Kinderschutz-Fachkräfte absolvierten Qualifizierungsprogramm

„Es geht um ein neues Selbstverständnis“

In einem umfangreichen Qualifizierungsprogramm haben Fachkräfte aus der Jugendhilfe, dem Bildungs- und Gesundheitswesen seit Oktober vergangenen Jahres den Kinderschutz in Schwerin unter die Lupe genommen, um aus den in der Vergangenheit gemachten Fehlern zu lernen. Am 18. und 19. Mai  fand die vorläufig letzte Veranstaltung statt.

Schwerin sei im Kinderschutz einen großen Schritt vorangekommen, schätzt der Sozialpädagoge Kay Bliesel ein, der den Diskussionsprozess wissenschaftlich begleitet hat. So hat das Jugendamt, gestützt durch die politisch Verantwortlichen, maßgeblich in die fachliche Kompetenz an der Basis investiert.  Zudem seien Strukturen für „Frühe Hilfen“ entstanden. „Genauso wichtig ist es, für ein positiveres Image des Jugendamts in der Stadt Schwerin zu sorgen. Das Jugendamt ist nicht nur die viel beklagte Eingriffsbehörde. Dort sind kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angestellt, die vor allem Eltern bei der Erziehung und Bildung ihrer Kinder im familiären Umfeld unterstützen wollen.“

Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow begrüßte den in Gang gekommenen Diskussionsprozess. „Es ist wichtig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Qualitätswerkstatt die Möglichkeit erhalten haben, sich mit den neuesten Strategien des Kinderschutzes auseinanderzusetzen, um sich besser mit ihrer eigenen Arbeit auseinandersetzen zu können. Dabei wurden wir von den Wissenschaftlern ausdrücklich ermutigt, neue Wege in der Kinder- und Jugendhilfe zu gehen.“

„Die primären Kinderschützer sind die Eltern. Deshalb kann Kinderschutz nur gemeinsam und im fairen Austausch mit ihnen gelingen. Wer im Kinderschutz Erfolg haben will, muss gemeinsam mit den dafür verantwortlichen Berufssystemen und Organisationen sowohl Hilfen im Vorfeld als auch Nothilfen im akuten Gefährdungsfall bereitstellen“, so Prof. Dr. Reinhart Wolff, Leiter des vom Nationalen Zentrum für Frühe Hilfen in Auftrag gegebenen Forschungs- und Praxisentwicklungsprojekts „Aus Fehlern lernen – Qualitätsmanagement im Kinderschutz“.

Wie Wolff weiter betonte, können schwerwiegende Fehler im Kinderschutz in aller Regel nicht einer einzelnen Fachkraft zugeschrieben werden. „Wenn ein Kind trotz Kenntnis des Jugendamtes, der Schule oder der Kindereinrichtung zu Schaden kommt oder sogar stirbt, dann sind zuvor oftmals viele kleine Fehler passiert. Dann ist es beispielsweise nicht gelungen – aus welchen Gründen auch immer – mit den Eltern und dem ganzen Umfeld fair, solidarisch und fachlich kompetent zusammenzuarbeiten.“

Nach Auffassung des Berliner Erziehungswissenschaftlers, der das Schweriner Qualifizierungsprogramm mit seinem Team vom Kronberger Kreis für Qualitätsentwicklung gestaltet hat,  geht es um eine neues Selbstverständnis, ein neues Profil von Sozialarbeit: „Der alte Ansatz, die Arbeit immer weiter zu verregeln, neue Vorschriften zu erlassen, bringt nicht das, was man sich erhofft, nämlich die Hilfe für Familien in Not nachhaltig zu verbessern.“ Dabei seien die Rahmenbedingungen für die Arbeit auch durch gesellschaftliche Veränderungen schwieriger geworden: „Es wird noch viel zu selten thematisiert, dass Kinder und Eltern insbesondere deshalb gefährdet sind, weil die gesellschaftlichen Bedingungen des Aufwachsens alles andere als optimal sind und sich für die untersten Schichten der Benachteiligten, Arbeitslosen und Armen sogar noch weiter verschlechtert haben.“

Innerhalb des für Schwerin beispiellosen Qualifizierungsprogramms zum Thema Kinderschutz haben Fachkräfte  aus der Landeshauptstadt und den Landkreisen Parchim, Uecker-Randow und Ostvorpommern unter der Überschrift „Was wirklich zählt“ neue konzeptionelle Ansätze zur Schweriner Kinderschutzarbeit erarbeitet. Die Bemühungen für eine verbesserte Zusammenarbeit im Kinderschutz spielen dabei eine zentrale Rolle, was auch den Ausbau und die Gestaltung eines kooperativen und organisationsübergreifenden Qualitätsmanagements mit einschließt. „Wir alle müssen in der Stadt Schwerin gemeinsam dafür Sorge tragen, dass wir auf ein stabiles und tragfähiges Netzwerk aller Akteure im Kinderschutz zurückgreifen können“, heißt es in dem Papier.

Michaela Christen

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