Radsport mit Zukunft ?!

Nach der Straßen-WM kürzlich in Stuttgart und ein Jahr vor Olympia steht der Radsport weiter in der Diskussion …

Stefan Nimke, Schwerins Rad-Olympiasieger 2004Kürzlich fanden die Straßen-Radsport-WM in Stuttgart statt. Vor allem mit Stefan Nimke hat die Landeshauptstadt M-V`s einen der herausragendsten Bahn-Radsportler der Gegenwart.

Bei Olympia 2000 in Sydney gewann er Silber im 1000 Meter-Zeitfahren; vier Jahre später, in Athen, folgte Bronze im 1000 Meter-Zeitfahren und Gold im Team-Sprint. Bei den Bahnrad-WM ein Jahr zuvor, 2003, in Stuttgart konnte er auch den WM-Titel im Zeitfahren erkämpfen.

Lange Radsport-Tradition in Schwerin …

Bereits im Jahr 1886 wurde der „Schweriner Radfahr-Verein“ gegründet; am 23./24.Juni 1888 feierte der Verein mit der „Vereinigung der Mecklenburgischen Radfahrer“ sein Stiftungsfest.

Im Olympiajahr 1896 bekam der Verein innerstädtische Konkurrenz mit dem Rad-Klub „Greif zu“.

Drei Jahre später, 1899, gründete sich noch ein radsportlicher Verein in Schwerin – die „Wanderer“, dem die Mitglieder von „Greif zu“ beitraten.
Im Jahr 1909 kam noch der Radsport-Klub „Sport“ dazu, der allerdings keine größere Bedeutung hatte.

… Nach der Wende 1989/90 wurde in Schwerin u.a. das traditionsreiche „Pfaffenteich-Rennen“ der Radsportler einige Zeit wiederbelebt.

In Wismar fand das „Hanseatenringrennen“ ein zahlreiches Publikum und in Bad Doberan fuhren die Radsportler „Rund um den Kamp“.

Und seit Ende der 1990er Jahren sorgt insbesondere Stefan Nimke bei WM, Weltcup oder Olympia für internationales Edelmetall aus Schweriner Sicht !

„Der Radsport hat Zukunft !“

Ende September fanden in Stuttgart die Straßen-Radsport-WM statt. Viel Wirbel im Vorfeld gab es nach den Doping-Diskussionen und -Enthüllungen in dieser Sportart; sogar die Absage der WM stand zur Debatte.

Vergessen wurde dabei, dass es in der jüngsten Vergangenheit und in der Gegenwart auch in den anderen nichtolympischen wie olympischen Sportarten, ob in der Leichtathletik, im Schwimmen, im Gewichtheben, im Kraftsport, im Reitsport und sogar im Fußball, zahlreiche Doping-Fälle gab.

Und daher sollte auch anerkannt werden, dass auch bei den Straßen-Radsport-WM überwiegend guter, sauberer Sport geboten wurde.

Aus deutscher Sicht feierte dabei Hanka Kupfernagel ein klasse Comeback. Nachdem sie sich in den letzten Jahren mehr auf Cross und Mountainbike konzentrierte, kehrte sie gleich 2007 auf die Straßen-Gold-Spur zurück.

Mit Olympia-Silber 2000, drei WM-Titeln im Querfeldeinfahren und dreißig deutschen Meistertiteln auf der Bahn, der Straße, im Cross und auf dem Mountainbike gehört sie ohnehin bereits zu den besten Radsportlerinnen in Deutschland.

Sie selbst war nach dem Erfolg im WM-Zeitfahren natürlich mehr als zufrieden: „Diesen Sieg von Stuttgart hänge ich ganz hoch. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Ich bin zu Hause vor eigenem Publikum gefahren und wurde super angefeuert. Außerdem war ich zweimal dicht an diesem Erfolg. 1998 sprang sogar Bronze heraus. Ich bin ganz happy – die Schufterei hat sich ausgezahlt !“, meinte die gebürtige Thüringerin nach der WM.

Marta Bastianelli, Rad-Weltmeisterin 2007
Marta Bastianelli, Rad-Weltmeisterin 2007. Foto: BDR

Die anderen Titel gingen im Straßenrennen der Damen an Marta Bastianelli (Italien), im Straßenrennen der jungen Radfahrer (U 23) an Peter Velits (Slowakei), im Zeitfahren der Herren an Fabian Cancellara (Schweiz), im Zeitfahren der Nachwuchsfahrer an Lars Boom (Holland) und im Elite-Straßenrennen der Herren ausgerechnet an den unter Dopingverdacht stehenden Italiener Paolo Bettini.

Hier belegte Deutschlands Stefan Schumacher Rang drei und war ziemlich zufrieden: „Ich stehe zum ersten Mal auf dem WM-Podium., und das vor eigenem Publikum. Mehr war nicht drin. Ich bin glücklich !“.

Auf die Frage, ob es eine Ironie des Schicksals sei, dass ausgerechnet Bettini gewann, meinte Schumacher treffend: „Ironie des Schicksals war, dass diese WM gezeigt hat, wie viele Leute den Radsport lieben. Stuttgart war ein großes Radsport-Fest. Und diese Euphorie macht Mut für die Zukunft …“

Der Medaillenspiegel von Stuttgart 2007: 1. Italien: 2 x Gold, 2. Niederlande: 1 x Gold/1 x Silber/1 x Bronze, 2. Deutschland: 1 x Gold/1 x Bronze, 4. Schweiz/Slowakei: je 1 x Gold, 6. Russland: 2 x Silber, 7. Australien/Ungarn/USA: je 1 x Silber, 10. Frankreich/England/Österreich: je 1 x Bronze.


Interview

Uwe Meinke, Präsident des Radsport-Verbandes M-V, zur Straßen-Radsport-WM 2007, zur Doping-Diskussion im Radsport und über Mecklenburgs Rad-Olympiasieger Stefan Nimke

Frage: Wie beurteilen Sie den Wert und das Niveau der diesjährigen WM in
Stuttgart ? Wie ist Ihre Meinung zur Zukunft des Radsportes, international, national aber auch regional in M-V ? Die Doping-Diskussion überschattete diese WM …

Uwe Meinke: Die Straßen-Rad-WM in Stuttgart war von allen beteiligten Seiten, dem internationalen Verband, dem Bund Deutscher Radfahrer und der Stadt Stuttgart, als Ausgangspunkt und Orientierung für einen „neuen, sauberen Radsport“ geplant und publiziert worden.

Eine Meßlatte, welche aus meiner Sicht zu hoch angesetzt war und zum jetzigen Zeitpunkt unrealistisch ist. Zu unterschiedlich sind die
Herangehensweisen und die Sicht auf die Problematik.

Noch mehr erschreckt mich die Tatsache, dass insbesondere in der öffentlichen Darstellung allein der Radsport in seiner Gesamtheit negativ dargestellt wird, die „Heiligen Kühe“ des deutschen Sport, die so genannten Kernsportarten, allerdings – nach kläglichen Versuchen – nicht angetastet werden.

Während die Stadt Stuttgart ehemalige nicht überführte Radsportler reihenweise zur unerwünschten Person erklärt hat (u.a. Merckx, Altig etc.), sitzt der überführte Doper, der Langstrecken-Läufer Dieter Baumann beim internationalen Leichtathletik-Meeting als Ehrengast im Daimler-Stadion.

Vier nachgewiesen auf der Fuentes-(Doping-)Liste stehende Fußballer des FC Barcelona bleiben vor und während des Europapokalspiels unbehelligt.

Frage: Trotz der vielen Doping-Vergehen in anderen Sportbereichen: Hat der Radsport nicht dennoch ein erhebliches Doping-Problem ?!

Uwe Meinke: Der Radrennsport hat ein Dopingproblem – das ist eindeutig ! Ich bin weit davon entfernt diese Tatsache zu igorieren, bemängele aber, dieses Problem ausschließlich auf den Profiradsport zu beschränken.

Doch man muß der Öffentlichkeit bitte auch zur Kenntnis geben, dass insbesondere im Radsport, im BDR, in den einzelnen Profi-Teams und in der Ausbildung unserer Radsport-Talente viel Beispielhaftes unternommen wird, um die Ursachen und Begleiterscheinungen wirksam zu bekämpfen.

Von fairer Berichterstattung, klar erkennbarer auch öffentlicher Aufarbeitung eigener Fehler (Wer macht unsere „Helden“ hoffähig !), von langfristigen Konzepten gemeinsam gegen diesen Sumpf anzugehen, kann ich nicht viel erkennen.
ARD und ZDF schalten ab. Basta.

Die Doping-Problematik ist auch an unserem Verband nicht spurlos vorüber gegangen. Obwohl seit vielen Jahren, bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften kein Spitzenfahrer unseres Landes jemals positiv getestet oder auffällig wurde, ist ein Rückgang der Veranstaltungen unverkennbar.

So werden in der Saison 2008 hochkarätige Radsportveranstaltungen in Wismar, Rostock und Bad Doberan nicht mehr stattfinden. Es hat in den Jahren seit Bestehen des Radsport-Verbandes M-V kein Rennen gegeben („Rund um den Pfaffenteich“ ausgenommen ) an dem Profis, der vom Doping betroffenen Kategorie gestartet sind.
Bundesligarennen gab es in M-V nicht.

Es wird zunehmend schwerer, Sponsoren für unsere Veranstaltungen zu finden. Die Leidtragenden sind – wie kann es anders sein – unsere jungen Sportler.

Da hilft kein Jammern, aber auch kein Zabel, Aldag, Jaksche etc..
Für unsere Nachwuchs-Renner gibt es kaum noch Möglichkeiten sich den Eltern, Freunden, Schulkameraden zu präsentieren und zu zeigen, was man im oft harten Training gelernt hat.

Wenn der Bundesminister für Inneres, und zugleich oberster Sportfunktionär, über die Streichnung von Fördermitteln im Radsport nachdenkt, scheint ernicht zu wissen, dass diese Mittel ausschließlich für den Nachwuchsleistungssport Verwendung finden.

Wieder sind unsere Kinder undJugendlichen die Leidtragenden. Für die Motivation und das Engagement unserer wenigen ehrenamtlichen Trainer und Übungsleiter ist eine derartige, kurzsichtige Herangehensweise sicher nicht förderlich. Wer sich in guten Zeiten mit Erfolgen schmückt, sollte in schlechten Zeiten nicht gleich das Weite suchen.

Frage: Trotz aller Doping-Diskussionen wurde in Stuttgart auch herausragender Straßen-Radsport geboten, mit so sympathischen Weltmeisterinnen wie Hanka Kupfernagel oder Marta Bastianelli. Wie ist Ihre sportliche Meinung zur WM ?

Uwe Meinke: In Stuttgart habe ich mich ganz besonders über den weltmeisterlichen Auftritt von Hanka Kupfernagel und den vierten Platz von Bert Grabsch im Einzelzeitfahren der Elite gefreut.

Die Grundlage für ihren Start bei der WM legten beide Sportler in M-V, bei den deutschen Meisterschaften Anfang Juni in Warnemünde. Beinahe 15000 Menschen sahen Radsport auf höchstem Niveau.

Annähernd sogar 250000 Zuschauer wurden bei der WM am Abschlußtag gezählt.
Das werden nicht nur „unbelehrbare Fans“ gewesen sein. Der Radsport hat von seinen Sternen einige verloren, seine Faszination nicht.

Viele engagierte Radler, wirkliche Freunde eines sauberen Radsports und nicht zuletzt ich als Verbandspräsident in M-V werden nicht aufhören, dafür zu kämpfen, dass auch unsere Radsport-Anhänger weiterhin Radsport der Extra-Klasse präsentiert bekommen.

Der Radsport-Verband M-V wird 2009 Gastgeber der Deutschen Schüler-, Jugend- und Juniorenmeisterschaften im Straßenrennsport sein.
Also, der Radsport wird weiter leben – in M-V und anderswo !!

Frage: Mit Stefan Nimke stellt M-V einen aktuellen Olympiasieger auf der Bahn. Was zeichnet ihn aus …

Uwe Meinke: Stefan Nimke ist und bleibt auf lange Sicht das Aushängeschild unseres Verbandes.

Sein öffentliches Auftreten, sein Engagement für den Nachwuchs, seine durchweg sauberen Erfolge sind, nicht nur für uns Radsportler, beispielgebend. Ich glaube, ein Stefan Nimke braucht niemandem mehr etwas zu beweisen und ich wünsche ihm für Peking viel Erfolg.

Es bleibt zu hoffen, dass Stefan dem Radsport in M-V, auch nach seiner aktiven Karriere, mit seinen Erfahrungen zur Seite steht.

Marko Michels

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