Schwimmsportliche Aktivitäten in Schwerin

Schwimmsportliche Diskussionen in der Landeshauptstadt – Antworten aus der Vergangenheit …

Während in Schwerin noch über das „Für und Wider“ hinsichtlich der Sanierung oder des Neubaus der Schwimmhallen diskutiert wird, kann die Landeshauptstadt auf eine traditionsreiche Entwicklung im Schwimmsport zurückblicken. Vor fast 100 Jahren bildete sich hier ein organisiertes Schwimmwesen heraus. Und über „Geldfragen“ wurde auch schon immer kräftig gefeilscht …

Die Anfänge des Schwimmsportes in Schwerin

Zu den Leibesübungen, die bereits Jahn aufnahm, weil sie aus altem Volkstum stammten, die sich aber erst mit dem sportlichen Prinzip entwickelt haben, gehörte das Schwimmen.

Die „Keimzelle“ in Deutschland dafür wurde die Pfuelsche Badeanstalt an der Oberspree, welche im frühen 19.Jahrhundert entstand.

Im Jahr 1878 gründete sich dann auch der erste deutsche Schwimmverein in Berlin, der viele Schwestervereine in ganz Deutschland bekam.

Schon 8 Jahre später konstituierte sich – nachdem die Deutsche Turnerschaft, der Ruderverband und der Radfahrerbund bereits existierten – der Deutsche Schwimmverband.

Deutsche Schwimmer konnten relativ schnell mit ihren Konkurrenten in internationalen Wettkämpfen mithalten. So siegte bei den Olympischen Spielen 1900 in Paris Hoppenberg im 200 m-Rückenschwimmen; zudem gewann das deutsche Team die 5 x 40 m-Staffel.

Olympiasieger Emil Rausch © DOG

In St.Louis 1904 siegte Emil Rausch dreimal. Seine Mannschaftskollegen Brack und Zacharias konnten zwei Goldmedaillen für die „deutschen Farben“ erkämpfen.

Auch bei den Olympischen Spielen 1908 in London (Sieg durch Bieberstein im 100 m-Rückenschwimmen) und 1912 in Stockholm (Dreier-Erfolg im 200 m-Brustschwimmen durch Bathe,Lützow und Malisch sowie Erfolg durch Bathe auf der 400 m-Strecke) riß die deutsche „Gold-Serie“ nicht.

Überraschenderweise erreichte die „deutsche Schwimmbegeisterung“ die meckleburgische Residenzstadt Schwerin relativ spät. Erst um 1910 begannen sich schwimmbegeisterte Schweriner zu gemeinsamen, ungezwungenen Wettschwimmen zu treffen.

… Und es dauerte noch weitere drei Jahre, ehe sich auch in Schwerin ein Schwimmklub herausbildete. Dieser konstituierte sich 1913 – kurz vor dem ersten internationalen Schweriner Schwimmfest im August 1913.

Zu diesem schwimmsportlichen Großereignis in Schwerin lud der Vorsitzende des Ausschusses zum Schwimmfest bzw. der maßgebliche Begründer des Schweriner Schwimmklubs, der Ingenieur Grotefend, den Großherzog ein:

„ … Um in der von schönen Seen umgebenen Residenzstadt Schwerin die Freude am Wassersport zuheben, veranstaltet am 24.August d.J. (1913 – Anm.d.V.) der unter dem Protektorat Seiner Kaiserlichen Hoheit des Kronprinzen stehende Deutsche Schwimmverband in Schwerin ein internationales Schwimmfest.

Der Zweck dieses Schwimmfestes soll der sein, Freunde dieses gesunden Sportes zu gewinnen, die sich, wie es kürzlich in Rostock der Fall war, auch in Schwerin zu einem Schwimmverein zusammenzuschließen, um diesen Sport weiter zu fördern.

Der Deutsche Schwimmverband will dieser großen und schönen Sache dienen und die in Schwerin befindliche Ortsgruppe unterstützen, um am 24.August ein grosses Propagandaschwimmen im grossen Schweriner See zu veranstalten.

Wir richten an Eure Königliche Hoheit die untertänigste Bitte, dieses Unternehmen dadurch zu stützen, dass Eure Königliche Hoheit hierfür das Protektorat übernehmen und einen Preis stiften, der für die besten Leistungen der vom Deutschen Schwimmverband nach Schwerin entsandten Mannschaft bestimmt sein und im Namen Eurer Königlichen Hoheit der siegreichen Mannschaft überwiesen werden soll.

Wir bitten Eure Königliche Hoheit untertänigst, das bisher aller sportlichen Veranstaltungen gezeigte Interesse auch diesem gesunden Sport zuwenden zu wollen und sehen der Erfüllung unserer Bitte in Dankbarkeit entgegen …“

Ein umfangreiches Programm sah das erste Schwimmfest in Schwerin im Medeweger See vor. So wurde ein Dauerschwimmen über 3000 m für die verschiedenen Altersklassen angeboten.

Ferner gehörte ein Kürspringen, Wasserballspiele, Rettungsvorführungen, ein Hindernisschwimmen, eine Wasser-Pantomime sowie ein Damen-Wettschwimmen über 200 m zum Repertoire des Schwimmfestes.

Zwar konnten Schweriner Schwimmerinnen und Schwimmer noch nicht mit ihren „Kollegen“ aus München, Hamburg oder Berlin mithalten, aber im Schwimmen für Schweriner Knaben unter 14 Jahren (100 m) beeindruckte Henry Leuckefeldt nicht nur die anwesenden Schweriner Zuschauer …

Der Vorsitzende des Deutschen Schwimmverbandes, Witt aus Hamburg, nutzte das Schweriner Schwimmfest, um ein Grußwort seines Verbandes an die Schweriner Organisatoren zu überbringen.

Dazu berichtet der Sportpublizist Dr. C.Lüttgens in der „Mecklenburgischen Zeitung“ vom 25.08.1913:

„ … (Der) Vorsitzende des Deutschen Schwimmverbandes, Herr Witt (Hamburg), (nahm) Gelegenheit, sich in einer Ansprache an die zum Schwimmfest gekommenen Schweriner zu richten. Man habe sich im Schwimmverband sehr gefreut, anläßlich des hier veranstalteten Festes nach Schwerin kommen zu können, das eine sportliebende Bevölkerung besitze.

Bisher habe es schwer gehalten, in Mecklenburg Schwimmvereine zu gründen. Umsomehr freue sich der Schwimmverband nun darüber, daß nach der Gründung des Rostocker Schwimmvereins nun auch die Bildung eines Schweriner Vereins im Werke sei.

Redner wies dann in kurzem auf die Bedeutung des Schwimmens hin, indem er an das Wort des Generals v.Pfuel vor 100 Jahren anknüpfte, daß das Schwimmen die vorzüglichste aller Leibesübungen sei und daß es die allgemeinste sein solle.

Er schilderte die Vorzüge des Schwimmens, das kräftige Einatmen einer staubfreien Luft, die Anstrengung aller Muskeln, die gesundheitsfördernde Hautatmung, die Hebung und Stärkung des Mutes und des Selbstvertrauens, die Vorbeugung vor der Gefahr des Ertrinkens und Rettung der eigenen Person und anderer in Fällen solcher Gefahr (die es, statistisch nachgewiesen, jährlich zu mehr als 5000 in Deutschland gebe).

Ferner wies Redner auf die Vorbildung zum Militärdienst hin. Das Schwimmen gebe dem jugendlichen Leben dahin einen Gedankeninhalt, sich zu Nutzen der Allgemeinheit zu kräftigen und wirke in dem Gebote der Enthaltsamkeit erziehlich.

Er schloß mit dem Wunsche, daß der neugegründete Schweriner Schwimmverein eine gute Aufnahme in der schönen, für Leibesübungen im Wasser so wohlgelegenen Stadt finde, eine reiche Beteiligung an aktiven Mitgliedern in der gesunden, kräftigen Bevölkerung, wie an fördernden passiven Mitgliedern …“

Bis 1918 nutzte der Schweriner Schwimmverein die Hovemannsche Badeanstalt für dessen Übungs- und Trainingsstunden.

Anfang 1919 mußte diese aus finanziellen Gründen schließen und der „SSV“ mußte auf andere schwimmsportliche Gegebenheiten ausweichen, so z.B. Übungsstunden im Medeweger See durchführen.

Erst 1921 konnte die Hovemannsche Badeanstalt in der Klosterstrasse wiedereröffnet werden – und damit durfte der „SSV“ seine alte „Lokalität“ ebenfalls wieder nutzen.  In jenem Jahr zählte der „SSV“ 250 Mitglieder und gehörte damit zu den größten Vereinen Schwerins.

Ab 1924 organisierte der Schweriner Schwimmverein auch jährlich das „Pfaffenteich-Schwimmen“ auf dem Schweriner Pfaffenteich, an dem zahlreiche auswärtige Schwimmvereine teilnahmen.

Das Langstreckenschwimmen ist in Schwerin – im Schweriner See – ebenfalls eine Tradition

Zu dieser Veranstaltung stiftete der Magistrat Schwerin einen Wanderpreis für die jeweils beste Pfaffenteich-Staffel. Nach dreimaligem Gewinn ging dieser Wanderpreis 1928 endgültig in den Besitz des Rostocker Schwimmklubs über.

Insgesamt betrachtet konnte der „SSV“ gerade im Kinder- und Jugend-Bereich eine positive Entwicklung nach 1925 verzeichnen.

So gehörten im Jahr 1927 160 Schulkinder und 30 Jugendliche im Alter von 16-18 Jahren dem Schweriner Schwimmverein an.

Vier Jahre später – 1931 – konnte der „SSV“ einen noch beeindruckenderen Mitgliederbestand aufweisen: Der „SSV“ zählte 522 schwimmbegeisterte Schweriner Mitglieder, davon 253 Erwachsene (94 Damen und 159 Herren) sowie 269 Jugendliche (147 Schülerinnen und 122 Schüler).

Das wettkampforientierte Schwimmen war dank der engagierten Tätigkeit des Schweriner Schwimmvereines von 1913 bis 1933 ein fester Bestandteil des lokalen Sportangebotes der Stadt – wie in den folgenden Jahrzehnten, u.a. Eröffnung der Schwimmhallen in Lankow 1976 bzw. auf dem Großen Dreesch 1981,  bis zum heutigen Tag !

Schwerins Olympia-Schwimmerin Andrea Pollack

Vor 30 Jahren – bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal – sorgte übrigens eine gebürtige Schwerinerin für eine große Olympia-Überraschung: Nachdem sich die 1961 in Schwerin geborene und seit 1971 beim SC Dynamo Berlin trainierende Andrea Pollack nur knapp für Olympia`76 qualifiziert hatte, sorgte sie in Montreal für unerwartete Erfolge.

Andrea Pollack wurde Olympiasiegerin über 200 m Butterfly und in der Lagenstaffel.

Zudem gewann sie Silber über 100 m Butterfly – hinter der damals überragenden Kornelia Ender. Diesen olympischen Erfolg bestätigte die Schwerinerin auch bei den EM 1977 (1 x Gold) und den WM 1978 (1 x Silber).

Moskau`80: Gold in der Lagenstaffel für A.Pollack (2.v.l.) © DOG

Bei den Olympischen Spielen 1980 gewann Andrea Pollack ihre dritte Goldmedaille in der Lagenstaffel. Eine Silbermedaille über 100 m Butterfly komplettierte die damalige Olympiabilanz in Moskau.

Nach den Spielen 1980 beendete die gebürtige Schwerinerin „in Diensten“ des SC Dynamo Berlin ihre schwimmsportliche Karriere und wurde Physiotherapeutin. Seit 1990 ist Andrea Pollack (verheiratete Pinske) Mitarbeiterin beim Olympiastützpunkt Berlin.

 

Text: Marko Michels

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