„Sieg und Niederlage liegen so eng beieinander“

Über die Judo-Wettbewerbe in Rio – Interview mit der Schweriner  Susi Zimmermann


Die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro sind wieder Geschichte. 42 Medaillen konnten die Deutschen Athleten und Athleten gewinnen. Rang 5 im Medaillenspiegel der Länder. Insgesamt blieb man aber knapp hinter der Zielsetzung des DOSB zurück. Denn vor allem in den Kernsportarten Schwimmen, Leichtathletik und den Kampfsportdisziplinen hatten man sich mehr ausgerechnet. In den Fachverbänden wird man nun zusammen mit dem DOSB und dem BMI eine Reform des Leistungssports erarbeiten müssen.

Aus Schweriner Sicht kann jedoch eine ganz positive Bilanz gezogen werden: einmal Silber und einmal Bronze. So wurde Ruderer Hannes Ocik (Schweriner Rudergesellschaft) mit dem Deutschland-Achter Fizeolympiasieger und Artem Harutyunyan, der am am Olympiastützpunkt in Schwerin bei Michael Timm trainiert, erboxte sich eine Bronzemedaille im Halbweltergewicht. Sein Trainingspartner, Weltergewichtsboxer Arajik Marutjan (BC Traktor Schwerin) musste sich hingegen früh aus dem Turnier verabschieden, nachdem er seinen Auftaktkampf sehr umstritten verlor. Frustriert war auch Martina Strutz. Hatte sie sich doch einiges vorgenommen. Letztendlich verpasste die ehemalige Fizeweltmeisterin im Stabhochsprung die Medaillenränge. Im Finalkampf übersprang sie gute 4,60 Meter, wurde damit aber nur Neunte.

In zwei Wochen gehen die Schweriner Judoka Ramona und Carmen Brussig bei den Paralympics als Mitfavoriten an den Start. Die Hoffnungen sind groß. Auch beim Deutschen Judobund, der bei Olympia von drei anvisierten Medaillen nur eine holte (Bronze durch Laura Vargas-Koch). Über das Abschneiden der Deutschen sprachen wir mit der aus Schwerin stammenden Judoka und Judo-Trainerin Susi Zimmermann.

 

„Ich bin kein Fan vom Schwarzmalerei…“ – Interview mit Judoka Susi Zimmermann

Susi, die olympischen Entscheidungen in Rio sind „abgehakt“. Wie lautet Dein Resümee zum olympischen Judo-Turnier in Rio – aus internationalem Blickwinkel?

Susi Zimmermann: Im Judo gewannen Sportler und Sportlerinnen aus 24 unterschiedlichen Nationen eine der 56 möglichen Medaillen. Erwartungsgemäß führt Japan – als Mutterland des Judosports – den Medaillenspiegel mit 3x Gold, 1x Silber und 8x Bronze an. Es folgen Frankreich und Russland. Überraschend waren für mich die Italiener, die mit einer einer Gold- und einer Silbermedaille den vierten Platz in der Gesamtwertung erreichten. Ansonsten wurden die Stars wie Teddy Riner (Frankreich) und Majlinda Kelmendi (Kosovo) ihrer Favoritenrolle gerecht.
Ein besonderer emotionaler Höhepunkt war der Olympiasieg der aus der Favela stammenden Rafaela Silva, die damit gleichzeitig auch die erste Medaille für das Gastgeberland gewinnen konnte.

 

Das Abschneiden der deutschen Judoka wird von einigen Seiten als „große Enttäuschung“ bezeichnet… Wie beurteilst Du die deutsche Bilanz in Rio?

Susi Zimmermann: Ich bin kein Fan von „Schwarzmalerei“. Hätten Luise Mahlzahn und Karl Richard Frey anstatt Platz fünf die erwartete Medaille gewonnen, wäre es ein versöhnliches Ergebnis geworden. Im Judo liegen jedoch Sieg und Niederlage so eng beieinander wie in kaum einer anderen Sportart. Dazu kommt ein knallhartes Wettkampfsystem, dass besagt, dass man mindestens zwei Kämpfe in der Gruppenphase gewinnen muss, um nicht direkt auszuscheiden.

Das heißt, wenn man im ersten oder zweiten Kampf gegen den späteren Olympiasieger verliert, bekommt man keine zweite Chance. So geschehen bei Sebastian Seidel in der Gewichtsklasse bis 66 Kilogramm… Er verlor seinen Auftaktkampf gegen den späteren Olympiasieger aus Italien Fabio Basile. Damit war sein Wettkampf beendet. Das Pech bei der Auslosung traf auch Marc Odenthal in der Gewichtsklasse bis 90 Kilogramm. Er verlor seinen ersten Kampf gegen den Golmedaillen-Gewinner Mashu Baker aus Japan. Ich empfinde dieses System als sehr ungerecht.

 

Wer beeindruckte Dich bei den Frauen und bei den Herren in Rio ganz besonders?

Susi Zimmermann: Bei den Frauen beeindruckte mich Luise Mahlzahn in der Gewichtsklasse bis 78 Kilogramm. Ich habe gehört, dass sie mit einer schweren Knieverletzung in das olympische Turnier startete. Nach den Kämpfen konnte man ihr schmerzverzerrtes Gesicht sehen, als sie die Treppenstufen hinunter humpelte, um die Matte zu verlassen. Ein Sieg im kleinen Finale – und damit der Gewinn der Bronzemedaille – wäre mehr als verdient gewesen. …Ich hoffe, dass sie diese dann in vier Jahren in Tokyo holt.

Meinen größten Respekt hat der erst 21-jährige Italiener Fabio Basile. Der amtierende U23-Europameister und EM-Dritte von Kazan konnte im Finale sogar den Weltmeister Baul An aus Korea vorzeitig besiegen. Eine schöne Überraschung, die zeigt, dass an einem perfekten Tag im Judo alles passieren kann.

 

Vielen Dank und weiterhin alles erdenklich Gute!

Die Fragen stellte Marko Michels

 

red/mm

Nach oben scrollen