NS-Verbrecher und Staatssicherheit.

Die geheime Vergangenheitspolitik der DDR

Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht die Buchveröffentlichung der BStU zum Umgang der DDR-Staatssicherheit mit NS-Tätern, die im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht erschienen ist.
 
Leides Studie widerlegt die Propaganda der Partei- und Staatsführung in Ostdeutschland, dass NS-Täter nur im anderen Teil Deutschlands beheimatet und dort zu neuer Karriere gelangt seien, die DDR hingegen habe sich durch die systematische Verfolgung von NS-Verbrechern dauerhaft als antifaschistischer Staat legitimiert. So erschien die DDR als das geläuterte Deutschland, die Bundesrepublik hingegen als der „Staat der Täter“.
Leide kommt zu dem Schluss, dass der Antifaschismus in der Praxis der Staatssicherheit nicht primär darauf gerichtet war, NS-Taten zu verfolgen und Verbrechen zu ahnden, sondern den Hauptfeind, die Bundesrepublik, zu bekämpfen. In der Praxis der Staatssicherheit entpuppt sich der DDR-Antifaschismus als instrumentelles Kampfprogramm in der deutsch-deutschen Systemkonkurrenz. Eine konsequente Verfolgung von NS-Verbrechen, wie sie die DDR für sich beanspruchte, blieb dabei in Wirklichkeit auf der Strecke.
Er belegt, dass in der DDR Hunderte von Personen von Ermittlung und Strafen verschont blieben, obwohl dem MfS in vielen Fällen konkrete Anhaltspunkte für eine Beteiligung an Kriegsverbrechen bzw. Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorlagen. In dem untersuchten Zeitraum vom Ende der 60er Jahre bis 1989 lag die Verantwortung für die Aufarbeitung von NS-Verbrechen wesentlich beim Ministerium für Staatssicherheit. Der Autor stützt sich auf umfangreiche, z. T. noch unerschlossene Aktenbestände der Stasi-Unterlagen-Behörde, darunter das ehemalige NS-Sonderarchiv des MfS (Abt. IX/11). Anhand von 35 Fallstudien veranschaulicht er die verschiedenen Aspekte des Themas: Sie reichen von der Inszenierung von Vorzeigeverfahren im Propagandakrieg gegen die Bundesrepublik über die Anwerbung amnestierter bzw. nie verurteilter NS-Täter als Informanten und Agenten in Ost und West, über zögerliche Ermittlungen gegen belastete DDR-Bürger sowie vereitelte Strafverfahren gegen angesehene DDR-Ärzte bis hin zur Begünstigung von NS-Tätern, die im Ausland rechtskräftig verurteilt worden waren.
In der Podiumsdiskussion werden die Forschungsergebnisse von Henry Leide diskutiert, das Bild der vermeintlich konsequenten Abrechnung in Ostdeutschland mit der NS-Zeit hinterfragt und die Rolle des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) beleuchtet. Die Art der Lossagung von der NS-Diktatur war für beide deutsche Staaten ein wesentlicher Bestandteil der eigenen staatlichen Legitimation. In der Diskussion wird der Blick auch auf die Entwicklung in der alten und neuen Bundesrepublik gerichtet.

Die Außenstelle Schwerin der BStU lädt alle Interessenten zu dieser Lesung mit Diskussion am Dienstag, den 17. April 2007, um 19.30 Uhr in das Schleswig-Holstein-Haus, Puschkinstraße 12, 19055 Schwerin ein.
Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei.

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