Schuldnerberatung Lichtblick des Diakoniewerks stellt Jahresbericht vor

P-Konto wurde zum beherrschenden Thema 2011 in der Beratungsstelle Lichtblick

Jeder fünfte Haushalt überschuldet

Jeder fünfte private Haushalt in Schwerin ist statistisch gesehen überschuldet. Die ermittelte Überschuldungsquote der privaten Haushalte in der Landeshauptstadt Schwerin sank nur leicht auf nunmehr 19,9 %. „Die 143 neu aufgenommenen Klienten im Jahr 2011 brachten insgesamt 2.058 Gläubigerforderungen und einem Schuldenberg von insgesamt 3,47 Millionen Euro mit sich“, so Siegfried Jürgensen, Leiter der Beratungsstelle Lichtblick des Diakoniewerks Neues Ufer gGmbH. „Das entspricht einer durchschnittlichen Schuldenhöhe von 24.298 Euro (2010=23.173 Euro) und rund 14 Verbindlichkeiten pro Klient.“
Dem Einkommen nicht angepasstes „Konsumverhalten“ und kritische Lebensereignisse wie Scheidung, Krankheit oder der Verlust der Arbeit sind dem Jahresbericht nach die häufigsten Ursachen, die maßgeblich zur Überschuldung beigetragen haben. Der Anteil der jungen Schuldner bis 28 Jahre unter den neu aufgenommenen Klienten reduzierte sich gegenüber dem Vorjahr weiter auf nun 17,5 %. Bezogen auf alle Klienten der Beratungsstelle ist nach wie vor jeder vierte Klient (23,9 % = 174 Personen) jünger als 30 Jahre gewesen.

P-Konto wurde das beherrschende Thema 2011

Die Bedeutung des P-Kontos (Pfändungsschutzkonto) im Rahmen des Pfändungsschutzes hat im vergangenen Jahr deutlich zugenommen. „Das P-Konto avancierte zum mit Abstand wichtigsten Thema 2011 in der Beratungsstelle Lichtblick“, so Jürgensen. Der Anteil der Beratungen, in denen es thematisch um den Pfändungsschutz von Kontoguthaben ging, verdoppelte sich gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Das drückte sich auch in der Anzahl der Kurzberatungen insgesamt aus, sie stieg um rund ein Viertel. In 136 Fällen lagen die Voraussetzungen vor, um den Rat suchenden Kontoinhabern erhöhte Freibeträge durch eine entsprechende Bescheinigung zu bestätigen.

Die Erwartung, dass nicht die Ausstellung der Bescheinigungen an sich einen erheblichen Arbeitsaufwand begründet, sondern die vorausgehende und begleitende Beratung zum P-Konto, hat sich 2011 bestätigt. Ebenso wie die Einschätzung, dass insgesamt mit einem stärkeren Zustrom von Ratsuchenden zu rechnen ist. Diese Entwicklung wird sich, nach Ansicht des Leiters der Beratungsstelle Lichtblick, auch für das Jahr 2012 fortsetzen, weil das P-Konto seit dem 01.01.2012 zur einzig verbliebenen Möglichkeit des Pfändungsschutzes von Kontoguthaben für Schuldner geworden ist. Von Seiten der Bankwirtschaft hieß es noch im November, dass bis dato nur 50% der von Pfändung betroffenen Konten in ein P-Konto umgewandelt worden seien. Jürgensen: „Schon deshalb ist mit einer weiteren Zunahme des Beratungsbedarfs zu rechnen.“
Eine andere Erwartung, die mit der Einführung des P-Kontos verbunden war, hat sich indes nicht bewahrheitet: Die Anzahl der ausgebrachten Kontopfändungen durch die Gläubiger ist nicht rückläufig, sondern hat, im Gegenteil, seit Einführung des P-Kontos noch einmal zugenommen. Dies geht aus einer Befragung verschiedener Kreditinstitute und Banken in Mecklenburg-Vorpommern hervor.

Höchste Schuldnerquote des Landes in Schwerin

Der Verein Creditreform bestätigte in seinem SchuldnerAtlas für das Jahr 2011, dass die Schuldnerquote in M-V regional höchst unterschiedlich ausgeprägt ist und die Landeshauptstadt Schwerin dabei die Spitzenreiterposition in der Schuldnerquote einnimmt. Auch in Bezug auf Kinderarmut weist Schwerin, laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung, bundesweit die höchste Quote aus. Im Schuldenkompass 2010 der SCHUFA Holding AG wird Schwerin in der Rangliste des Privatverschuldungsindexes (PVI) an 396.Stelle (von insgesamt 412 Kreisen) geführt.
Erkenntnisse, die sich in der Beratungsstelle Lichtblick bereits seit vielen Jahren in einer hohen Anzahl Ratsuchender widerspiegeln.

Beratern bleibt immer weniger Zeit zum Beraten

Den Beratungskräften standen im vergangenen Jahr im Durchschnitt nur noch rund 4,5 Arbeitstunden pro Klient für fallbezogene Arbeit (Beratungsgespräche, Verhandlungen mit Gläubigern usw.) zur Verfügung. „Die mit Sorge beobachtete Entwicklung, weg von der Beratung von Schuldnern hin zur rein technischen Abwicklung von Schulden in der Schuldner- und Insolvenzberatung, hat sich damit weiter fortgesetzt“, so Jürgensen. Auflagen, die Wartezeiten für Ratsuchende zu verkürzen, verstärken diese Entwicklung und erhöhen den ohnehin schon bestehenden Druck in den Beratungsstellen weiter. Jürgensen: “Wir hätten uns vom Land stattdessen eine stärkere Unterstützung beim bedarfsgerechten Ausbau des Beratungsangebotes gewünscht.“

In diesem Zusammenhang bleibt es für den Träger der Beratungsstelle eine Gratwanderung, zwischen dem berechtigten Interesse der Ratsuchenden an einer möglichst kurzfristigen Aufnahme als Klient/in und dem berechtigten Anspruch auf eine qualitative, das heißt, individuelle und ergebnisoffene Beratung und Unterstützung durch die Beratungskräfte, abzuwägen. „Eine weitere Verkürzung des Zeitvolumens für fallbezogene Arbeit bedeutet praktisch eine schrittweise Abkehr von grundlegenden Qualitätsstandards in der Schuldner- und Insolvenzberatung“, ist sich Jürgensen sicher. „Wer „Masse statt Klasse“ in der sozialen Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung fordert, nimmt einen verstärkten „Drehtüreffekt“ billigend in Kauf.“

Anzahl der Einigungsversuche und Insolvenzanträge gestiegen

Die Anzahl der im Sinne der Insolvenzordnung unternommenen außergerichtlichen Einigungsversuche (AEV) erhöhte sich erneut gegenüber dem Vorjahr auf nunmehr 116 (2010=77). Das entspricht einer Steigerung von über 50 %. Die Anzahl der Anträge auf ein Verbraucherinsolvenzverfahren (VIV) stieg auf 99 (2010=57) und damit um 74 %.

Als Gründe werden im Jahresbericht aufgeführt, dass Klienten immer seltener aus dem vorhandenen Einkommen Regulierungsbeträge aufbringen können, so dass auch andere Regulierungsstrategien, wie z.B. Einzelverhandlungen mit den Gläubigern, keine absehbare Lösungsperspektive für die Klienten bieten. Zudem findet das Verbraucherinsolvenzverfahren unter den Überschuldeten, trotz der damit verbundenen Einschränkungen und Konsequenzen, eine zunehmende Akzeptanz.

Angesichts des unverändert hohen Beratungsbedarfs und der Tatsache, dass den Beratungskräften pro Klient immer weniger Zeit zur Verfügung steht, verlieren zeitaufwendige Regulierungs-/Entschuldungswege, als möglicherweise sinnvollere Alternative zum Insolvenzverfahren, in der Beratungspraxis zunehmend an Bedeutung.

Quelle: Presse Diakoniewerk Neues Ufer gGmbH

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