Medusenschlangen unter dem Mikroskop

Galerie Alte & Neue Meister Schwerin zeigt von Peter Paul Rubens gemaltes Haupt der Gorgo Medusa

Die Medusa mit dem Schlangenhaupt, von vielen Künstlern dargestellt, ist ein Sinnbild des Schreckens. Vor ihrem grausamen Ende war Gorgo Medusa der griechischen Mythologie zufolge eine schöne Frau. Der Meeresgott Poseidon verführte Gorgo im Palast der Pallas Athene. Zornig verwandelte die Göttin der Weisheit daraufhin die Haare der Sterblichen in Schlangen, woraufhin jeder, der sie ansah, vor Schrecken zu Stein erstarrte. Nur Perseus, Sohn des Zeus, konnte die Medusa bezwingen, denn er betrachtete nicht sie, sondern ihr Spiegelbild in seinem glänzenden Schild.

Peter Paul Rubens, Das Haupt der Medusa, um 1618 © Moravská Galerie v Brně (Moravische Galerie Brno)

1629/30 sah Constantijn Huygens d. Ä., Sekretär des Prinzen Frederik Hendrik von Oranien, Diplomat, Humanist, Wissenschaftler und Kunstfreund, das 1617/1618 von Peter Paul Rubens gemalte Haupt der Medusa im Haus seines Freundes Nicolaas Sohier, eines reichen Händlers und Steuerbeamten in Amsterdam, und bemerkte: „Das noch immer angenehme Antlitz einer Frau, die bis eben sehr schön gewesen ist, der schreckliche Anblick des gerade eingetretenen Todes und die abstoßendsten Reptilien sind mit so unbeschreiblichem Können gemischt, dass der Betrachter von plötzlichem Schrecken getroffen wird [und] sich zugleich an der lebensechten und berührenden Grausamkeit des Themas erfreut. Allerdings ziehe ich es vor, über dieses [Werk] im Haus eines Freundes zu schwärmen als in meinem eigenen …“

Es sind die Schlangen, die Medusas Haupt so abstoßend machen. Das aus ihrem Hals rinnende Blut erzeugt weitere sich ringelnde, züngelnde Schlangen, mit denen der Mensch seit dem Sündenfall auf Kriegsfuß steht. Ebenso wenig stehen die anderen von Rubens dargestellten Tiere in der Gunst des Menschen: Kröten, Lurche, Spinnen, Käfer und Würmer; alle werden sie unter dem Begriff ‚Ungeziefer‘ zusammengefasst und nicht recht als Tiere anerkannt.

Otto Marseus van Schrieck wendet den Spiegel seiner Kunst auf eben diese Dunkelwelt des Ungeziefers. Dabei ist er nicht allein. Es ist die Zeit, in der sich scharfsinnige Gelehrte der Untersuchung der Natur widmen. Eben diese Tiere und Pflanzen, die der Bibel unbekannt waren, werden im 17. Jahrhundert mit geschliffenen Linsen und neu erfundenen Mikroskopen entdeckt und untersucht. Und es sind die Künstler, die der Welt die Neuigkeiten mitteilen, denn auch der beste Linsenschleifer und Forscher ist von Menschen abhängig, die seine Erkenntnisse verbreiten. Künstler hatten somit wesentlichen Anteil an der Formulierung eines neuen Weltbildes, das sich nicht mehr aus der Weisheit alter Schriften speiste, sondern erstmals auf dem systematischen Studium der Natur aufbaute, sie buchstäblich unter die Lupe nahm.

Rubensʼ Komposition ist in zwei Exemplaren aus seiner Werkstatt hervorgegangen. Nicht nur der Patrizier Sohier in Amsterdam besaß eines, sondern auch der mächtige Herzog von Buckingham in England. Beide Versionen scheinen erhalten zu sein, zum einen in dem Leinwandbild im Kunsthistorischen Museum Wien, zum anderen in der in dieser Ausstellung gezeigten Holztafel, für die Schweriner Ausstellung geliehen aus der Moravská Galerie in Brno, Tschechien. Bislang ging die Forschung davon aus, dass sich in Wien die Erstfassung des Werkes befinden müsse, weshalb das Brnoer Bild weitgehend unbeachtet blieb. Die Untersuchung des nun erstmals außerhalb von Brno ausgestellten Gemäldes hat jedoch ergeben, dass auf dem Werk Pentimenti, also Korrekturen durch den Künstler, zu sehen sind, die er während des Malprozesses machte. Pentimenti aber würden nicht auf einer Zweitfassung zu sehen sein. Da zudem bekannt ist, dass der bevorzugte Malgrund von Rubens Holz und eben nicht Leinwand war, könnte es sich bei dem tschechischen Bild um die Erstfassung handeln. Schon diese Neuentdeckung eines Rubens lohnt die Reise nach Schwerin.

 

[box]Die Menagerie der Medusa

Otto Marseus van Schrieck und die Gelehrten

Ausstellung in der Galerie Alte & Neue Meister Schwerin 7. Juli bis 15. Oktober 2017

Di – So 11 – 18 Uhr

Do Rendezvous 18 – 20 Uhr[/box]

 

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