„Segel setzen !“ mit einem „fliegenden Holländer“

Premiere der Wagner-Oper am Staatstheater in Schwerin

Herausragende Künstler, stürmischer Applaus, Bravo-Rufe für die Akteure und ein ebenso begeistertes bzw. nachdenkliches Publikum – das waren die Kennzeichen für …
Na, was wohl ?!
Man ist in Mecklenburg-Vorpommern, speziell in Schwerin … Also ?
Richtig !
Applaus kann es nur in Sachen Kultur (oder auch noch Sport) hierzulande geben …

In diesem Fall wurde an diesem Wochenende am Mecklenburgischen Staatstheater die Premiere von Richard Wagners „Fliegendem Holländer“ gefeiert.
Für die Infantilen: Es ging hier nicht um Fußball.

In einer beeindruckenden Inszenierung von Arturo Gama und unter gekonnter musikalischer Leitung vom Generalmusikdirektor Matthias Foremny wurde Wagners romantische Oper aus dem Jahr 1843 wieder einmal in Schwerin aufgeführt.

Der fliegende HolländerDie Solistinnen und Solisten, das Ensemble, alle brillant und hinreißend, dennoch sei besonders die überragende Amerikanerin Kelly Cae Hogan als Senta gewürdigt (War ja anscheinend sowieso das Wochenende der Amerikanerinnen – Lindsey Vonn holte sich die Führung im alpinen Ski-Weltcup von Maria Riesch zurück …), sorgten für den ersten großartigen Höhepunkt des Jahres 2010 am Mecklenburgischen Staatstheater – ein Abend, der nachwirkt und anregt.

Anregt ?! Natürlich, zum Nachdenken – was sonst …
Zum Nachdenken, was uns ein Richard Wagner damit wohl mitteilen wollte und was diese „Mitteilung“ für die heutige Zeit bedeutet.

Die Handlung und die Hauptakteure:
Es geht natürlich um Liebe, um gesellschaftliche Verhältnisse und um Werte an sich.
Ein holländischer Kapitän, der verflucht ist, ewig auf den sieben Weltmeeren zu schippern, weil er weder an Gott noch „Marx“ (den Naturkräften) glaubt und beide missachtet, aber sein jetziges Dasein dennoch satt hat. Ein norwegischer Seefahrer, der so gierig ist, dass er sogar sein „eigen Fleisch und Blut“ verkauft. Ein frustrierter Liebender, der erfahren muß, dass einige Liebesschwüre eben doch nichts für die Ewigkeit sind. Eine junge Frau, die sich neu verliebt, in Traumwelten flüchtet und ein neues Leben führen möchte. Und ein „Umfeld“ (die Bewohner des Heimatortes der jungen Frau und ihres gierigen Vaters), das vor lauter Bräsigkeit kein „offenes Ohr“ und „keine offenen Augen“ für das Neue, das womöglich Bessere hat.

Großes Kino also. Große Kunst ohnehin. Eine große romantische Oper sowieso.
Ein Werk, das nichts an Aktualität verliert – im Gegenteil.
Zwei, der Holländer und die junge Frau mit dem Namen Senta wollen also „ausbrechen“, aus ihren bisherigen armseligen Verhältnissen – und haben es mit einer für Neuerungen und Hoffnungen alles andere als aufgeschlossenen, gesitteten Gesellschaft zu tun.

Der Holländer will nicht mehr auf hoher See sein, die junge Frau nicht mehr die alte Liebe, die sie einst beschwor. Und beschwört eine neue, was zunächst zwar gut geht, aber – wer glaubt schon einer Frau, die einst beschwörte und dann wieder abschwörte.
Ein „fliegender Holländer“ jedenfalls nicht.

Ohnehin ein Zeitgenosse, für den ein altes Brecht-Gedicht ganz maßgeschneidert ist, nämlich das vom „Radwechsel“: „Ich sitze am Strassenhang (in diesem Falle eben Schiff!). Der Fahrer (oder Matrose) wechselt das Rad (die Segel). Ich bin nicht gern, wo ich herkomme. Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre. Warum sehe ich den Radwechsel (oder Segelwechsel) mit Ungeduld?“

Wahrscheinlich deshalb, weil er weder etwas von der untergegangenen Gesellschaft wissen wollte, also seinem alten Leben, noch vom neuen „gesellschaftlichen Fortschritt“ etwas wissen will. Schon gar nicht, wenn er dieses neue Leben nur möglicherweise einer oberflächlichen Schwärmerei bzw. geheuchelten Liebe verdankt, die ohnehin schnell entschwindet. … Denn mit Heuchelei hatte er vordem genug zu tun. Neue Heuchelei ist nicht sein „Ding“. Also schippert er weiterhin seinem Glück, einem neuen Leben, hinterher – ohne zu wissen, wo es liegt, ohne jegliche Orientierung.

Aber die haben „die Anderen“ ja auch nicht, die Powerfrauen ebenso wenig wie die Powermänner, die Heuchler wie die Geheuchelten, die Gierigen wie die Naiven, die Gierigen wie die Noch-Gierigen, die Wendehälse wie die Aalglatten. Die immer eines genau wissen: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“ Es sei denn – zum eigenen Vorteil.

Also Segel setzen, eine „Handbreit Wasser unterm Kiel“ und der neuen gesellschaftlichen Mitte entgegen. Die kann links oder rechts sein. Oben oder unten.
Der „Fliegende Holländer“ gibt dabei die Richtung vor, den Ton an. Hoffentlich so gut, wie Frank Blees am Mecklenburgischen Staatstheater.

Dann ist nicht nur der „Holländer“ erlöst, sondern „wir“ gleich alle mit.
Yes, we can !
Oder besser: Auf ins Mecklenburgische Staatstheater zu „Wagners Holländer“ und den Altersdurchschnitt des Publikums etwas „drücken“ … Es lohnt sich.

Marko Michels

Szenenfoto / Theater

Nächste Termine:

am 6.Februar um 19.30 Uhr am Großen Haus
am 27.Februar um 19.30 Uhr am Großen Haus
am 24.März um 19.30 Uhr am Großen Haus

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