Tore Aleksandersen hinterlässt in Schwerin bleibende Erfolgsspur

Der coole Norweger geht
Tore_AleksandersenTore Aleksandersen geht. Nach fünf Jahren erfolgreicher Trainingsarbeit beim Schweriner SC kehrt der international erfahrene Volleyball-Coach in sein Heimatland Norwegen zurück. „Ich habe aus familiären Gründen den Entschluss gefasst, wieder nach Norwegen zurückzukehren. Seit 2001 hat unsere Familie im Ausland gelebt. In dieser Zeit haben wir viel erlebt. Aber jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an die weitere schulische Ausbildung der Kinder zu denken. Unsere Tochter Maren hat die 4. Klasse an der Neumühler Schule beendet und könnte nun leicht den Übergang an eine norwegische Schule schaffen. Meine Verlobte Monica ist zu Weihnachten mit dem Studium Staatswissenschaft/Jura fertig und möchte gerne wieder arbeiten.“ Für die Teamleitung sind die persönlichen Gründe von Tore Aleksandersen, den SSC zu verlassen, nachvollziehbar, obwohl sie sehr bedauert, Tore nicht mehr an der Spitze der Mannschaft zu wissen. Sie dankt dem engagierten Coach für seine mehrjährige intensive Arbeit zur Entwicklung des Frauen-Volleyballs in Schwerin.

Neues Volleyball-Projekt in Norwegen
Die  Entscheidung von Tore Aleksandersen ist unumkehrbar, da Verabredungen mit dem norwegischen Volleyballverband über seinen künftigen Einsatz bereits getroffen sind. „Zu Hause werde ich als Trainer arbeiten können. Wir entwickeln das gleiche Projekt wie Holland. Als Verband und Verein ziehen wir alle Nationalspielerinnen an einem Ort  zusammen. Das wird Stavanger sein. Dort wird eine riesige Volleyball-Halle gebaut mit allem Drum und Dran. Investoren unterstützen dieses Projekt. Wir beginnen mit 15 Spielerinnen im Alter von 16 bis 22 Jahren. Meine Aufgabe wird es sein, eine gute Nationalmannschaft aufzubauen.“ Stavanger ist für Tore auch nur mit dem Flugzeug zu erreichen. Sein Zuhause ist in Molde. Da das Projekt ihn mindestens fünf Jahre in Anspruch nehmen wird, plant die Familie einen Umzug nach Stavanger. Wenn Tore Mitte Juni nach Norwegen zurückkommt, wird er nicht viel Zeit zum Ausruhen haben. „Mein erster Arbeitstag beginnt sofort, wenn ich zu Hause bin. Dann wird das Projekt der Presse vorgestellt und mein Vertrag wird unterschrieben.“ Tore, wie ihn in Schwerin jeder nennt, hinterlässt bleibende Spuren in der über 50-jährigen Volleyball-Geschichte Schwerins. 2006 wurde er mit der Mannschaft des SSC Deutscher Meister und Pokalsieger, 2007 Vizemeister und Pokalsieger.

Per Post kam der Vertrag
Tore_AleksandersenAngefangen hatte alles am Ende der Saison 2002/03. Der SSC suchte einen neuen Trainer und Tore gehörte zu den Bewerbern. “Es war ein unglaublicher Zufall, nach Schwerin gekommen zu sein, erinnert sich Tore. Ich hatte mich in ganz Deutschland beworben. Die Leipziger Freundin eines Trainerkollegen aus Norwegen machte mich auf Schwerin aufmerksam. Zuerst dachte ich, Schwerin ist eine Nummer zu groß für mich. Ich wollte dort nicht anrufen. Das tat die Freundin aus Leipzig und ich wurde für 5 Tage im April 2003 nach Schwerin eingeladen. Zwei Spiele habe ich mir angesehen, das Training nicht, das war alles geheim. Dann fuhr ich zurück und nach 14 Tagen hatte sich meine sehnlichste Hoffnung erfüllt. Per Post kam der Vertrag aus Schwerin.“ Seine Vorstellungen stimmten mit dem Konzept des Schweriner SC überein, mit dem eigenen Nachwuchs zur Spitze aufzuschließen. Dies hatte er bereits in Norwegen als Trainer praktiziert und die von ihm selbst aufgebaute Mannschaft in die 1. Liga seines Landes geführt. Tore bekam das Vertrauen der Schweriner Teamleitung. Denn ihr war auch bekannt, dass Tore im Wettkampfjahr 2001/02 als Trainer der Profimannschaft Minnesota Chill Privat die amerikanische Meisterschaft gewonnen hatte und viele Wochen zu Studienzwecken im Ausland weilte, u.a. in Japan bei dem Erfolgstrainer Ariel Selinger. So begann die Saison 2003/04 für den Schweriner SC mit ihm als Trainer. Über den Neuanfang in seiner Trainerkarriere weit weg vom Zuhause und seiner Familie sagt Tore: “Mein Englisch war zwar gut, aber ich konnte nur fünf Worte deutsch reden. Michael Evers von der Teamleitung gab mir den Schlüssel eines Smart und einen Stadtplan in die Hand. So irrte ich anfangs durch Schwerin. Und für drei Stunden Training habe ich mindestens vier Stunden Vorbereitung gebraucht. Doch ich habe losgelegt wie die Feuerwehr und habe 35 Stunden trainiert. Einigen Spielerinnen war das zuviel. Ich hatte nicht durchschaut, wie  hier Sport, Schule und Ausbildung ineinandergreifen und geglaubt, Profis sei dieses Training zuzumuten. Für die Mädels war mein erster Auftritt ein Kulturschock“

Die Trauben des Erfolgs hängen hoch
Der Anfang war schwierig und die Trauben des Erfolges hingen hoch. Die Saison ging mit einem 4. Platz in der Meisterschaft zuende, im Pokalhalbfinale kam für Schwerin das Aus. Noch derber ging es in der Saison 2004/05 zu, die Tore als „Saison der Enttäuschungen“ bezeichnet hat. Im Pokalwettbewerb kam sehr schnell das Aus und in der Meisterschaft gingen für den Schweriner SC elf Spiele mit 2:3 verloren. Die 14-tägige Aufbauarbeit in Japan zur Saisonvorbereitung hatte sich offensichtlich nicht ausgezahlt. Reihenweise waren Stammspielerinnen vom Verletzungspech verfolgt, so dass die Schweriner noch froh sein konnten, in der Meisterschaft auf den 5. Platz gekommen zu sein. „Ich habe vor dem Ende der Saison gesagt, wenn wir hier durchkommen, haben wir viel gelernt“, meint Tore. Dann kam die Saison 2005/06. Neue junge Spielerinnen wie Julia Retzlaff wurden in den Kader aufgenommen. Und Nationalspielerin Sylvia Roll war nach mehreren erfolgreichen Jahren im Ausland wieder in die Mannschaft zurückgekehrt. Die Mannschaft fand zu einer „neuen Qualität der Spieldisziplin“, wie Tore sich erinnert. Vor 11000 Zuschauern in Halle/Westfalen schließlich zelebrierten die Schweriner Mädels im Pokalfinale 2006 ein faszinierendes Spiel am hohen Netz. Sie schlugen den USC Münster 3:0 und eroberten den Pokal. Das Double wurde perfekt gemacht mit dem Gewinn der Meisterschaft mit klarem Vorsprung vor Vilsbiburg. Den Schlüssel für den weiteren Erfolg sah Tore im harten Training. „Der coole Norweger“, wie ihn Diagonalspielerin Kristin Kasperski einmal nannte, feilte an den vielen Kleinigkeiten, die ein Spiel kaputt machen können und leistete intensive Kopfarbeit bei den Spielerinnen. Das Konzept ging auf. Im Pokalfinale 2006/07 behielten die Schwerinerinnen mit einem 3:1 gegen Dresden in Halle/Westfalen die Oberhand. In der Meisterschaft drehte Dresden den Spieß um und wurde Meister. Schwerin blieb der Vizetitel. Den größten Erfolg aber verbuchten Aleksandersen und seine Damen mit dem 3. Platz im europäischen Top-Teams-Cup 2007. Nach 15 Jahren war das die erste Medaille für den Schweriner SC auf europäischer Ebene. Die letzte Saison im Dienste des SSC (2007/08) hat Tore Aleksandersen mit dem Bronzerang in der Meisterschaft beendet.

Kein Tschüß auf Ewigkeit
Angesichts der Erfolge mit seiner Mannschaft und dem liebgewordenen Umfeld fiel es dem sonst so auf  Perfektheit bedachten Trainer nicht leicht, seinem zweiten Zuhause in Schwerin ade zu sagen. „Vermissen werde ich vieles: die Freunde im Verein, die Trainerkollegen, die Verantwortlichen vom Verein, die Fans, die sehr freundlich eingestellten Sponsoren, vor allem aber meine Spielerinnen. Einigen ging es sehr nahe, als sie von meinem Weggang hörten. Es macht mich einfach stolz, dass sie dieses Trainingspensum mitgemacht haben. Zeiten des Meckerns gab es auch, vor allem aber Spaß und Freude am Spiel. Ich bin mir sicher, dass der SSC ein Spitzenklub im deutschen Volleyball bleiben wird. Garantiert komme ich zurück, um mir Spiele anzuschauen. Die Schweriner Erfahrungen werden für mich wichtige Bestandteile beim Aufbau der norwegischen Nationalmannschaft sein. Ich verlasse Schwerin mit schwerem Herzen. Zugleich macht mich froh, was ich hier erlebt habe. Ich weiß, Freundschaften sind für immer da und Abschied bedeutet kein Tschüß auf Ewigkeit.“

Schwerin wurde unser zweites Zuhause
Verlobte Monica und die Kinder Maren, Tora und Sebastian freuen sich, den Papa ständig wieder in ihrer Nähe zu haben. Dazu Tore: „Es ist für die Kinder leichter, in Norwegen zur Schule zu gehen. Während unseres Aufenthaltes in Schwerin waren unsere Kinder Maren und Tora gut aufgehoben an der Neumühler Schule und an der Otto-Steinfatt-Schule. Sohn Sebastian wurde hier geboren. An Schwerin wird sich die ganze Familie gern erinnern. Die Stadt wurde unsere zweite Heimat. Viele Menschen haben es uns leicht gemacht, hier zu Hause zu sein. Dafür danke ich herzlich, vor allem der Teamleitung des Schweriner SC und dem gesamten Betreuerstab, der mich in den fünf Jahren zuverlässig begleitet hat. Ich hoffe, dass ein neuer Trainer die Zeit bekommt, etwas Neues aufzubauen. Ich kann sagen, dass ich nach fünf Jahren hier nicht fertig geworden bin. Man muss die richtigen Leute und die richtige Mischung finden. Einen Titel zu gewinnen, ist ein unglaublich schönes Gefühl. Aber wichtig ist für mich: Was trainiert wird, wird auch umgesetzt. Dabei vergesse ich nie, dass Fans die Spiele mit gewinnen

Wolfgang Schmidt

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