Schwerin im Juni 2009: Zwischen Wählen und Nachdenken …

Noch vier Tage bis zum Urnengang

Plakat“Es hat immer welche gegeben, die sagen, mit Gewalt sind Menschen nicht zu ändern. Aber sie sagen: Dass Menschen mit Gewalt nicht zu ändern sind, ist nicht gesagt, denn wir beherrschen unser Handwerk und haben viel Zeit.”, zitierte der Schriftsteller und DDR-Bürgerrechtler Jürgen Fuchs, der 1999 im Alter von nur 48 Jahren starb , wobei das MfS an seinem frühen Tod eine zentrale Verantwortung hat, seine einstigen Stasi-Peiniger.

Jürgen Fuchs war selbst aus politischen Gründen im zentralen Untersuchungsgefängnis des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin-Hohenschönhausen inhaftiert, weil ihm Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat wichtiger waren, als eine gut dotierte Karriere.

Heute sind jedoch die Schönredner und Relativierer der DDR-Vergangenheit in der „Pole Position“. Leute, die auch aus dem „Westen“ kamen, um im Osten ihren „Goldgrube“ zu sichern. Leute, die sich anmaßen, die DDR-Vergangenheit „ad acta“ zu legen, am besten in einen blumigen Akten-Ordner. Leute vor allen Dingen, die eines nie mußten: kämpfen, wirklich kämpfen für Liebe, Gerechtigkeit und echte Demokratie.

Die „Anderen“, wie Jürgen Fuchs, sind Querulanten, Nörgler und „auf die Vergangenheit fixiert“. Tja, wer heute nicht an politischer Amnesie leidet, ist eben in die Gesellschaft – wobei sich nur fragt in welche – nicht integrierbar. Es wäre ja auch unangenehm, bei einem „Ball“ oder „Empfang“ der neuen politischen Klasse oder „Elite“ zu sein, und nicht dazuzugehören. Nicht auszumalen, was dann passieren würde: Von Ordnern entfernt oder – im günstigsten Fall – mit Nichtachtung bestraft. Aber immer noch besser, als in einem Stasi-Verhör oder in  einem Stasi-Gefängnis zu landen.

Aber das will die „neue politische Elite“, äußerlich jung, innerlich vergreist, ja gar nicht hören. Es gilt durchzustarten und da ist ein Thema wie die DDR-Geschichte nur ein „Minderheiten-Thema“ … Allerorten.

In allen politischen Lagern. Eigentlich müssten Christ- und Liberaldemokraten auf die Barrikaden gehen, wenn sie das Kampfwort „Blockflöten“ hören. Vergessen der Prozess der gewaltsamen Gleichschaltung mit Tausenden christdemokratischen und liberaldemokratischen Opfern zwischen 1945 und 1959 in der SBZ/DDR ? Nach 1961 waren Ost-CDU und LDP dann nach dieser blutigen „Assimilation“ treue seelenlose SED-Bündnispartner. Wer nach 1961 in Ost-CDU oder LDP eintrat, musste dann jedoch wissen, dass er keiner DDR-Widerstandsbewegung angehörte. Will man ja nicht wissen. Ist zu kompliziert, zu sperrig. Will man alles gar nicht hören ?

Der Terminus „SED-Diktatur“ ist ein ähnlicher Kampfbegriff, wobei es die Linkspartei es ihren Gegnern relativ leicht macht, sie anzugreifen. Sehr schnell bilden sich solidarische Ringe um SED-Angehörige, ohne dass wirklich darauf eingegangen wird, worin deren Verfehlungen liegen. Ob sie mit dem MfS paktierten ? Ob sie bis 1989 wirkliche Macht hatten … In der SED gab es auch viele reformorientierte Kräfte, die verhaftet, sogar ermordet oder „nur“ beruflich kaltgestellt wurden. Deren Schicksale sind bei den heutigen Linken eher ein Rand-Thema, wenn überhaupt ein Thema …

Und die Sozialdemokraten ?! Was heute gezeigt wird, ist nichts anderes als eine Janusköpfigkeit, die sich bis ins Unerträgliche steigerte. Die Opfer während der „diktatorischen Vereinigung“ (Zitat Prof.Dr.Wolfgang Leonhard) spielen in Sonntagsreden eine Rolle, wenn diese über Mauerfall, den 17.Juni 1953 oder die deutsche Vereinigung handeln. Aber wenn es konkret um die Bewertung der DDR-Vergangenheit geht, sind führende Sozialdemokraten ganz einfach von der Rolle. Um neue Wählerschichten zu erschließen, verbaut man sich den Weg in die Zukunft.

Kurzsicht vor Weitsicht. Oder gleich: Nach mir die Sintflut. So verspielt man das antifaschistische und antikommunistische Erbe von Albert Schulz, Bernhard Pfaffenzeller, Max Fank, Willi Jesse, Friedrich Schwarzer oder Wilhelm Dühring. Nichts gegen eine Integration von ehemaligen SED-Mitgliedern, die bereits zu DDR-Zeiten sozial und demokratisch handelten, die sich nicht beim MfS anbiederten bzw. dort „mitmachten“ und die auch stets kritisch zu schlimmsten Machenschaften der DDR-Obrigkeit blieben. Beispiele davon gibt es genug.

Nur, von denen wollte die SPD zunächst nichts wissen. Ziemlich selbstherrlich agierten die Sozialdemokraten 1990 in ihren früheren politischen Hochburgen – das schreckte ab und wirkt bis zum heutigen Tag nach. Nun versucht man es mit der „politischen Brechstange“, glaubt mit dem Einbeziehen früherer MfS-Mitarbeiter oder exponierter Machtvertreter der DDR gelingt es, verlorenes Terrain zwischen Mecklenburg und Sachsen zurückzuerobern.

Man mag sich in „Ampeln“, „großen“, „kleinen“ und doppel-roten Koalitionen dauerhaft flüchten, wird selbst aber immer kleiner und sieht am Ende nur noch doppelt, weil nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse das wiederum große Frust-Saufen angesagt ist. Wie meinte ein herausragender Polit-Beamter in den 1990ern in Schwerin, als er (zu Recht) harsche Kritik einstecken musste – „Erst einmal müssen wir das Bildungsniveau (einer kritischen Bevölkerung) absenken !“. Hoffentlich ist das nicht gelungen.

Es sind in vier Tagen Wahlen. Eigentlich sehr wichtige. Mit Kandidatinnen und Kandidaten, von denen die erdrückende Mehrheit sich tatsächlich ehrlich und aufrichtig – trotz umfangreicher beruflicher und persönlicher Verpflichtungen – noch zusätzlich einbringt, für die jeweilige Gemeinde, für die jeweilige Region und für die jeweilige Stadt und deren Menschen. Allein das zählt. Das verdient Respekt und Anerkennung – am besten mit einer regen Wahlbeteiligung.

Irgendetwas muß allerdings beim Übergang von der Kommunalpolitik zur Landespolitik und darüber hinaus schief laufen. Gerät das Gravitationsgesetz außer Kraft ? Verlieren einige Politikerinnen und Politiker tatsächlich die Bodenhaftung ? Ist „Gehirnwäsche“ im Spiel ? Oder: Sieht man im Schweriner „Wolkenkuckucks-Schloss“ nicht mehr die realen Probleme, so dass man – auch monetäre – Entscheidungen trifft, die nur noch abstoßen ?

Aber das sind ja schon wieder Fragen eines Querulanten und die passen nicht zum obligatorischen positiven Denken mit dem „Schuß Optimismus“ in der heutigen Zeit.

… Allerdings nicht vergessen: Kommunalpolitiker sind (noch ?) anders ! Also wählen gehen …

Marko Michels

F.: „Wir sind ein Volk“. Wirklich ? Wobei die Spaltung schon lange nicht mehr in „Ost“ und „West“, sondern in „anderer Hinsicht“ existiert … mm

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