Schwerin im Frühjahr 2013: Zwischen Kürzungsplänen und kultureller Vielfalt

Nachgefragt bei Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow

Schwerin im Frühjahr 2013 – Deutschlands kleinste Landeshauptstadt zwischen kulturellen Kürzungsplänen, weiteren Streichlisten, aber auch mit Hoffnung auf bessere Zeiten. Zu Recht gibt es notwendige Diskussionen über die klamme Finanzausstattung einer kleinen, aber wichtigen Stadt, über deren Möglichkeiten, Grenzen und Chancen und über unausweichliche Sparmaßnahmen. Kritik ist angebracht im Hinblick auf die Privatisierungen oder gar Schließungen des fast 17-jährigen Speichers als soziokulturelles Zentrum sowie des Schleswig-Holstein-Hauses. Das Aus dieser renommierten Einrichtungen würde Schwerin in der Tat ärmer machen.

Kritisiert wurde aber oftmals weniger die geringe Finanzausstattung einer Stadt mit objektiv wirtschaftlichen Problemen. Eher entstand der Eindruck, dass einige lieber ein absurdes (politisches) Theater spielen und glauben machen wollen, alles sehe viel besser aus, seien sie erst in verantwortungsvoller Position. Wo sachliche, fundierte Kritik, angebracht wäre, fand sich hie und da eher destruktive Kritik, ein Dauer-Nörgeln, eine Schwarz-Weiß-Malerei, welche Schwerin auch nicht gerecht wurde.

Zum Thema sprach Marko Michels mit Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow.

„Wir haben auf keinen Fall über unsere Verhältnisse gelebt …“

Frage: Frau Oberbürgermeisterin, es hagelt Kritik an den Kürzungsplänen der Stadt, die sich an Ihrer Person festmachen, wo doch andere dazu ebenso fleißig die Arme hoben. Wie bewerten Sie die Diskussionskultur – gerade im Hinblick auf den Kulturbereich?

OB Angelika Gramkow: Ich finde die Diskussionskultur bedauerlich. Unser städtisches Kulturbüro leistet eine hervorragende Arbeit, insbesondere für die kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen. Ich finde es nicht gerechtfertigt, dass eine Mehrheit in der Schweriner Stadtvertretung das kommunale Kultur- und Ausstellungsforum Schleswig-Holstein-Haus und unser soziokulturelles Zentrum „Speicher“ in eine freie Trägerschaft überführen und damit privatisieren will.

Aus meiner Sicht ist es für eine Landeshauptstadt unerlässlich, Angebote wie im Schleswig-Holstein-Haus und im Speicher für die Bürgerinnen und Bürger und die Gäste der Stadt vorzuhalten. Ausstellungen von einheimischen, nationalen und internationalen Künstlern, Kindermusikveranstaltungen, Lesungen, Diskussionsrunden, historische Vorträge, Konzerte, Gartenfeste – das alles ist doch kein Luxus, sondern kulturelle Daseinsvorsorge. Kulturelle Vielfalt heißt für mich Kultur in kommunalen und in privaten Einrichtungen.

Frage: Bei allen negativen Diskussionen und Kritiken bietet Schwerin angesichts der überschaubaren Größe und der knapp 95.000 Einwohner ein vielfältiges Kultur- und Sportprogramm. Wie ist Ihre Meinung zu den diversen, noch vorhandenen Angeboten? Hat Schwerin – so schön die vielen Events auch sind – in den letzten 23 Jahren „über die Verhältnisse“ gelebt?

OB Angelika Gramkow: Im Leitbild „Schwerin 2020“ haben die Bürgerinnen und Bürger und letztlich auch die Stadtvertretung beschlossen, Schwerin als Kulturstadt des Nordens zu entwickeln. Ein vielfältiges und anspruchsvolles Kulturangebot ist ein bedeutsamer Standortfaktor für Wirtschaft und Tourismus. Deshalb leben Menschen gern in unserer Stadt und deshalb kommen uns Gäste immer wieder gern besuchen. Wir haben auf keinen Fall über unsere Verhältnisse gelebt.

Schleswig-Holstein-Haus, Speicher, Stadtbibliothek, ein städtisches Konservatorium, eine Volkshochschule, das Volkskundemuseum in Mueß, das Stadtarchiv und der Zoo sind kommunale Einrichtungen. Ich halte jede einzelne dieser Einrichtungen für unverzichtbar. Und ich möchte daran erinnern, dass mit dem Stadtgeschichtsmuseum bereits unter meinem Amtsvorgänger eine städtische Kultureinrichtung geschlossen wurde. Die stattdessen geplante Dauerausstellung zur Stadtgeschichte wurde nie eröffnet. Was erst einmal zu ist, ist meistens für immer verloren.

Frage: Filmkunstfest, Kultur- und Gartensommer oder die Schloßfestspiele sind kommende viel beachtete Veranstaltungen in Schwerin. Für Sie persönlich: Wie wichtig sind diese Kulturangebote in Schwerin?

OB Angelika Gramkow: Mir sind die Angebote der Hochkultur genauso wichtig wie die populären Massenveranstaltungen, das kleine Format ist mir genauso lieb wie das Event. Es kommt immer auf einen guten Mix an, der für Jung und Alt und für unterschiedliche Geschmäcker etwas bietet. Es  kommt aber auch auf eine gute Mischung aus kostenfreien und kostenpflichtigen Angeboten an.

Diesen Mix bieten wir zum Beispiel bei den mehr als 130 Veranstaltungen des Schweriner Kultur- und Gartensommers an, den die wichtigsten Kultureinrichtungen unserer Stadt gemeinsam veranstalten und zusammen vermarkten. Der Auftakt ist an diesem Wochenende mit dem FrühjahrsErwachen und der Klangwelle.

Frage: Wo sehen Sie Schwerin im Jahr 2020? Eine vorsichtige Prognose…

OB Angelika Gramkow: Vielleicht werden wir im Jahr 2020 wieder 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner sein, die gern in Schwerin leben und die auch von ihrer Arbeit leben können. Es werden wieder mehr Babys geboren und an den Wochenenden können wir hoffentlich auch dann noch aus einer Vielzahl kultureller Angebote auswählen …

Letzte Frage: Viele Hoffnungen werden in die Nestlè-Ansiedlung in Schwerin gesetzt. Möglicherweise zu große Hoffnungen? Was verbinden Sie mit dem neuen Nestlè-Standort Schwerin?

OB Angelika Gramkow: Ich bin sehr froh, dass nach zehn Jahren Hoffen wieder eine Industrieansiedlung im Industriepark Schwerin möglich geworden ist. Die Nestlè-Ansiedlung in der Landeshauptstadt bedeutet für uns gewerbliche Arbeitsplätze, wirtschaftliche Entwicklung und eine europaweite Werbung für den Standort Schwerin.

Dass wir diese 200-Millionen-Euro-Investition nach Schwerin geholt haben und schon in der ersten Ausbaustufe 450 Arbeitsplätze geschaffen werden, ist ein Beleg für die gute Zusammenarbeit des Landes und der Stadt in der Wirtschaftsförderung. Natürlich hoffe ich, dass wir nach diesem Erfolg auch zukünftig neue Ansiedlungen erreichen können.

Vielen Dank und hoffentlich bald wieder mehr positive Schlagzeilen für die Landeshauptstadt M-V!

Nach oben scrollen