Ringstorff: Demokratie braucht Erinnerung

Die gemeinsamen Erfolge der Bürger von Ost und West bei der Wiedervereinigung Deutschlands hat Bundesratspräsident Dr. Harald Ringstorff in seiner Rede auf dem Festakt zum Tag der Deutschen Einheit im Mecklenburgischen Staatstheater in Schwerin hervorgehoben:

„Vieles hat sich in den letzten Jahren verändert. Mecklenburg-Vorpommern, ganz Ostdeutschland, hat in vielen Bereichen einen großen Sprung nach vorn gemacht. Unser Land ist im Sommer zur Hochburg des Tourismus in Deutschland geworden. Über diesen Erfolg freuen wir uns sehr. Dieser Erfolg gehört den Menschen hier in Mecklenburg-Vorpommern. Aber nicht nur. Er ist auch das Ergebnis der Solidarität der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland. Sie alle leisten seit vielen Jahren ihren Beitrag dazu, damit Ostdeutschland zukünftig aus eigener Kraft bestehen kann. Erfolge hier sind daher auch Erfolge der Menschen in ganz Deutschland.“

Dennoch dürften über dem bereits Erreichten künftige Aufgaben nicht vergessen werden. Noch immer sei die Arbeitslosigkeit im Osten fast doppelt so hoch wie im Westen, das Lohnniveau Ost liege ebenfalls unter dem Westniveau. „Doch wir stellen auch fest: An ihrem 17. Geburtstag ist die Einheit längst Normalität geworden. Die Zahl derer, die sich heute in erster Linie als ‚Deutsche‘ sehen, nimmt weiter zu.

Es ist eine Generation herangewachsen, die die DDR nicht erlebt hat und den Nationalsozialismus nur aus den Geschichtsbüchern kennt, die Freiheit für etwas Selbstverständliches hält. Deshalb muss man Demokratie lernen. Je früher man damit anfängt, umso besser. Demokratie kann man nicht verordnen“, hob Harald Ringstorff hervor. Die Entscheidung für die Demokratie, so Ringstorff weiter, setze die Auseinandersetzung mit der Diktatur voraus. „Demokratie braucht Erinnerung“, erklärte der Bundesratspräsident. Dieser Aufgabe müsse sich die gesamte Gesellschaft stellen. Neben den schönen Erinnerungen aus dem privaten Leben – den Geschichten von Liebe und Freundschaft, guter Nachbarschaft und dem Zusammengehörigkeitsgefühl in der DDR – gehöre auch, den Kindern und Enkeln die ganze Wahrheit zu erzählen. Dazu gehöre die Verfolgung politisch Andersdenkender, Zwangsenteignungen und die autoritäre Alleinherrschaft der SED mit Spitzeltum, Gängelei und Schießbefehl.

„Zur Demokratie gehören Selbstvertrauen und ein klares Bekenntnis zu Werten, denn der Umgang mit Freiheit muss gelernt sein, sonst wird Freiheit nicht zur Lust, sondern zur Last. Unsere Kinder lernen mit uns, sie lernen aber vor allem von uns. Diese Werte müssen wir ihnen als Erwachsene vorleben“, plädierte Harald Ringstorff. Zur Demokratie gehöre neben der Vermittlung von Werten und der eigenen Identität aber auch, sich einzusetzen und Toleranz zu zeigen. „Wer sich seiner eigenen Identität gewiss ist, kann sich selbstsicher und interessiert seinen Nachbarn öffnen, kann Menschen auch im eigenen Land, die anders denken, anders aussehen und anders sprechen oder auch nur einer anderen Religion angehören, gegenüber aufgeschlossen sein. Treten wir im Alltag den leisesten Anfängen von Unfreiheit, Rechtsbruch und Menschenverachtung entschieden entgegen“, forderte Harald Ringstorff auf.

Der Tag der Deutschen Einheit sei trotz aller Anstrengungen und trotz nicht immer attraktiver Ergebnisse der Demokratie ein Tag, der „mich bis heute mit Glück und Freude erfüllt“. Demokratie bleibe die einzig menschenwürdige Alternative zu jeglicher Art von Diktatur. „Nach über 40 Jahren deutscher Teilung haben wir gelernt: Soziale Absicherung ohne Freiheit hat keine Zukunft. Aber Freiheit ohne soziale Gerechtigkeit kann die Gesellschaft nicht zusammenhalten. Machen wir unsere Kinder stark, damit sie aus ihren Chancen etwas machen und sich die Freiheit nie abkaufen lassen für vermeintliche Gleichheit, Sicherheit oder mehr Bequemlichkeit. Das ist der Auftrag aus zwei deutschen Diktaturen. Es ist der Auftrag aus 40 Jahren deutscher Teilung. Es ist unser gemeinsamer Auftrag im vereinten Deutschland“, schloss Harald Ringstorff.

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