Landesbischof Dr. von Maltzahn – Gedanken und Anmerkungen zum Weihnachtsfest

„Für Ungerechtigkeit und Gewalt sind wir Menschen verantwortlich …“

Fragen an Landesbischof Dr. Andreas von Maltzahn zum Weihnachtsfest, zur aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung und zur gegenwärtigen Werte-Diskussion

Frage: Herr Landesbischof, Weihnachten ist das Fest der Geburt Jesu Christi, ein Fest damit auch der Menschwerdung Gottes. Aber: Schaut man sich die Welt des Jahres 2008 an, täglich sterben mehr als 30000 Kinder auf der Welt, toben in den verschiedensten Teilen des Planeten fast 50 Kriege bzw. kriegsähnliche Handlungen, ist Terror und Gewalt allgegenwärtig, kann sowie darf man da überhaupt Feste feiern ?!

Landesbischof von MaltzahnDr.Andreas von Maltzahn: Ich finde, es kommt darauf an, auf welche Weise wir unsere Feste feiern – ob wir das Elend feiernder Weise verdrängen oder ob wir ein Stück Solidarität mit den Armen üben und feiernd die Hoffnung stärken, dass die Welt nicht so bleiben muss, wie sie jetzt ist. Letzteres ist nah bei der Geschichte von Weihnachten:

Jesus wird nicht in einem königlichen Palast geboren, sondern in der Futterkrippe eines Viehstalls. Hirten, damals Habenichtse von zweifelhaftem Ruf, hören als erste die Botschaft, dass Gott uns Menschen nahe kommen und unser Leben verwandeln will. Als Kind muss er vor Verfolgung ins Ausland fliehen. Sein Leben gilt vor allem den Verlierern und Außenseitern. Auch deshalb geben viele Menschen am Heiligen Abend in den Kirchen gern eine Spende für die Hilfsorganisation „Brot für die Welt“.

Frage: Auch in Deutschland ist die „Welt nicht in Ordnung“. Dank der Gier und des Größenwahns einiger Finanz-Jongleure schlitterte Deutschland nicht nur in eine Finanzkrise, nein, es droht eine wirtschaftliche Rezession mit nicht abzuschätzenden Folgen. Werte, Ideale und der christliche Glauben scheinen im Deutschland des Jahres 2008 nicht mehr viel zu zählen … Wie ist Ihre Meinung zur aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung ?

Dr.Andreas von Maltzahn: Es ist gut, dass angesichts der Finanzkrise wieder verstärkt nach Werten und Idealen gefragt wird. Aber diese Krise ist nur die Spitze des Eisbergs einer schon lange dauernden Gerechtigkeitskrise: Ich meine die weltwirtschaftlichen Verhältnisse, die arme Länder in der Entwicklung hemmt und reiche Länder wie die EU immer noch begünstigt. Vergleichbare Ungerechtigkeit gibt es auch innerhalb unseres Landes. Wenn wir Veränderungen wollen, braucht es unter uns allen einen Bewusstseinswandel: Nur wenn wir bereit sind, uns mehr Gerechtigkeit auch etwas kosten zu lassen, werden politisch Verantwortliche den Mut haben, etwas zu ändern.

Frage: In Sonntagsreden werden Kinder oft als unsere Zukunft tituliert. In der Realität ist dieses Land leider nicht sehr kinderfreundlich. In manchen Einrichtungen hat man bisweilen den Eindruck, als gelte dort: Hunde und am besten auch Kinder draußen bleiben … Zudem: Kinder aus sozial schwachen Familien haben oftmals auch im späteren Leben kaum große Chancen. Müßte da die Kirche nicht auch „lauter“ in Richtung politische und wirtschaftliche Verantwortungsträger auftreten?

Dr.Andreas von Maltzahn: Wir mischen uns ja ein in die gesellschaftlichen Debatten. Wie „laut“ das erscheint, ist manchmal auch eine Frage, wie dieses von den Medien aufgenommen wird. Mir ist aber auch wichtig, dass wir nicht nur Kinderfreundlichkeit einklagen, sondern etwas dafür tun. Viele ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeitende in Kirche und Diakonie gestalten Woche für Woche schöne Angebote für Kinder, lassen sie Zuneigung erfahren oder bieten Urlaubsfahrten an, bei denen niemand aus finanziellen Gründen zu Hause bleiben muss. Kindergärten und Schulen in evangelischer Trägerschaft leisten einen wichtigen Beitrag für mehr Bildungschancen in unserem Bundesland.

Frage: Angesichts des Elends, der Gewalt und der vielen Ungerechtigkeit auf dieser Welt könnte man schnell jeglichen Glauben verlieren – nach der Devise „Warum ließ Gott das alles zu ?“ … Wie würden Sie die Zweifelnden überzeugen wollen, dass der Verlust des Glaubens den Verlust des eigentlichen Menschlichkeit bedeuten kann … Vielleicht sehen Sie das jedoch ganz anders?

Landesbischof von MaltzahnDr.Andreas von Maltzahn: Zunächst einmal finde ich, dass man angesichts des Elends Fragen an die Menschlichkeit des Menschen stellen muss, denn für Ungerechtigkeit und Gewalt sind wir Menschen verantwortlich. Bevor man nach dem Eingreifen Gottes ruft, sollte man sich prüfen: Habe ich schon alles in meiner Macht Stehende getan – zum Beispiel dagegen, dass Menschen verhungern? Ein Euro pro Tag kostet eine Kinderpatenschaft, die ein Leben rettet.

Was das Eingreifen Gottes anbelangt, so glaube ich: Gott hat sich entschieden uns nicht als Marionetten zu schaffen, sondern als freie Menschen. Gott zieht nicht an den Fäden und lässt die Puppen tanzen, sondern ermutigt uns zu verantwortlichem Handeln. Sein guter Geist bewegt viele Menschen, sich für eine menschlichere Welt einzusetzen.

Frage: Zu Weihnachten werden die Kirchen, ob katholisch oder evangelisch, wieder zahlreiche Besucher haben. Im TV werden Action-Filme gezeigt, in den Diskotheken wird ausgiebig getanzt und gefeiert. Ist Weihnachten hierzulande nur noch Folklore ? Ist die Mehrzahl der Menschen geschichts- und glaubensvergessen geworden ? Oder: Sind Sie tolerant und sagen: Warum soll am Weihnachtsfest nicht auch getanzt werden ?

Dr.Andreas von Maltzahn: Da muss ich gar nicht tolerant sein. Warum sollte man zu einem Fest nicht tanzen? Ich wünsche nur allen Menschen, dass sie zu Weihnachten auch innerlich zur Ruhe kommen und der guten Sehnsucht ihrer Seele folgen können.

Letzte Frage: Wie sieht ein Weihnachtsfest bei der Familie Maltzahn eigentlich aus ?

Krippe / WM WismarDr.Andreas von Maltzahn: Am Heiligen Abend vertrete ich eine erkrankte Pastorin auf dem Land bei zwei Christvespern. Danach freue ich mich auf die Lichter am Weihnachtsbaum und die Bescherung zu Haus. An den Feiertagen werde ich predigen, Verwandte treffen und in neuen Büchern schmökern.

Sehr geehrter Herr Landesbischof Dr. von Maltzahn, Ihnen und Ihrer Familie ein frohes, besinnliches und abwechslungsreiches Weihnachtsfest – wie auch allen Schwerinerinnen und Schwerinern (und nicht nur diesen) !

Die Fragen stellte: Marko Michels.
> Termine zu Weihnachtsgottesdiensten im Land sind unter www.kirche-mv.de (Link „Weihnachtsgottesdienste“) zu finden.

F.: Dr. A. von Maltzahn – kirche-mv.de (2) / Impression vom Weihnachtsmarkt in Wismar – M.M.

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