Kammermusik in der Schelfkirche

Viviane Hagners Meisterwerkstatt aus Kreisau zu Gast in MV

Quatuor Hermés (c) Julien Mignot, La Dolce Volta 1 kleinerAm Donnerstag, den 3. September um 19:30 Uhr gastiert das von Matthias von Hülsen ins Leben gerufene Projekt Krzyżowa-Music (Kreisau-Musik) unter der künstlerischen Leitung von Viviane Hagner mit einem hochkarätigen Kammermusikprogramm in der Schelfkirche Schwerin. Zu erleben sind ausgewählte „Krzyżowa-Juniors“, wie das Streichquartett Quatuor Hermès und der Trompeter Tamás Pálfalvi gemeinsam mit „Krzyżowa-Seniors“ wie den Festspielpreisträgern Viviane Hagner, Trio con Brio und Matthias Schorn. Auf dem Programm stehen Martinůs La Revue de Cuisine, Beethovens Streichquartett Nr. 11, Schumanns Klavierquintett Es-Dur sowie Werke von Schulhoff, Klein und Bartók. Für dieses Konzert sind noch Karten erhältlich, telefonisch unter 0385 5918585, unter www.festspiele-mv.de, an den bekannten Vorverkaufskassen oder an der Abendkasse, die um 18:30 Uhr öffnet.

Den Anfang macht Martinůs La Revue de Cuisine. Die Jazz-Suite führt die Zuhörer in die Küche. In dem Ballett-Pasticcio aus dem Jahr 1927 stellen die Tänzer alle möglichen Küchengeräte dar. Gideon Kleins Streichtrio wurde nur wenige Tage vor der Deportation des Komponisten nach Ausschwitz vollendet. In dem Werk greift der aus Mähren stammende Pianist kraftvoll und selbstbewusst auf mährische Volkslieder zurück und bearbeitet diese – vielleicht auch mit dem Ziel, die Melodien seiner Heimat den Nationalsozialisten zum Trotz zu erhalten. Weiter erklingt das Duo für Violine und Violoncello des jüdischen Komponisten Schulhoff. Das aus dem Jahre 1925 stammende Werk kann sich neben den Klassikern des Genres, Kodalys Duo von 1914 und Ravels Sonate von 1920/22, behaupten. Die Synthese aus Kunst- und Volksmusik gelang Schulhoff ebenso mühelos wie den großen Vorbildern, deren ungarische bzw. französische Färbung hier durch einen tschechischen Ton ersetzt wird. Der Kopfsatz von Bartóks Sonate für Violoncello solo Sz. 117 erinnert an Bachs d-Moll-Chaconne aus der 2. Partita BWV 1004, lässt aber auch Assoziationen an die ungarische Folklore durchschimmern. Beethovens Streichquartett Nr. 11 besticht vor allem durch einen rigorosen Aufbau. Anders als in früheren Werken der Gattung fehlen Überleitungen, Einleitungen und andere Passagen, die normalerweise dem Hörer helfen, die Struktur des Stückes zu erschließen. Mit dem im Oktober und November 1842 entstandenen Klavierquintett Es-Dur von Schumann, das der Komponist seiner Ehefrau Clara, die bei der Uraufführung im Rahmen einer bei den Schumanns gegebenen „Musikalischen Morgenunterhaltung“ am 8. Januar 1843 den Klavierpart übernahm, widmete, klingt der Abend aus.

Viviane Hagner (Foto: 2012 (c) Timm Kölln)Ins Leben gerufen vom Gründer und langjährigen Intendanten der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern Matthias von Hülsen und unter der künstlerischen Leitung der Festspielpreisträgerin und Geigerin Viviane Hagner, formiert sich in Kreisau (Krzyzowa, Polen) eine in Europa neue Art des Erfahrungsaustausches. Nach dem Vorbild von Marlboro-Music (USA) haben aufstrebende Nachwuchsmusiker („Juniors“) die Möglichkeit, durch Krzyżowa-Music mit weltberühmten und international gefragten Musikern („Seniors“) zusammen zu arbeiten, Erfahrungen und Gedanken auszutauschen und zu konzertieren. „Die Stärke Europas steckt in der Kraft seiner Kulturen.“ Diese Worte aus den Papieren des „Kreisauer Kreises“, einer der bedeutendsten Widerstandsgruppen in der Zeit des Nationalsozialismus, stehen hinter der Idee der Krzyżowa-Music: In Kreisau – einem Ort, der wie kaum ein anderer für Widerstand, Austausch, Kultur und Europa steht, kommen seit diesem Sommer weltweit etablierte Künstler mit jungen, aufstrebenden Musikern zusammen. Sie leben miteinander, tauschen sich aus, lassen sich von diesem besonderen Ort inspirieren und musizieren gemeinsam. Geigerin Viviane Hagner, künstlerische Leiterin des Projekts sagte: „Inspiriert durch meine langjährige Teilnahme an Marlboro-Music in Vermont und durch meine Mitarbeit im Kuratorium der Freya von Moltke-Stiftung für das Neue Kreisau habe ich Krzyżowa/Kreisau als den idealen Ort für ein derartiges Kammermusik-Festival in Europa entdecken können. Angeführt von Seniors aus Marlboro bringt sich eine große Zahl meiner Kollegen mit ein, in dieses neue europäische Musikprojekt.“

Die in München geborene Viviane Hagner gab mit 13 Jahren ihr internationales Debüt beim „Joint Concert“ in Tel Aviv mit dem Israel Philharmonic unter Zubin Mehta. Sie spielte u. a. mit den Bamberger Symphonikern, dem MDR Sinfonieorchester oder der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken, außerhalb Deutschlands mit Klangkörpern wie dem Cleveland Orchestra, dem BBC Symphony Orchestra oder dem Philharmonia Orchestra u. a. Schwerpunkt ihrer kammermusikalischen Aktivitäten ist das Duo mit ihrer Schwester Nicole Hagner am Klavier. Seit 2009 ist sie Professorin für Violine an der Universität der Künste Berlin. 2007 kam ihre erste Solo-CD mit Werken von Bartók, Hartmann und Bach heraus (Altara), 2010 folgte bei Hyperion eine CD mit Vieuxtemps’ Violinkonzerten Nr. 4 und 5.

Die Schelfkirche, die heute einzige stilreine Barockkirche Westmecklenburgs, wurde von 1708 bis 1713 nach Plänen von Jakob Reutz erbaut und war Nachfolger der um 1238 gestifteten Kirche St. Nikolai. Der gotische Vorgängerbau wurde um 1705 abgetragen, weil er offenbar sehr baufällig war: Ein Sturm hatte zwei Jahre zuvor seinen Turm umgerissen. Außerdem war er wohl für die neu geplante Stadtanlage der Schelfstadt zu klein und zu wenig repräsentativ. Die Grundform der Schelfkirche ist ein Kreuz mit stark abgekürztem Fuß und vorgesetztem Turm im Westen. In der Gruft ruhen Mitglieder des großherzoglichen Hauses Mecklenburg-Schwerin, darunter die 1735 verstorbene Sophie Luise, Königin von Preußen.

Quelle: Festspiele MV

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