Pomp, Paraden und Proteste – Der Alte Garten in Schwerin und seine Geschichte

Sendetermin: Sonntag, 5. Oktober 2008 | 11.30 Uhr | im NDR Fernsehen.

Der Alte Garten in Schwerin. Auf dem Platz vor dem Schloss spiegeln sich alle historisch wichtigen Ereignisse des 20. Jahrhunderts in Norddeutschland wider. Mit teilweise bislang unveröffentlichten historischen Aufnahmen und 13 Zeitzeugen lässt NDR Redakteur Thomas Balzer die wechselvolle Geschichte des Alten Garten wieder aufleben. Zu sehen ist die Dokumentation am Sonntag, 5. Oktober, um 11.30 Uhr im NDR Fernsehen.
Hochherrschaftlich defiliert der Großherzog von Mecklenburg, Friedrich Franz IV, auf dem Alten Garten. 1913 sind die ersten Filme entstanden, 1914 treten seine Regimenter an. In Schweriner Chroniken berichten Zeitzeugen über die strammen Mecklenburger Soldaten. Auch die Nazis bereiten 1933 Paraden und Aufmärsche auf dem Alten Garten vor. Alte Schweriner, die damals als Kinder die Umzüge beobachtet haben, erinnern sich an die Choreografie nationalsozialistischer Vereidigungen und Erntefeste. Die Nazis gestalten den Alten Garten um, das Standbild des Herzogs muss weichen, damit 1935 eine monströse Freitreppe entstehen kann. Wie der Alltag während des Krieges im Nazi-Deutschland wirklich gewesen ist, das zeigen die Filme der ersten US-amerikanischen Vorhut, die mit Panzern am 2. Mai 1945 in Schwerin einrückt. Flüchtlingstrecks schieben sich durch die Stadt, Tausende zerlumpter Menschen beobachten die US-amerikanischen Offiziere mit ihren Kameras. Den Alten Garten nutzen die Alliierten für ihre Siegesparaden, erinnern sich Zeitzeugen. Allen voran die Engländer, die im Juni 1945 die US-Amerikaner in Schwerin ablösen. Im August übernehmen die Sowjets die Stadt.

Anfang der 1950er-Jahre tragen die Schweriner Jugendlichen blaue Hemden bei den Aufmärschen. Auf dem Alten Garten findet 1953 die größte Kundgebung aller Zeiten statt. Stalin ist im März gestorben. Eine Trauerminute reicht nicht aus für den großen Vater aller Nationen, die Abiturienten werden zur Einhaltung von gleich zwei Trauerminuten verpflichtet. Die Fotos vom Alten Garten zeugen von mindestens 90.000 Teilnehmern, die an einem Foto von Stalin vorbeimarschieren. Sogar verneigen müssen sie sich, berichten Zeitzeugen. Fortan ist der Alte Garten Aufmarschgebiet der SED-Machthaber, Kampfgruppen, Erster-Mai-Demonstrationen, Jugendtreffen und Bauernkongresse beginnen auf dem Schweriner Platz. Aber auch Kultur- und Volksfeste werden auf dem Platz zwischen Museum, Theater und Schloss ausgerichtet. Bis zum 23. Oktober 1989 manifestiert die SED hier ihre Macht. Dann gibt es Aufruhr auf dem Alten Garten: Aus dem nahen Theater kommen Menschen mit Spruchbändern „Neues Forum“, „Wir sind das Volk“, „Reisefreiheit“ – die Bürgerbewegung ruft zur ersten Montagsdemo in Schwerin auf. Die SED inszeniert heimlich eine Gegenkundgebung auf dem Alten Garten. Tausende Genossen werden aus dem gesamten Bezirk Schwerin hierher zur „Jubelbrause“ gekarrt, darunter bewaffnete Funktionäre. Das findet ein Untersuchungsausschuss später heraus. Aus der SED-Propagandashow wird nichts. Die Bürgerbewegung formiert sich zu einem kilometerlangen Demonstrationszug durch die Stadt, zurück auf dem Alten Garten bleiben die SED-Genossen. Dieser Tag auf dem Alten Garten läutet das Ende der SED-Machthaber auch im Norden der DDR ein.
Nach der Wiedervereinigung 1990 geben Schweriner Bürger, die seit ihrer Jugend viele Erlebnisse mit dem Alten Garten verbinden, dem Platz einen Namenszusatz. Auf dem Schild steht „Alter Garten zur guten Hoffnung“.

Pomp, Paraden und Proteste – Der Alte Garten in Schwerin und seine Geschichte. Zu sehen ist die 45-minütige Dokumentation am Sonntag, 5. Oktober, um 11.30 Uhr im NDR Fernsehen.

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