„Power for Kids“: Sonderausschuss hat Abschlussbericht vorgelegt

Oberbürgermeisterin wird Mitverantwortung zugesprochen

Schwerin – Im Februar 2016 wurde Peter B., Gründungsmitglied und Tanzgruppenleiter beim mittlerweile geschlossenen Verein „Power for Kids“, zu 6,5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Ihm wurde Kindesmissbrauch in 62 Fällen nachgewiesen. Damit war der Fall aber noch lange nicht abgeschlossen. Seit Monaten stehen auch die Leiterin des Jugendamtes, der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses und die Oberbürgermeisterin in der Schusslinie. Denn bereits im Januar 2015 wurden entsprechende Hinweise an den JHA-Vorsitzenden Peter Brill getragen. Passiert war nichts. So konnte der Täter bis zu seiner Verhaftung noch mindestens 44 weitere Male an 8 Jungen übergriffig werden.

Aus diesem Grund hat die Schweriner Stadtvertretung einen 9-köpfigen Untersuchungsausschuss eingesetzt. In Mehreren Sitzungen wurden neben Frau Gramkow, Herrn Brill und Frau Gospodarek-Schwenk u.a. auch die Opferanwältin Christine Habertha sowie amtierende und ehemalige Vorstandsmitglieder von „Power for Kids“ befragt. Der damaligen Dezernenten für Jugend und Soziales Dieter Niesen hingegen soll trotz wiederholter Einladung nicht erschienen sein.

Ausschuss sieht Mehrfachversagen

Am gestrigen Mittwochabend wurde nun ein Abschlussbericht samt Empfehlungen vorgelegt. Darin erklärt der zeitweilige Ausschuss Versagen seitens mehrerer Verwaltungsmitarbeiter. Oberbürgermeisterin Gramkow wird eine Mitverantwortung zugesprochen.

Der Ausschuss stellt die Frage, ob „die beteiligten politischen Mandatsträger“ einer „staatlichen Schutzverantwortung“ gerecht geworden sind. Er wirft der OB vor, „ihrem eigenen Anspruch an politische Verantwortung nicht gerecht geworden“ zu sein. Zwar wird eingeräumt, dass Frau Gramkow keine Kentnisse über den Verdacht hatte. Allerdings trage sie als Verwaltungschefin eine Mitverantwortung, schließlich habe sie die Personalhoheit inne. Ein im Vergleich neuer Vorwurf geht in Richtung der Personalbesetzung. So wurde mit Frau Gospodarek-Schwenk eine „fachfremde Mitarbeiterin“ mit dem Posten der Jugendamtsleiterin betraut. Auch habe sie während ihrer Amtszeit keinerlei Fortbildungen im Bereich der Jugendhilfe besucht und ist dazu auch nicht angehalten worden.

Dem Abteilungsleiter für „wirtschaftliche Jugendhilfe“ sowie der Leiterin des Jugendamtes wird vorgeworfen, dem Hinweis auf Kindeswohlgefährdung nicht nach Maßgabe der geltenden Vorschriften bearbeitet zu haben. Letztere habe zudem „pflichtwidriges Verhalten“ gezeigt, wonach eine „disziplinarrechtliche Maßnahme“ geboten wäre, heißt es in dem Bericht. In diesem Sinne wird auch die Wiedereinsetzung von Frau Gospodarek-Schwenk als Amtsleiterin durch die Oberbürgermeisterin missbilligt.

Schwerwiegende Kritik richtet sich an das Vorgehen bzw. Handeln des Vorsitzenden des Jugendhilfeausschusses, Peter Brill. Dieser hatte es im Januar ’15 unterlassen, den Jugendhilfeausschuss über den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs zu informieren. „Er ist seiner Verantwortung als Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses und seiner politischen Verantwortung als gewählter Mandatsträger in besonderem Maße nicht gerecht geworden“, so das Fazit des Abschlussberichts. Zudem gehen die Ausschussmitglieder davon aus, dass dieser ihnen auch künftig „wesentliche Informationen“ vorenthalte. Auch Brill wird die Niederlegung seines Amtes nahe gelegt.

Da laut dem Untersuchungsausschuss midestens sieben Personen Kenntnis vom Tatverdacht gehabt hätten, sei auch nicht wie im Bericht der Verwaltung von einem Einzelveragen zu sprechen.

Harsche Kritik am Abschlussbericht

Der Abschlussbericht selbst kommt aber auch nicht gut weg. Nicht nur, dass die beiden Ausschussmitglieder, Gerd Böttger und Jörg Böhm (Die Linke) ihr Veto einreichten. Sie attestieren diesem „gravierende fachliche Mängel“ und bezeichnen ihn als „tendenziös“. „Vorgeschlagene Maßnahmen bleiben hinter den Handlungsempfehlungen der Untersuchungsführerin sowie hinter dem Maßnahme-Katalog der Oberbürgermeisterin zurück und sind in Teilen fragwürdig“, so die Kommunalpoliker. Ein weiterer Kritikpunkt: Der Bericht gehe weder auf die Verantwortung der Eltern noch auf die des Vereins ein. Erstaunlicherweise wird in keinem Satz auf die Aussagen oder die Verantwortung der befragten Vorstandsmitglieder eingegangen. Zum Thema Jugendamtsleiterin geben Böttger und Böhm an, dass auch der Hauptausschuss der Stadtvertretung 2013 einstimmig über deren Einstellung zugestimmt haben. Ebenso habe nach Gospodarek-Schwenks zeitweiliger Entbindung selbiger nicht ihrer Wiedereinsetzung widersprochen.

Deftige Kritik ebenfalls von Seiten der SPD. So stimmte SPD-Mann Rolf Bemmann zwar letzten Endes für den Ausschussbericht. Allerdings gab er inhaltlich einiges zu Bedenken. Bemmann zufolge sei dieser: „in weiten Teilen ein Muster an unpräzisen Aussagen, Aneinanderreihung von nicht oder wenig belegten Behauptungen und unsystematischer Sachdarstellung. […] Schlussfolgerungen werden ohne differenzierende Abwägungen und Begründungen geradezu holzschnittartig gezogen. Dem Anspruch auf sachkundige Darstellung und Kritik der untersuchten Abläufe wird dieser Bericht allerhöchstens nur in Ansätzen gerecht.“

Am kommenden Montag wird der Abschlussbericht in der Stadtvertretung vorgestellt.

 

red

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