Stadtarchiv treibt Digitalisierung voran

Archivbestand im „Gedächtnis der Stadt“ wuchs 2015 um 35 Meter

 

Archivar Jens-Uwe Rost bei der Recherche im Archiv. (Foto Landeshauptstadt)Warum heißt der Jungfernstieg eigentlich Jungfernstieg? Wie sah es früher auf der Paulshöhe aus? Hatte Schwerin schon mal eine Oberbürgermeisterin? Haben meine Familienangehörigen vielleicht in Schwerin gewohnt? Wie sahen die Baupläne Georg Adolf Demmlers aus, dessen Bauten heute noch die Landeshauptstadt prägen? Wer auf diese und andere Fragen eine Antwort sucht, fragt im Schweriner Stadtarchiv nach.

Denn im Stadtarchiv werden Urkunden, Amtsbücher, Akten und andere Dokumente verwahrt, angefangen vom 15. Jahrhundert bis in unsere heutige Zeit. Die Archivalien dokumentieren die Tätigkeit von Rat und Verwaltung und damit die Geschichte der Stadt. Das Stadtarchiv ist das Gedächtnis der Stadt und zuständig für die Aufbewahrung von historisch wertvollem Schriftgut sämtlicher kommunaler Fachdienste und Einrichtungen.

 

Ohne Archivarbeit droht Gedächtnisschwund

Diese wichtige Archivarbeit ist aus gutem Grund eine kommunale Pflichtaufgabe, denn sonst würde uns eines Tages Gedächtnisschwund drohen. „Im Laufe der Jahrhunderte ist hier einiges zusammen gekommen“, berichtet der Direktor des Stadtarchivs Dr. Bernd Kasten bei der Vorstellung seines Jahresberichts 2015. Allein die Akten würden – zu 30-Zetimeter-Stapeln nebeneinandergelegt – eine Länge von 3,5 Kilometern erreichen. „Daneben verwahren wir bei uns im Hauptarchiv in der Johannes-Stelling-Straße 2 und in der Außenstelle in der Willi-Bredel-Straße 18 über 13 000 Fotos, mehr als 500 Karten, 2000 Baupläne, Tausende von Plakaten und Broschüren in den Sammlungen zur Stadt- und Theatergeschichte.“

Im vergangenen Jahr haben 140 Nutzerinnen und Nutzer an 151 Tagen in der Außenstelle und 133 Nutzerinnen und Nutzer an 178 Tagen in der Hauptstelle Archivgut eingesehen. „Besonders hoch im Kurs standen Fragen zum Personenstandswesen – also Geburten, Taufen und Sterbefälle“, erläutert Bernd Kasten. „Insgesamt wurde hierzu im vergangenen Jahr 172 Mal nachgefragt. Gesucht wurden aber auch Schulzeugnisse, die verloren gingen, oder auch alte Bauakten und Baupläne, die bei der Sanierung denkmalgeschützter Häuser benötigt werden.“ Alte Klassenbücher finden sich dagegen nur in einer vergleichsweise kleinen Auswahl im Archiv. Für eine Komplettarchivierung ist ihr Umfang einfach zu groß und ihr historischer Aussagewert zu klein.

Im vergangenen Jahr lag das Hauptaugenmerk der Mitarbeiter in der Aufbereitung von Akten der Stadtverwaltung aus den Jahren 1945 – 1990 u. a. der Staatlichen Bauaufsicht und der Abteilung Umwelt, Wasserwirtschaft und Erholungswesen, um sie für die Bürgerinnen und Bürger nutzbar und einsehbar zu machen. Weitere Bereiche umfassten Schulen, Nachlässe sowie Vereine und Verbände. Neu hinzugekommen in den Bestand des Stadtarchives sind im vergangenen Jahr mehr als 35 laufende Archivmeter.

 

Digitalisierung schreitet voran

Auch die Digitalisierung von Archivbeständen schreitet voran. So konnte das seit 2010 übernommene Standesamtsregister im Umfang von ca. 19.000 Seiten durch eine Fachfirma digitalisiert werden. Das erleichtert die Nutzung dieser stark beanspruchten Bestände, weil jetzt nicht mehr bei jeder Anfrage auf die gebundenen Originaldokumente zurückgegriffen werden muss. Im September 2015 wurde das Hauptarchiv in der Johannes-Stelling-Straße mit einer 100 MB-Datenleitung ausgestattet. Sie erleichtert die Datensicherung und die Präsentation der gefundenen Dateien und Archivalien in den verschiedenen Archivportalen im Internet.

Für die Recherche steht den Nutzerinnen und Nutzern neben den Findbüchern, in denen die Archivalien nach Aufgabengebieten und Inhalten gegliedert sind, auch die zentrale Datenbank des Archivs zur Verfügung, in der durch Schlagwortsuche die schnelle Ermittlung der zu einem Thema vorhandenen Akten kein Problem mehr darstellt.

Um den Schwerinerinnen und Schwerinern die Stadtgeschichte näherzubringen, hat Stadtarchivar Bernd Kasten 2015 wieder zahlreiche Vorträge gehalten – über das Kriegsende 1945, die Person Anthony Fokkers , über Beisetzungen und Grablege der großherzoglichen Familie im Schweriner Dom oder die Darstellung der mecklenburgischen Landesgeschichte in den Schulbüchern. Besonderen Anklang fanden die Dokumentarfilme zu Schwerin und Mecklenburg aus dem Stadtarchiv, die anlässlich der Schweriner Kulturnacht gezeigt wurden. Auch in diesem Jahr sind wieder einige der beliebten Vorträge geplant, u.a. zur Befreiung und Besetzung Westmecklenburgs durch amerikanische Truppen im Mai 1945 und den NS-Euthanasieverbrechen auf dem Sachsenberg.

 

Geplante Vorträge 2016

25. Mai
Schleswig-Holstein-Haus, Historischer Verein Schwerin:
Von Bangkok bis Wiligrad – Herzog Johann Albrecht zu Schwerin (1857-1920)

27. Mai
Tagung der Stiftung Mecklenburg:
„Befreiung und Besetzung Westmecklenburg durch amerikanische Truppen im Mai 1945“

13. Oktober
Welterbe-Tagung zum Residenzensemble:
Urbaner Wandel in Schwerin durch die Rückkehr der großherzoglichen Residenz im 19. Jahrhundert

21. Oktober
Mecklenburgischer Geschichtsverein:
NS-Euthanasieverbrechen in der Heil- und Pflegeanstalt Schwerin-Sachsenberg 1939-1945

 

Quelle: LHS

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