Lisanne Straka vom DGB Nord über den „Girls Day 2010“, die Bedeutung des 1.Mai und die beruflichen Chancen von Frauen
Wenn der April zum Endspurt ansetzt, spurten die „Girls“ zu ihrem „Girls Day“. Und wenig später findet dann schon der „Tag der Arbeit“ statt, die ohnehin immer „weiblicher“ wird.
Ein „Girls Day“ – muß der eigentlich noch sein ?
„Chancen, Neues, `Untypisches` kennen zu lernen …“
Schwerin-News fragte bei Lisanne Straka vom DGB Nord nach …
Frage: Frauen-Power allerorten. Während die Männer bald die „Abwrackprämie“ für sich selbst kassieren können (;) ), wirken die Frauen wie „getunt“ … Sind Frauen die Krisen-Gewinnerinnen 2010 ?!
Lisanne Straka: Die Krise hat sich zunächst in von Männern dominierten Branchen wie der Bau- und Automobilindustrie oder auf den Werften bemerkbar gemacht. Überwiegend Männer haben ihre Arbeit verloren. Allerdings kann daraus nicht geschlußfolgert werden, dass Frauen die Gewinnerinnen sind. Wo nichts ist, kann auch nichts wegbrechen – so verkürzt und sicherlich etwas pauschal kann die Arbeitssituation von erwerbstätigen Frauen beschrieben werden.
Frauen arbeiten überproportional für niedrige Löhne, dazu oftmals in befristeten Arbeitsverhältnissen, in geringfügiger Beschäftigung und in Teilzeit. Diese atypischen Frauen-Arbeitplätze könnten eigentlich als chronische Krise bezeichnet werden.
Frage: Am 22.April ist wieder „Girls Day“ – auch in M-V. Was erwartet die Schülerinnen an diesem Tag ? Wie können, wie dürfen Sie sich beruflich beweisen ? Frauen bekommen doch eigentlich schon jetzt „jede berufliche Förderung“ …
Lisanne Straka: Mit dem „Girls Day“ eröffnen sich für Mädchen die Chancen, Neues, „Untypisches“ kennen zu lernen. Vor allem technische Unternehmen, Forschungszentren und Hochschulen öffnen am „Girls Day“ ihre Werkstätten und Labore für Schülerinnen ab der 5. Klasse. Die zentrale Eröffnung in M-V findet in diesem Jahr in Güstrow statt. Hier können sich die Mädchen in handwerklichen Berufen ausprobieren.
Aber auch in Schwerin ist eine Menge los. Unter 451 Plätze können die Mädchen wählen. Im Schweriner Straßenbahndepot wird auch die Oberbürgermeisterin Frau Gramkow dabei sein, wenn die Mädchen Wartungsarbeiten übernehmen. Im Datenverarbeitungszentrum werden die Mädchen einen Computer zusammenschrauben. Fliesen legen oder den Innenausbau übernehmen die Mädchen im ABC-Bau.
Von der Parlamentarischen Staatssekretärin Frau Dr. Seemann erfahren die Mädchen live wie Politik gemacht wird. Alle Angebote sind übrigens unter www.girlsday.de abrufbar.
Frage: 9 Tage nach dem „Girls Day“ ist auch schon der 1.Mai … Was für die einen mit dem „Tanz in den Mai“ aufhört, beginnt für die anderen mit den Mai-Demos allerorten. Welche Schwerpunkte haben diese 2010 ?
Lisanne Straka: Wir demonstrieren am 1. Mai für gute Arbeit, gerechte Löhne und einen starken Sozialstaat. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer finanzieren vor allem mit ihren Steuern die milliardenschweren Krisenprogramme. Gewerkschaften haben mit verantwortungsbewussten Tarifabschlüssen Arbeitsplätze in der Krise gesichert.
Die Hauptverursacher dagegen machen munter weiter und erzielen schon wieder Gewinne. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen nicht den Preis für eine Krise zahlen, die andere durch ihr verantwortungsloses Handeln verursacht haben.
Wir lehnen die Ausdehnung des Niedriglohnsektors ebenso wie die Kopfpauschale und die Rente mit 67 ab. In der Krise ist die Einführung von gesetzlichen Mindestlöhnen dringlicher denn je.
Frage: Zurück zum „Girls Day“ … Frauen sind doch gegenwärtig überall auf der „Überholspur“ – ob in der Politik, in der Bildung, in der Kultur, in den Verwaltungen, sogar bei den Winterspielen 2010 waren die deutschen Frauen „oben auf“. Sind „Girls Days“ somit noch zeitgemäß ?
Lisanne Straka: Immer wieder neu stehen jährlich Schülerinnen vor der Entscheidung für ihren künftigen Ausbildungsweg. Anders als die Jungen, konzentriert sich mehr als die Hälfte der Mädchen auf nur zehn von rund 350 Ausbildungsberufen. Ziel des „Girls Days“ ist es, frühzeitig Einfluss auf das Berufswahlverhalten von Mädchen zu nehmen, und das Berufswahlspektrum über Kontakte zwischen Schülerinnen und der Arbeitswelt deutlich zu erweitern.
Rollenbilder von Frauen und Männer lassen sich allerdings nicht von heute auf morgen ändern. Die zunehmende Diskussion um einen „Boys Day“ darf den „Girls Day“ nicht verwässern. Vielmehr geht es darum, Mädchen und Jungen gleichermaßen gerecht zu werden. Die Konzeption des „Girls Day“ kann nicht analog auf Jungen übertragen werden, wenn geschlechtstypische Bedürfnisse und Lebenslagen von Jungen Ausgangspunkt ihrer Förderung in der Berufs- und Lebensplanung sein sollen.
Es gilt, jungen Männern und Frauen (!) alternative Lebensentwürfe aufzuzeigen.
Dann viel Erfolg mit dem „Girls Day“ und den 1.Mai-Demos !
> > Exkurs: Historisches zum 1.Mai
– Vor 90 Jahren, am 15.April 1919, wurde seitens der Weimarer Nationalversammlung festgelegt, den 1.Mai zum gesetzlichen Feiertag zu erklären. Einziges Manko: Diese Regelung galt nur für 1919. Erst 1933 wurde er dann dauerhaft Feiertag – allerdings zunächst von den Nationalsozialisten im dritten Reich, dann ab 1945 in der DDR von den Kommunisten für Propaganda-Zwecke missbraucht. Aber auch diese Tatsachen ändern und schmälern nicht die historischen Ursprüngen und Verdienste, die dieser Feiertag hatte, zumal er weit über die Grenzen Deutschlands eine enorme Bedeutung im Kampf um mehr Arbeitnehmerrechte entfaltete.
– Des Weiteren hat der Blut-Mai 1929 (1.-3.5.1929) in Berlin eine herausragende Bedeutung in der deutschen Geschichte, manifestierte sich an diesem Tag doch die Gegensätzlichkeit zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten in ihren gesellschaftlichen und politischen Auffassungen.
– Auch die katholische Kirche entdeckte für sich den 1.Mai. So wurde von Papst Pius XII. der erste Mai zum Gedenktag Joseph des Arbeiters erklärt. Das geschah nicht zuletzt vor dem Hintergrund der starken sozialen demokratischen Bewegung, die während des dritten Reiches im Widerstand gegen die Nationalsozialisten enorme Verdienste aufweisen konnte und insbesondere nach 1945 einen enormen Zulauf hatte.
– Der 1.Mai ist jedoch nicht nur ein „hoch“politischer Tag. So wird zu Ehren einer englischen, wohltätigen Äbtissin, der Heiligen Walburga, in der Nacht vom 30.April zum 1.Mai die Walpurgisnacht gefeiert. Zur Erinnerung an diese Dame wurde schon im „finsteren“, allerdings nicht „roten“, Mittelalter der 1.Mai als Gedenktag für Walburga begangen.
>> >> Übrigens: Am 24.April findet aus Anlass „75 Jahre Omnibusverkehr in Schwerin“ eine Veranstaltung des NVS u.a. mit historischen Bussen, Info-Ständen und Spielen für Kindern auf dem Bertha-Klingberg-Platz in Schwerin von 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr statt. … Busfahrerin in Schwerin – das wäre ja auch etwas für die „Girls“ vom „Girls Day“ !
Marko Michels
Fotos:
1.Lisa Straka vom DGB Nord. L.Straka/privat
2.Frauen-Power überall: Junge Frauen forschen erfolgreich … WEMAG
3…. musizieren erfolgreich … Michels
4…. treiben erfolgreich Sport (Hier die Olympiasiegerin im Modernen Fünfkampf von 2008, Lena Schöneborn) Michels
5… üben Solidarität (Hier solidarisiert sich eine junge Werftarbeiterin aus Wolgast mit ihren Kolleginnen und Kollegen in Wismar und in Rostock.) Michels
6…. Und geben auch ansonsten den Rhythmus vor (Tanzgruppe bei der BUGA in Schwerin) Michels
7.Auch bei AIDA Cruises haben Azubinen gute Chancen. AIDA Cruises
8.Es muß nicht immer der Beruf der Friseurin sein. Schwerin-News
9.“Mai-Nelken“ von der BUGA 2009. Michels
10.Ein Beruf mit Perspektive ?! Als Busfahrerin … Michels