Sind die Sozialdemokraten in Feierlaune? – 150 Jahre SPD

Nachgefragt beim Schweriner Bundestagsabgeordneten Hans-Joachim Hacker

Schwerin ist in Feierlaune. Einerseits das kulturelle Schwerin, denn die Mecklenburgische Staatskapelle wird stolze 450 Jahre! Andererseits auch das politische Schwerin, zumindest ein Teil davon, denn die SPD wird 150 Jahre. Grund zum Feiern? Ja und Nein. Die ewigen Diskussionen um Kürzungen des Kulturetats setzen auch dem Mecklenburgischen Staatstheater und dessen traditionsreicher Kapelle zu. Dennoch – gestern wie heute – hat die Mecklenburgische Staatskapelle sowohl national als auch international einen hervorragenden Ruf.

Einen hervorragenden politischen Ruf hatte eigentlich auch stets die SPD. Aber seit Agenda 2010, der Befürwortung von Kriegseinsätzen der Bundeswehr und der pragmatischen sowie sehr wirtschaftsfreundlichen Politik der Regierung Schröder verlor die SPD in Deutschland viele Sympathien und Wähler. Sechs Monate vor der Bundestagswahl kommt sie gerade auf 26 Prozent – 13 Prozentpunkte hinter der Union aus CDU und CSU. Wenn es gut für die Sozialdemokraten läuft, ist nach Stand der Dinge nur eine Große Koalition mit CDU/CSU für die SPD möglich…

Allerdings ist noch nichts entschieden. Die SPD regiert gegenwärtig in 13 Bundesländern mit, ist immer für politische Überraschungen gut. Und: Die SPD hat eine große Tradition – stand gegen Wilhelminismus, Nationalsozialismus und Stalinismus. Weder die Bismarckschen Sozialistengesetze, noch der  NS-Terror noch die kommunistische Verfolgung sowie Unterdrückung konnten die SPD zerstören, obwohl sie für die Verteidigung der Demokratie, für ihren Einsatz für soziale Gerechtigkeit, für eine sozial orientierte Marktwirtschaft und für die Durchsetzung eines Rechtsstaates in der Vergangenheit einen hohen Blutzoll zahlte. Oft stellte die SPD jedoch nicht den Reichs- oder Bundeskanzler: 1919 Philipp Scheidemann, 1919/20 Gustav Bauer, 1920 sowie 1928/30 Hermann Müller. Dann 1969/74 Willy Brandt, 1974/82 Helmut Schmidt und 1998/2005 Gerhard Schröder.

Wie ist nun die Stimmungslage bei den Sozialdemokraten anno 2013? Nachgefragt bei Hans-Joachim Hacker, dem Schweriner Bundestagsabgeordneten

H.-J. Hacker über den 150.Geburtstag der SPD, die Wahl-Chancen der SPD im Herbst, sozialdemokratische Konzepte für kommende Herausforderungen, die Zukunft der SPD und den 60.Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR

„Haben in schwierigen Zeiten Verantwortung übernommen…“

Frage: Herr Hacker, 150 Jahre SPD. Was bedeutet für Sie persönlich dieses Jubiläum? Was war der Anlass für Ihren Eintritt in die SPD in der Wendezeit?

Hans-Joachim Hacker: Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten verbinden mit dem Partei-Jubiläum Stolz für das, was ihre Partei in den letzten 150 Jahren vor allem in sozialpolitischen Bereichen, aber auch bei den Bürgerrechten erreicht hat.
Die Friedenspolitik von Willy Brandt und seine Grundüberzeugung zum Zusammenhalt der Deutschen während der Zeit der Teilung waren für mich wichtige Argumente im Herbst 1989, in die SDP einzutreten.

Frage: Warum wird aus Ihrer Sicht die SPD heute noch gebraucht – für Freiheit und Gerechtigkeit stehen doch heute alle demokratischen Parteien …

Hans-Joachim Hacker: Die SPD hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Erfordernisse in der Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft auszugleichen. Im Zuge der internationalen Finanz- und Wirtschaftsentwicklung, die an Deutschland nicht vorbeigegangen ist, muss heute stärker die Frage der sozialen Gerechtigkeit in den Vordergrund gerückt werden.

Konkret verbinde ich damit, gerechte Entlohnung – Mindestlohn und gleicher Lohn bei Zeitarbeit. Dazu: Die Aufrechterhaltung der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer und eine moderne Schul- und Bildungspolitik. Bei diesen politischen Themen gibt es schon deutliche Unterschiede in der Programmatik der Parteien in Deutschland.

Frage: Die SPD hat zweifellos große Verdienste, aber der Zuspruch beim Wähler bleibt 2013 überschaubar. Woran liegt es? Hat die SPD bei der Bundestagswahl überhaupt noch eine Chance?

Hans-Joachim Hacker: Die SPD will bei der Bundestagswahl Schwarz-Gelb ablösen. Wir kämpfen für eine rot-grüne Mehrheit. Die letzten vier Jahre der schwarz-gelben Regierungskoalition haben Stillstand bewirkt: kein flächendeckender Mindestlohn, weiterhin Benachteiligung der Leih- und Zeitarbeiter und in der Europapolitik ein Schlingerkurs von Frau Merkel.

Die SPD war es, die in schwierigen Zeiten in Deutschland Verantwortung übernommen hat. Ich erinnere an den Beginn der Krise 2008/ 2009, als die Sozialdemokraten in Regierungsverantwortung die beiden Konjunkturpakete initiiert haben und eine Kurzarbeiterregelung gegen Arbeitslosigkeit geschaffen haben. Wir müssen unsere Leistungen und besseren Konzepte noch stärker verdeutlichen. Ich hoffe, dass mit dem Bundesparteitag in Augsburg an diesem Wochenende ein Signal gesetzt wird.

Frage: Wie beurteilen Sie persönlich die Zukunft der SPD?

Hans-Joachim Hacker: Die Sozialdemokratische Partei wird in Zukunft Deutschland entscheidend mitgestalten. Schon jetzt haben die Menschen in den meisten Bundesländern der SPD das Vertrauen übertragen. Den Herausforderungen aus der Globalisierung müssen mit einer zukunftsgerichteten Politik beantwortet werden. Unser Konzept beinhaltet dieses: eine aktive Rolle Deutschlands in Europa und ein Beitrag Deutschlands in der internationalen Kooperation in den verschiedenen Bereichen. Aber zu aller erst: Mehr Gerechtigkeit in Deutschland! Dafür wird die SPD gebraucht.

Letzte Frage: Im Juni jährt sich der Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR zum sechzigsten Mal, den auch Aktivisten des SPD-Ostbüros und ehemalige Sozialdemokraten in der DDR unterstützten. Was verbinden Sie mit diesem geschichtlichen Ereignis?

Hans-Joachim Hacker: Ich verbinde damit, dass der Volksaufstand der DDR die erste große Erhebung gegen die kommunistische Diktatur nach dem zweiten Weltkrieg im Ostblock war. Die Arbeiter auf der Ostberliner Stalinallee und auf dem Potsdamer Platz haben nicht nur für gerechte Normen und Löhne, sondern auch für freie Wahlen und die deutsche Einheit demonstriert. Dieses Vermächtnis des 17. Juni 1953 ist durch die friedliche Demonstration des Herbstes ’89 vollendet worden und hat in der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 Erfüllung gefunden.

Vielen Dank und natürlich ebenfalls Glückwunsch zum 150. Geburtstag!
 
Marko Michels

Nach oben scrollen