Sportliche Ziele mit dem Kanu

Schwerin mit besonderen Bindungen zum Kanusport

Der Kanu-Rennsport in Mecklenburg-Vorpommern hat Tradition. Das wird in der erfolgreichen Bilanz bei Weltmeisterschaften ersichtlich. So erkämpften hiesige Kanu-Sportler allein mehr als 70 WM-Titel. Das erste WM-Gold errang 1971 Alexander Slatnow. Die erste olympia-Medaille für MV holte nur ein Jahr später Ilse Kaschube (SC Neubrandenburg) im K 2 über 500 Meter. Das erste olympische Gold folgte 1976 durch Rüdiger Helm, Bernd Olbricht und Carola Zirzow (alle SC Neubrandenburg).

Es folgte Titel um Titel. Namen wie Anke Nothnagel (verheiratete von Seck), Ramona Portwich, Roswitha Eberl, Bernd Olbricht, Olaf Winter oder Andreas Dittmer verhalfen dem Sport zu seiner heutigen Bedeutung. Der gebürtige Neustrelitzer Andreas Dittmer (Verein SC Neubrandenburg), der seine Kanu-Rennsport-Karriere 1982 bei “Motor Süd Neubrandenburg” im Alter von 10 Jahren begann, ist dabei der erste Kanute aus Mecklenburg-Vorpommern, der Medaillen bei drei verschiedenen Olympischen Spielen erkämpfte.

Die vorerst letzte olympische Goldmedaille für einen Verein des Landeskanuverbandes MV erkämpften sich 2008 Martin Hollstein (SC Neubrandenburg) und Andreas Ihle im Zweier-Kajak über 1000 Meter. 2012 im Dorney Lake bei Windsor gab es für Martin Bronze. Dennoch gewann im selben Jahr ein Mecklenburger Gold. Peter Kretschmer, 1992 in der Landeshauptstadt M-V geboren und für den KC Potsdam aktiv, wurde mit Kurt Kuschela Goldmedaillen-Gewinner im Zweier-Canadier über 1000 Meter.

Ein Jahr vor den anstehenden Olympischen Sommerspielen in Rio wollte Schwerin-NEWS wissen, wie es um die Situation im mecklenburgisch-vorpommerschen Kanu-Rennsport bestellt ist. Marko Michels fragte beim Geschäftsführer des Kanu-Verbandes M-V, Jirka Letzin, nach.

„Der Nachwuchs im Kanu-Rennsport-Land MV ist weiterhin da …“

Frage: Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Kanu-Rennsportes hierzulande in den letzten Jahren? Wer aus MV hat aus Ihrer Sicht Chancen in Rio dabei zu sein?

Jirka Letzin: Natürlich haben wir als „Randsportart“ Probleme, Nachwuchs zu generieren. Trotzdem gibt es in der Nachwuchsarbeit des gesamten Kanu-Rennsport-Landes M-V Lichtblicke, die uns positiv stimmen. Hier sind Vereine wie der SC Neubrandenburg, der WSV Einheit Neustrelitz, der Rostocker KC – in enger Zusammenarbeit mit den Kanufreunden Rostocker Greif – und der Malchiner KC zu nennen. Diese, und viele Vereine mehr, arbeiten ständig an der Basis, um Kanu-Nachwuchs an den Stützpunkt nach Neubrandenburg zu delegieren. Das System funktioniert, kann und muss aber in den nächsten Jahren intensiviert werden.

Für Rio sind wir, im Vergleich zu anderen Sportarten im Land, noch gut aufgestellt. Wir haben mit Martin Hollstein einen Sportler, der weiß, wie Medaillen bei olympischen Spielen errungen werden. Zusätzlich haben wir mit Paul Mittelstedt, Gordan Harbrecht (beide Kajak) und Erik Rebstock (Canadier) noch weitere Olympia-Anwärter. Wer sich letztendlich durchsetzt, werden wir in 2015 und dann speziell im Jahr der Spiele 2016 sehen.

Frage: Rückblick ins Jahr 2014, zu den EM und WM: Wie bewerten Sie die Leistungen aus deutschem und internationalem Blickwinkel? Für die hiesigen Kanuten war das Jahr bekanntlich nicht so erfolgreich.

Jirka Letzin: Das Jahr 2014 war von den Ergebnissen im Bereich der Leistungsklasse ein eher schlechteres Jahr für den Deutschen Kanu-Verband und den Landeskanuverband M-V. Das hat nicht mit der Leistungsbereitschaft unserer Athleten zu tun.
Vielmehr gab es eine deutliche Entwicklung und damit einen enormen Leistungsschub auf internationaler Ebene. Es gibt mittlerweile mehr als eine Handvoll Nationen, neben Ungarn, Deutschland und Russland, die bei Olympischen Spielen Medaillen erkämpfen. Länder, wie zum Beispiel Serbien, Großbritannien und andere, fahren bei internationalen Regatten um Siege mit.

Dieser Entwicklung mussten wir, spätestens in 2014, Rechnung tragen. Der DKV und wir als LKV M-V reagieren darauf und versuchen, Kräfte zu bündeln und die knappen Ressourcen umzustrukturieren. So gab es auf DKV-Ebene einen Wechsel in der Trainerstruktur. Wir als LKV M-V versuchen, im Nachwuchsbereich die nationale Spitze mitzubestimmen. Klar ist aber auch, dass wir als kleiner Landesverband im Vergleich, zu beispielsweise Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, mit den wenigen Leistungssportlern nicht in allen Booten das Maß der Dinge sein können.

Wir haben im letzten Jahr 14 Medaillen und viele sehr gute Platzierungen bei den Deutschen Meisterschaften in Hamburg errungen. Das wollen wir noch steigern.

Frage: Wie ist es um den Nachwuchs im Land bestellt?

Jirka Letzin: Der Nachwuchs im Kanu-Rennsport-Land M-V ist weiterhin da. Wir müssen ihn „nur“ abholen. Daher unterbreiten wir in Zusammenarbeit mit den Vereinen attraktive Angebote. Bei uns zählt ab einem gewissen Alter der Fleiß, der Wille und die Beharrlichkeit, an seinen Zielen festzuhalten. Nichtsdestotrotz sollte ein Kanute im Nachwuchs so breit wie möglich in seiner sportlichen Ausbildung aufgestellt sein. Er sollte mit seinem Körper umgehen können – Stichwort „koordinative Fähigkeiten“ – begeisterungsfähig für Neues sein und, was das Wichtigste ist, Spaß am Kanusport entwickeln und lange daran festhalten wollen.

Vielen Dank!

 

Info: Der gebürtige Schweriner Kanu-Rennsportler Peter Kretschmer (Jahrgang `92) erkämpfte nicht nur Olympia-Gold (mit Kurt Kuschela) im Canadier-Zweier über 1000 Meter 2012 in London. Er gewann ferner WM-Bronze im C 2 über 500 Meter 2011 in Szeged und EM-Silber im C 2 über 1000 Meter 2012 in Zagreb.

Übrigens: Dank des Schweriner Kanu- und Kleinsegelvereines, gegründet 1920, hat Schwerin auch einen besonderen Bezug zum Kanusport. Der Schweriner Walter Rohde (Kanu- und Kleinsegelverein) gab dabei vor acht Jahren ein regionales Standardwerk zum Kanu-Rennsport in M-V heraus. Nach umfangreichen Recherchen und Befragungen von Zeitzeugen, aber auch dank vieler persönlicher Erfahrungen aus der Kanuszene erstellten Carl-Heinz Martens (Neubrandenburg), Manfred Martens (Schwerin) und der erwähnte Walter Rohde seinerzeit erstmals eine umfassende Chronik über den Kanusport in Mecklenburg-Vorpommern.

Die interessante Kanu-Publikation umfasst die Entwicklung des Kanu-Rennsports, des Kanu-Wanderns und weiterer Kanusparten in allen Vereinen, die seit 1920 bis 2005 bestanden, bzw. heute noch bestehen. Etwa 60 Vereine, das sind fast alle, sind einzeln und ausführlich beschrieben worden.

Marko Michels

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