Nach den Wahlen ist vor der Regierungsbildung

Die Schweriner Christdemokratin Dorin Müthel-Brenncke über das Wahljahr 2011, die Resultate in M-V, ihr persönliches Ergebnis und ihre Hoffnungen für Rot-Schwarz in M-V

Die Wahlen in diesem Jahr sind Geschichte. Und sie brachten die verschiedensten Sieger und Besiegte mit sich. Während zum Auftakt in Hamburg die SPD mit Olaf Scholz die Bürgerschaftswahl  klar mit absoluter Mehrheit gewann, wurde die CDU im März deutlich stärkste Kraft in Sachsen-Anhalt. Die SPD wurde hinter der Linkspartei nur Dritter.

Im März gab es auch die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. In Baden-Württemberg blieb die CDU – trotz Verlusten – klarer Gewinner, musste die Macht aber an Bündnis`90/Die Grünen bzw. die SPD abgeben, die knapp zusammen die Mehrheit im neuen Landesparlament gemeinsam errangen. Die FDP verlor in ihrem Stammland  exorbitant, schaffte nur mit Mühe den Einzug in den Landtag. Nur ganz knapp konnte der „ewige Regierungschef“ in Mainz, Kurt Beck, gewinnen. Julia Klöckner von der CDU war ihm dicht auf den Fersen.

Bei den Kommunalwahlen in Hessen war dann die CDU die Nummer eins mit 33,7 Prozent der Stimmen vor der SPD mit 31,5 Prozent, wobei beide Parteien ziemlich deutliche Verluste hinnehmen mußten. In Bremen siegte dann erwartungsgemäß Rot-Grün. Bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen im September triumphierte die CDU trotz Verlusten mit 37 Prozent, die SPD mit leichten Verlusten erreichte 34,9 Prozent.

 In M-V siegte dann die SPD deutlich vor der CDU. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus in Berlin verlor die SPD viel Zustimmung, blieb aber vorn. Die CDU legte zu, wurde zweitstärkste Partei.
Sowohl in Schwerin als auch in Berlin gibt es Große Koalitionen, wobei der Erfolg der Piratenpartei in Berlin für Schlagzeilen sorgte.

Bei letzten Umfragen bundesweit liegt die CDU zusammen mit der CSU bei 32 Prozent, die SPD kommt auf 28 Prozent, die Grünen liegen bei 16 Prozent, verlieren stetig an Zustimmung, die Piraten sind bei 9 Prozent, die Linkspartei liegt ebenfalls bei 9 Prozent, die FDP erholt sich nach einer langen Durststrecke von 2 Prozent auf 4 Prozent. Auch im Bund liefe, wie in M-V, alles gegenwärtig, im Moment, auf eine Große Koalition hinaus. Nur: Diese würde unter Führung der CDU sein. In M-V heißt demnächst der neue Regierungschef wie der alte – Erwin Sellering (SPD).

Aber wie sieht Dorin Müthel-Brenncke, die Geschäftsführerin der CDU-Mittelstandsvereinigung und Unternehmerin die politischen Resultate des Jahres

„Die Leute wollen keine ferngelenkten ‚Männchen‘ oder ‚Weibchen‘ ohne Konturen …“

Frage: Das Wahljahr 2011 ist gelaufen. Bei den wichtigsten Wahlen in Deutschland wurde die CDU viermal die Nummer 1 (Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Hessen, Niedersachsen), die SPD war fünfmal Erster (Hamburg, Bremen, Berlin, Rheinland-Pfalz, M-V).
Wie lautet Ihr Resümee zu den „Urnengängen“ 2011 allgemein und persönlich?

Dorn Müthel-Brenncke: Na, ich beginne einmal mit dem persönlichen Resümee … Natürlich hätte ich mir in meinem Wahlkreis ein besseres Ergebnis gewünscht, vor allem weil ich im Vorfeld der Wahlen, auch im Hinblick auf meinem Wahlkampf viel positive Resonanz erfuhr. Ich habe mich auch selbstkritisch gefragt, woran lag es … Den Leuten goldene Versprechungen machen – das wollte ich nicht. Ich wollte auch nicht die CDU-Vorzeige-Dame spielen, die allen nach dem Mund redet. Da gibt es ja hervorragende Akteurinnen in anderen Parteien.

Nein, ich habe auch unangenehme Wahrheiten ausgesprochen, auch wenn diese zurzeit nicht „Mainstream“ sind. Mitunter muß man auch Gegenwind aushalten, das macht erst richtig stark. Und auf Dauer wollen die Menschen auch keine Politiker, die ihre (Meinungs-)Fahne nach dem Wind dreht. Das mag kurzfristig Erfolg mit sich bringen, auf Dauer sicher nicht. Letztendlich schaden weichgespülte Politiker mit dem aufgesetzten Lächeln der Demokratie eher als sie diese stärken.

Immerhin ist die SPD hierzulande bisher am längsten an der Macht – und was sind die Resultate?! Erst als die CDU wieder mit am Regierungsruder war, ging es wirtschaftlich bergauf. Nach acht Jahren Lethargie unter Rot-Rot von 1998 bis 2006 ist es schon beachtlich, was die CDU in der Wirtschaftspolitik und in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für M-V bewegen konnte.

Frage: Haben Sie vielleicht die Nöte und Sorgen der Menschen in Ihrem Wahlkreis nicht ausreichend thematisiert?

Dorin Müthel-Brenncke: Als Landesgeschäftsführerin der CDU-Mittelstandsvereinigung, als Unternehmerin und als Schwerinerin, die diese Stadt wirklich ungemein mag, weiß ich von den Nöten der Leute in der Stadt, ganz gleich, ob es sich um Mittelständler handelt oder unverschuldet in Not geratene Hartz IV-Empfänger. Schönreden der Stadt hilft eben so wenig wie Schwarz-Malerei.

Es gilt die Probleme anzupacken – aber das sage ich auch: Es gibt keine einfachen Lösungen. Ich würde auch sehr gern den Sozialbereich stärken, weil ich weiß, wie viele Betroffene es gibt, die an ihrem Schicksal wahrlich keine Schuld haben. Ich weiß aber auch um die extrem schwierige Finanzlage der Kommune, des Landes und des Bundes – bei den ungeheuren Problemen an den Finanzmärkten, im Euro-Raum. Da bleibt kaum finanzieller Spielraum.

Die Problem-Lage, die wir heute haben, ist einmalig. Wir haben es nun mit einer Reihe von wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen zu tun, für die es keine einfachen Antworten gibt. Hier ist wirklich hartes Bohren auf ganz harten Brettern notwendig. Politik muss verständlicher gemacht werden, besser kommuniziert werden. Das will auch die Mehrheit der Leute. Sie wollen die Agenda wissen, nach der wir handeln. Insofern ist es wahrscheinlich auch mir nicht gelungen, da für mehr Klarheit zu sorgen – das sehe ich durchaus selbstkritisch. Ich gehöre eben nicht zu denjenigen, die mit dem Finger „auf die da oben“ zeigen, nur weil der persönliche Wahlerfolg ausblieb.

Frage: Und wie ist Ihre Meinung zum aktuellen Zustand der CDU?

Dorin Müthel-Brenncke: Tja und jetzt spanne ich den Bogen zur CDU. Die Union ist mit 32 bis 35 Prozent in den Umfragen nach wie vor stärkste Partei. Ich spüre keineswegs, dass die Mehrheit der Menschen zum „Hurra“ bereit ist, nur weil eine Sozialdemokratin oder ein Sozialdemokrat Regierungschef ist.

Gerade in Europa regieren in 27 EU-Staaten 20 konservativ-liberale Parteien – das spricht für sich, zeigt, wem die Leute wirklich vertrauen. Ohne die CDU hätte es weder die soziale Marktwirtschaft, noch die Westbindung, noch die deutsche Einheit gegeben. Ohne die CDU und ihre wirtschaftspolitischen Entscheidungen wären wir nicht so gut wie bisher durch die weltweite Krise gekommen. Das kann man gar nicht genug betonen.

Frage: EURO-Rettung, Banken-Krise, Eintrübung der Konjunktur, politische Pöbeleien, Wut-Bürger, Fukushima, Kampf gegen den Terror, Afghanistan, der „arabische Frühling“, drohende Rezession – das alles waren Schlagworte der letzten Monate. Inwieweit beeinflussten diese Ereignisse aus Ihrer Sicht die Wahlen? Wie ist ferner Ihre Meinung zur relativ geringen Wahlbeteiligung fast allerorten?

Dorin Müthel-Brenncke: Natürlich haben diese Ereignisse die Wahlen maßgeblich beeinflusst. Die Wählerinnen und Wähler mögen jedoch gerade bei christlich-konservativen und liberalen Parteien keine überheblichen Streitereien, sie möchten Geschlossenheit und verlangen zu Recht geistreiche Erklärungen des politischen Handelns. Leider gab es zu Beginn der CDU/CSU-FDP-Koalition zahlreiche unnötige Auseinandersetzungen, deren interne Lösung sicherlich hilfreicher gewesen wäre. Das hat von den Sach-Themen abgelenkt.

Nur ein Beispiel: Ich bin wahrlich keine Anhängerin eines schnellen Ausstiegs aus der Kernenergie, wenn nicht die Alternativen glasklar konzipiert und vorhanden sind. Aber nun wurde der Ausstieg beschlossen und er ist wesentlich schneller als der von Rot-Grün propagierte. Was passiert jedoch? Rot-Grün gebährdet sich so, als sei das ein Verdienst von Grünen und Sozialdemokraten. Unter Schröder, Fischer und Künast wären die Kernkraftwerke viel länger am Netz geblieben. Da muß die CDU/CSU/FDP-Regierung viel forscher – gerade in der Außenwirkung – auftreten.

Das gilt auch für andere Bereiche: Grüne, Linkspartei, die immer noch der DDR-Zeit hinterher trauern, wie die Diskussionen um den Mauerbau oder die Stasi beweisen, und die SPD wollen einen Transfer-Sozialismus innerhalb der EU. Das lehnt die Union mit Hinweis auf die Risiken für Deutschland aber konsequent ab! Auch hier gilt, die politische Konkurrenz von CDU zur SPD und zu den Grünen deutlicher heraus zu stellen.

Ja, die Wahlbeteiligung ist traurig. Haben wirklich schon alle vergessen, wie es vor 1990 war, als wir zum Stimm-Vieh degradiert wurden. Wenn einer mit einer Partei nicht einverstanden ist, kann er mit Gleichgesinnten eine neue gründen. Die Piraten sind hierfür doch das beste Beispiel. Aber einfach zu sagen: Nein, Politik, das mache ich nicht, da verweigere ich mich. Das ist nicht der richtige Weg, um dieses Land nach vorn zu bringen, zumal dann die Gefahr besteht, es den Leuten von gestern oder vorgestern zu überlassen.

Frage: Zu Mecklenburg-Vorpommern … Wie bewerten Sie das Wahl-Ergebnisse aus Ihrer Perspektive? Was erwarten Sie von der neuen rot-schwarzen Landesregierung?

Dorin Müthel-Brenncke: Ich hätte mir für die CDU ein natürlich deutlich besseres Ergebnis gewünscht, aber wir haben durch unsere Mitarbeit in der Großen Koalition hervorragende Gestaltungsmöglichkeiten. Es wird keinen SPD-Sozialismus oder Linkspartei-Sozialismus geben. Rot-Rot wäre ein Rückschritt für M-V gewesen.

Die CDU muß sich innerhalb der kommenden fünf Jahre gegenüber der SPD aber noch deutlicher profilieren. Es ist ja keine Liebesheirat, sondern eine befristete Koalition zweier politischer Mitbewerber, die sich in einigen Grundfragen deutlich unterscheiden. Wir haben es heute mit einer SPD zu tun, bei der ein Teil für einen demokratischen Sozialismus zu begeistern ist, ein anderer Teil jedoch für die soziale Marktwirtschaft eintritt. Hier ist nun die CDU gefragt, dass sich der marktwirtschaftlich gesinnte Teil der SPD durchsetzt – zum Wohl des Landes.

Frage: Auch in der regionalen CDU hat sich einiges getan. Georg Kleinfeld wurde neuer Kreisvorsitzender der Jungen Union Schwerin. Was zeichnet den jungen Politiker aus? Hat die hiesige CDU eigentlich genügend „junges Blut“ oder gilt auch für die CDU in M-V „Je oller, je doller …“ ?!

Dorin Müthel-Brenncke: Die CDU ist eine dynamische Partei, die inzwischen mehr Mitglieder hat als die vermeintliche Mitgliederpartei SPD. Was heißt aber „jung“?! Es gibt die 20 und 30-jährigen, welche die alten Parteisprüche auswendig gelernt herunter beten.

Und es gibt den Typus der Politikerin/des Politikers, der neue Wege geht, dem „Volk aufs Maul schaut, aber nicht nach dem Maul redet“; der sich nicht scheut, für unbequeme Wahrheiten auch einmal hart kritisiert zu werden, aber für seine Positionen kämpft. Das wollen auch die Menschen. Sie wollen keine ferngelenkten „Männchen“ oder „Weibchen“ ohne Konturen!

Dann weiterhin viel Erfolg!

M. Michels

Nach oben scrollen