„Kinderarmut ist Elternarmut !“

Nachgefragt bei der Opposition im Land:  Regine Lück, stellvertretende Vorsitzende und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Landtag Mecklenburg-Vorpommern.

Regine LückFrage: Am Freitag tagt das Erwerbslosenparlament im Schweriner Schloss, die Vertretung, das Sprachrohr für Betroffene im Land. Welche Bedeutung messen Sie, Frau Lück, dem Erwerbslosenparlament bei?

Regine Lück: Das Erwerbslosenparlament ist für unser Land und für die Landespolitik eine wichtige Einrichtung, vertritt es doch mehr als 40 Organisationen, Vereine, Beschäftigungsgesellschaften und landesweite Bündnisse. Darüber hinaus arbeitet es im Landesbeirat sowie den 4 Regionalbeiräten zur Umsetzung des Landesarbeitsmarktprogramms mit und gibt wichtige Impulse und Hinweise. Für mich persönlich ist es fester Bestandteil meiner politischen Arbeit im Parlament und außerhalb.

Frage: Gegenwärtig leben in Deutschland rund fünf Millionen Kinder an oder unter der Armutsgrenze. Viele Kinder stammen dabei – allerdings nicht nur – aus Familien, in denen zumindest ein Elternteil erwerbslos ist. Allerdings nimmt selbst in Familien, in denen zumindest der Vater oder die Mutter eine Arbeitsstelle hat, die Armut zu …
Wie beurteilen Sie diesbezüglich die soziale Lage der Kinder in M-V?

Regine Lück: Kinderarmut ist Elternarmut, sagt das Erwerbslosenparlament in diesem Jahr und hat schon vor 2 Jahren eine Landesinitiative gegen Armut gefordert. Auch die Landesarmutskonferenz, ebenfalls im Erwerbslosenparlament vertreten, hat schon seit vielen Jahren auf diesen unverantwortlichen Zustand aufmerksam gemacht. Durch die Niedriglohnpolitik der letzten Jahre und durch  Hartz IV ist die Armut auch in unserem Bundesland gestiegen. Die Hartz IV-Regelsätze sind alle falsch und nicht bedarfsgerecht ermittelt worden. Wenn Kinder in einem der reichsten Länder der Erde in Armut leben müssen und deshalb in ihren Entwicklungsmöglichkeiten behindert werden, dann ist das ein Skandal und hat nichts mit Kinder- und Familienfreundlichkeit zu tun, sie raubt ihnen die Chance auf Teilhabe.

Frage: Die soziale Lage könnte sich, wenn die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise auch in M-V noch spürbarer werden, weiter verschärfen. Prognosen gehen davon aus, dass die Arbeitslosigkeit ebenfalls im Nordosten erheblich zunimmt. Wie beurteilen Sie die allgemeine soziale Entwicklung in M-V?

Regine Lück: Wie soll sich die soziale Entwicklung vollziehen, wenn die Arbeitslosigkeit steigt, die Einnahmen der Sozialkassen und die Steuereinnahmen des Bundes, der Länder und der Kommunen in Folge der Krise sinken? Der Bund macht neue Schulden, die wir alle bezahlen müssen, die Kaufkraft sinkt, die Kommunen streichen bei den sogenannten freiwilligen Leistungen, die Bundesagentur für Arbeit wird nur das Nötigste tun, alle müssen sparen und die Langzeitarbeitslosen, die Arbeitnehmer, die Kinder und die Rentner müssen die Zeche bezahlen, die sie nicht zu verantworten haben. Für das, was nötig wäre, nämlich für Investitionen in unsere Kinder und in die Schaffung von Beschäftigungsverhältnissen ist angeblich kein Geld da, wieder einmal. So werden wir den Kreislauf von Armut, Benachteiligung und Ausgrenzung nicht durchbrechen, sondern immer neue Ausgrenzung produzieren.

Frage: Die SPD musste für ihre Reformpolitik seit 1998 einen hohen Preis bezahlen — Mitgliederschwund, verlorene Landtagswahlen, Vertrauensverlust bei den Bürgern, eine ausgedünnte Personaldecke und zuletzt ein Desaster bei der Bundestagswahl. Muss sich – aus Ihrer Sicht – die SPD, immerhin Ihr ehemaliger Koalitionspartner in M-V, von ihrer Agenda-Politik verabschieden?

Regine Lück: Eindeutig, ja. Die SPD müsste inzwischen erkannt haben, dass die Agenda-Politik der falsche Weg war. Die vielen Parteiaustritte, die Gründung der WASG und die Wahlniederlagen sind eindeutige Zeichen dafür. Leider hat die SPD noch nicht den Mut, diesen Weg als Fehler zu bezeichnen.

Frage: Schwarz-Gelb hat sich in den Koalitionsverhandlungen eher sozial orientiert gezeigt. Sind CDU, FDP und vor allem CSU mittlerweile doch sozialer „eingestellt“?

Regine Lück: Nein. Allerdings haben alle drei Parteien erkannt, dass man das Soziale nicht vergessen darf, dass es für die Wählerinnen und Wähler wichtig ist, wie man sich als Partei zu sozialen Fragen verhält.

Frage: Angenommen die Linke schafft 2011 eine Regierungsbeteiligung in M-V. Wie sähe Ihr (soziales) Sofortprogramm aus?

Regine Lück: Wir werden nicht erst bis 2011 warten, um politisch mögliche Alternativen aufzuzeigen. Im Moment befinden wir uns im Landtag in den Haushaltsberatungen für die Jahre 2010/2011 und schon dort werden wir mit unseren Anträgen zeigen, welche Vorstellungen wir haben. Die Europäischen Fonds müssen anders aufgestellt werden, um Beschäftigung zu finanzieren und wir müssen mehr in Bildung, Kultur und die Kitas investieren, damit alle Kinder in unserem Land von Anfang an gute Entwicklungschancen haben.

Marko Michels

Foto: Regine Lück.

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