommen, weil meine Tochter jetzt zweieinhalb Jahre und das Boot eher sportlich und nicht so optimal für kleine Kinder ist.
In Berlin sind wir öfter auf dem Wasser. Die ganze Familie segelt, und da fahren wir hier mit unseren Verwandten „ab und zu“ eine Runde. Nur kann der Tegler See natürlich mit dem Schweriner See nicht wirklich mithalten… Das Segeln fehlt mir daher sehr. Ich hoffe, dass ich dieses Jahr mehr dazu komme und auch einmal wieder mit einem Plätschern an der Bordwand aufwache. Wenn ich nicht genug Bewegung und frische Luft habe, bin ich nicht froh. Ich laufe viel und fahre quasi alles mit dem Rad ab.

Besten Dank und weiterhin maximale Erfolge – persönlich, künstlerisch und sportlich!
Die Fragen stellte Marko Michels

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