Literaturmesse in Schwerin am 24. April

Vor mehr als 90 Jahren veröffentlichte der Heimatschriftsteller Wilhelm Christian Harms sein erstes Buch

BibliothekAm 23. April 2010 ist es endlich wieder so weit: Deutschlandweit feiern Buchhandlungen, Verlage, Bibliotheken, Schulen und Leseratten am UNESCO-Welttag des Buches ein großes Lesefest und teilen ihre Begeisterung für Bücher. Einen Tag später, am 24.April, wird es auch in der Landeshauptstadt M-V eine Literaturmesse geben, die zwischen 10.00 Uhr und 20.00 Uhr in der Volkshochschule stattfindet.

Unweit des Schelfmarktes, einst Wohnsitz des Heimatschriftstellers Wilhelm Christian Harms …

Ein Heimatschriftsteller, der über den Tellerrand hinausblickte …

Wilhelm Christian Harms, Jahrgang 1881, gehörte 1945/46 zu jenen mecklenburgischen Sozialdemokraten – im Gegensatz z.B. zum kompromisswilligen Carl Moltmann – die offen gegen eine Vereinigung mit der KPD auftraten und die aufgrund eines durch Kontinuität und Brüche gekennzeichneten Lebenslaufes insbesondere auch die wechselhafte Geschichte der mecklenburgischen SPD dokumentierten.

Ein Natur-Talent für alte und neue Sprachen

Harms, Sohn eines Bahnarbeiters, besuchte zunächst – 1887 bis 1895 – die Dorfschule in Hagenow-Heide. Seine Begabung für alte und neue Philologien wurde bereits im frühen Kindesalter deutlich, gerade die Leistungen im Deutschunterricht waren überdurchschnittlich. Beachtlicherweise lernte Harms erst in der Schule „Hochdeutsch“ und entwickelte sich daraufhin zu einem Meister sowohl des „Nieder-„ als auch des „Hochdeutschen“.

Vor mehr als 90 Jahren – Veröffentlichung seines ersten Buches

Aufgrund seiner hervorragenden Leistungen während der Hagenower Schulzeit wurde er anschließend für ein siebenjähriges Lehrerseminar in Neukloster vorgeschlagen, das er ebenfalls mit „Bravour“ abschloss. In den Jahren 1904 bis 1926 war er dann u.a. als Lehrer in Lübtheen, danach bis 1945 an einer Schule in Schwerin tätig – für Harms wahrscheinlich eine Arbeit, welche ihn nicht ganz ausfüllte, denn er konnte 1919 sein erstes Buch „Das Madtum Dörte Brüsehavers“ veröffentlichen.

Fleißiger Schriftsteller

Wilhelm Harms war ein äußerst fleißiger und vielseitiger Schriftsteller. Bis zu seinem Tod 1977 schrieb er über 30 Romane, Erzählungen und auch Novellen: Darunter Titel wie  „Die starken Godenraths“, „Das Kollegium von Kleckerfeld“ und „Um den Werksternhof“. Zu einem großen Erfolg avancierte sein gesellschaftskritisches Drama „Leibeigen“, welches sogar am 29.September 1934 am Mecklenburgischen Staatstheater aufgeführt wurde.

Gegner von Nazis und Kommunisten gleichermaßen

Harms gehörte in Mecklenburg während der braunen Diktatur zu den konsequentesten Gegnern der Nazis. Er war Mitglied einer Freimaurerloge und trat einem Schweriner Friedensverein bei. Als ehemaliger politischer Aktivist der konservativen Deutschen Partei in Mecklenburg, der Harms von 1919 bis 1933 angehörte, wurde er von der Gestapo intensiv überwacht.

Einem Teil der nationalsozialistisch gesinnten Lehrerschaft in Schwerin missfiel insbesondere Harms` ablehnende Haltung hinsichtlich der Einbeziehung von NS-Propaganda in den Unterricht. So schreibt der mecklenburgische Schulrat in einer Beurteilung vom 27.Januar 1936 „zur Unterrichtsgestaltung des Wilhelm Harms“ folgendes: „ … Die Gedichte (während des Literaturunterrichtes) waren nicht zeitgemäß. Der Aufenthalt Luthers auf der Wartburg forderte zum Vergleich mit der Festungshaft des Führers in Landsberg geradezu heraus. Der Lehrer (C.W.Harms) ließ diese Gelegenheit, Gegenwartsunterricht zu erteilen, ungenutzt …“.

Ebenso mutig entzog sich Wilhelm Harms einer Mitgliedschaft in der NSDAP. Dazu notierte Harms in seinem Lebenslauf: „ … Mitglied der NSDAP bin ich nicht gewesen, habe vielmehr eine Aufforderung des Ortsgruppenleiters, die Aufnahmepapiere auszufüllen – es muß im Jahre 1934 gewesen sein – ohne weiteres abgelehnt …“.

Zwischen 1944 und 1945 wurde Harms auch kurzzeitig inhaftiert. Nach Kriegsende 1945 engagierte sich Wilhelm Harms zusammen mit Hans Manthey, dem Leiter der „Allgemeinen Verwaltung“ bei der Abteilung „Kultur und Volksbildung“ innerhalb der mecklenburgischen Landesverwaltung, und mit Karl Schneeberg, dem ehemaligen Schweriner Landtagsabgeordneten, für einen demokratischen Neubeginn in der mecklenburgischen Kultur- und Bildungspolitik ein.

Christian Wilhelm Harms wurde im Herbst 1945 Schulrat und im Februar 1946 Oberregierungsrat in der Landesverwaltung in Schwerin und trat der Partei bei, die nach seiner damaligen Ansicht den Nazis am weitesten widerstanden hatte – der SPD.

Repressalien nach 1945

Doch schnell spürte Wilhelm Harms, dass sein politischer Handlungsspielraum unter der russischen Besatzungsmacht sehr begrenzt war. Die sowjetische Militäradministration nahm vehement Einfluß auf die politische und gesellschaftliche Entwicklung in M-V – oft zugunsten der KPD unter Führung von Gustav Sobottka, Bernhard Quandt und Kurt Bürger.

In der Frage des obligatorischen, flächendeckend angebotenen Religionsunterrichtes an den Schulen, in der Problematik des „überparteilich, unabhängigen Charakters“ des Kulturbundes oder in der freien Entfaltung des mecklenburgischen Literaturwesens kollidierte die Meinung von Wilhelm Harms oder Hans Manthey mit den Ansichten der russischen Besatzungsmacht und der KPD. Erneut mußte Harms Bespitzelungen seiner Person hinnehmen – dieses Mal durch die russische Geheimpolizei.

Flucht von Schwerin nach Westdeutschland

Im August 1947 erhielt Wilhelm Harms vom Leiter des mecklenburgischen Unterrichtsministeriums in Schwerin, Gottfried Grünberg (vormals KPD), folgende Information, die Grünberg vertraulich von der sowjetischen Militäradministration erhalten hatte: „Der Oberregierungsrat Säuberlich, der einige Kreise in Vorpommern zu betreuen hatte und er (Harms) seien zum 1.Oktober 1947 durch die Vertreter der sowjetischen Administration vom Stellenplan abgesetzt worden, weil sie politisch nicht länger tragbar waren und nicht zuverlässig seien“.

In seinen „Erinnerungen“ hielt Harms zum Gespräch mit Gottfried Grünberg daraufhin fest: „In zwei Monaten saß ich also auf der Straße, vielleicht irgendwo am Eismeer. – `Halten Sie (Herr Grünberg) es für wahrscheinlich, dass mir (Wilhelm Harms) die GPU (russische Geheimpolizei) eine Vorladung schickt ?` – `Ich (Gottfried Grünberg) glaube diese Frage bejahen zu müssen.` – `Und was wird dann ? ` (so Harms) – Ein Achselzucken (von Gottfried Grünberg) war die Antwort.“

Am 18.August 1947 gelang dann mit Hilfe seiner beiden Söhne Herbert und Jürgen die hochdramatische, schwierige Flucht von Schwerin über Herrnburg nach Hamburg, Tochter Brigitte und Mutter Hildegard zurücklassend, … die Familie zerreißend.“

Aber angesichts der weiteren Repressalien der russischen Militäradministration hatte Wilhelm Harms keine andere Alternative als die Flucht nach Westdeutschland.

Das traurige Schicksal seines politischen Weggefährten und KPD-Gegners, des Hagenower Landrates Bernhard Pfaffenzeller, 1949 verhaftet, ins sowjetische Arbeitslager Solikamsk im Nord-Ural deportiert und unter unmenschlichen Haft- und Arbeitsbedingungen im gleichen Jahr gestorben, berührte Harms sein Leben lang.

Er selbst starb am 27.Dezember 1977 in Hannover. In Schwerin wohnte er bis 1947 am Schelfmarkt.

Marko Michels

Foto: Stadtbibliothek Schwerin.

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