Vom Bajazzo zur Fledermaus

Schlossfestspiele 2013 wieder auf dem Alten Garten „Open Air“

Nun also „Die Fledermaus“. Seit 1993 sind sie ein künstlerisch-kulturelles Markenzeichen von Schwerin – die Schlossfestspiele. Ob im Schloss-Innenhof, auf der Freilichtbühne im Schlossgarten oder auf dem Alten Garten vor der romantischen Kulisse des Schweriner Schlosses. Für viele Theaterfreunde bleiben gerade die Aida-Aufführungen auf dem Alten Garten 1999 unvergesslich, als man sowohl beste Plätze auf den Rängen der Spielstätte Alter Garten hatte, als auch besten Blick von den Schiffen der Weißen Flotte am Schloss-Anleger.

Der Juni und Juli gehören in Schwerin jedenfalls – nicht nur aber vor allem – den Schlossfestspielen. In diesem Jahr wird eines der renommiertesten, unbeschwertesten und meist gespielten Operetten von Johann Strauss ein erwartet zahlreiches Publikum begeistern. Es wird die 1874 uraufgeführte Operette „Die Fledermaus“ für das Schweriner Publikum nebst zahlreichen Gästen „fliegen“. Eigentlich dürfte es da eine positive Grundhaltung geben, selbst bei Naturschützern, denn „diese Fledermaus“ steht nicht unter Naturschutz, sondern auch unter besonderem künstlerischen Schutz.

Die Rolle des „Frosches“, also des gleichnamigen Gerichtsdieners, ist prominent besetzt. Mit Walter Plathe, der 1971 bis 1975 zum Ensemble des Mecklenburgischen Staatstheaters gehörte und von dort aus die Bühnen, Leinwände und „TV-Apparate“ in ganz Deutschland eroberte.

Was ist nun aber das Besondere, das Neue und dennoch Bewährte an der „Fledermaus“ in Schwerin 2013? Marko Michels fragte dazu bei Schauspieldirektor und Regisseur Peter Dehler nach.

„Wir haben einige `verrückte` Ideen gefunden …“

Frage: Vom „Bajazzo“ im Zirkuszelt auf dem Alten Garten geht es nun zur „Fledermaus“ in freier Natur auf dem Alten Garten – Schloss-Kulisse inklusive. Was wird das Besondere und Neue an der „Fledermaus“ 2013 sein?

Peter Dehler: Man braucht schon eine Menge Innovation um dieses Stück, das eigentlich in Salons und großen Tanzsälen bzw. in einem Gefängnis spielt, auf eine Freilichtbühne zu transportieren, ohne dass dabei die Situation, die Atmosphäre, die diese Operette benötigt, zerstört wird. Wir haben da einige „verrückte“ Ideen gefunden, die sehr überraschend sind.

Die „Fledermaus“, die ja hervorragend auf einer Theaterbühne zur Geltung kommt,  wird sicherlich auch auf der Schweriner Open Air-Bühne mit der Schloss-Kulisse als Hintergrund „funktionieren“ – das war, das ist die besondere Herausforderung!

Frage: „Die Fledermaus“ verspricht auf dem ersten Blick „leichte Kost“, auf dem zweiten Blick könnte man da schon anderer Meinung sein. Was ist für Sie – trotz aller vermeintlicher Leichtigkeit – die „ernste Grundmessage“ dieser Operette?

Peter Dehler: Ich würde nicht eine ernste Grundbotschaft konstruieren wollen. Man kann mit der „Fledermaus“ sehr viel Ernstes erzählen. Ich habe, beispielsweise, die Inszenierung der „Fledermaus“ von Frank Castorf am Hamburger Schauspielhaus 1997 gesehen, die hat die Dekadenz hervorgehoben: das Morbide, die grenzenlosen Ausschweifungen der bürgerlichen Gesellschaft. Die Inszenierung lief dann allerdings nicht sonderlich erfolgreich.

Meine Meinung ist, dass eine Operette nicht unbedingt dazu geeignet ist, um ernste Grundbotschaften – mit ebensolchem Ernst – auf der Bühne zu präsentieren. Natürlich kann ich den dritten Akt in Guantanamo spielen lassen, aber das wird der „Fledermaus“ nicht gerecht.
Bei aller Experimentierfreude: Das ist nicht das Anliegen unserer Schloßfestspiele, bei denen wir unser Publikum unterhalten wollen und unter einem gewissen Erfolgsdruck stehen. Um gesellschaftliche Kritik künstlerisch zu äußern, sind Stücke von Heiner Müller oder Shakespeare weitaus besser geeignet als eine Operette.

Die ernsten Elemente der „Fledermaus“ werden auch ohne besondere Herausstellung deutlich: die Verlogenheit der bürgerlichen Ehe, der Politik oder der Beamten. Aber das geschieht auf einer heiteren, unterhaltsamen Ebene.

Frage: Mit Walter Plathe kommt ein Künstler zu den Schloßfestspielen, der eher als Fernseh-Schauspieler wahrgenommen wird, obwohl er eine beeindruckende Theater-Laufbahn hinter sich hat. Wie kam es zur Verpflichtung von Walter Plathe – Zufall oder Plan?

Peter Dehler: Wir hatten nach einem Künstler gesucht, der sehr bekannt und beliebt ist, denn diese Rolle – das hat nun einmal Tradition – wird zumeist von einem großen Volksschauspieler übernommen.

Da gab es ja in der Vergangenheit großartige Beispiele, wenn man nur an Karl Valentin, Weiß Ferdl, Heinz Erhardt, Josef Meinrad, Jürgen von Manger oder Hans Moser denkt. Eberhard Cohrs hatte diese Rolle einmal am Volkstheater in Rostock gespielt.

Unser Publikum kommt ja nicht nur aus der ehemaligen DDR, sondern aus ganz Deutschland und darüber hinaus, daher wollten wir jemanden, der das Publikum besonders faszinieren könnte, der hier schon sehr erfolgreich war. Und wir wollten zudem jemanden, der nicht nur ein großartiger Filmschauspieler, sondern auch ein markanter Bühnenschauspieler ist.

Ich hatte Walter Plathe dann bei den Nibelungen-Festspielen in Worms 2012 erlebt – in der Inszenierung „Jud Süß“ von Dieter Wedel. Eine sehr ernsthafte, anspruchsvolle und nachdenkliche Aufführung, in der Walter Plathe überzeugte.

Natürlich kennen viele Zuschauer Walter Plathe auch aus leichten Rollen, wie zum Beispiel den „Landarzt“. Seine Vielseitigkeit, sein großes Können sprechen für ihn. Außerdem führte ich mit Walter Plathe am Rande der Nibelungen-Festspiele ein Gespräch, bei dem er sich als kluger und freundlicher Mensch offenbarte. So einen brauchen wir – einen großartigen Schauspieler, einen Star ohne Star-Allüren. Walter Plathe ist wirklich ein ganz, ganz toller und bescheidener Kollege.

Frage: Die Vorbereitung und Durchführung der Schlossfestspiele erfordern Nervenstärke, Geduld und extremes Engagement. Wann erfolgten die erste Planungen zur „Fledermaus“? Werden Sie jede Vorstellung persönlich verfolgen?

Peter Dehler: Wir haben zu den einzelnen Rollen zum Teil eine dreifache Besetzung, die man auch unterschiedlich kombinieren kann. Allein deswegen bin ich bei jeder Vorstellung dabei, um konstruktive Kritik üben zu können, was hervorragend war oder was in eine falsche Richtung lief.
Was die Planungen betrifft: Die Vorlaufzeit beträgt stets zwei Jahre. Wir sind jetzt, 2013, schon bei den Überlegungen für die übernächsten Schlossfestspiele. Da wird dann zunächst – im Team – gemeinsam über den Titel gesprochen, was logistisch notwendig ist und was in den Kontext bisheriger Aufführungen der Schloßfestspiele passt.

Frage: Die Schlossfestspiele 2013 finden in einer Zeit statt, die eher einem Dauer-Drama gerade mit Blickrichtung Europa und EURO und der Kulturförderung allgemein gleichen. Welche Bedeutung hat für Sie persönlich die Kultur in der Gesellschaft?

Peter Dehler: Ich möchte mich da nicht in den Vordergrund spielen, praktisch der „Theater-Mann“ sein, der erklärt, warum Theater und deren Personal so wichtig sind. Dazu müssen sich die Zuschauer äußern, diejenigen, die die kulturellen Angebote wirklich brauchen, die diese nicht missen wollen.

Natürlich bin ich für vielfältige kulturelle Angebote, habe ein eigenes Interesse daran, dass die Kulturlandschaft erhalten bleibt. Die Gesellschaft wäre nur allzu gut bedient, wenn sie neben diesen „Fernsehverblödungsmechanismen“ – natürlich gibt es auch hochwertige Fernsehkost – künsterische Räume anbietet, Angebote besitzt, in denen man in die Tiefe gehen kann.

Eine vermeintlich leichte Operette als Live-Erlebnis mit vielen Protagonisten kann mehr zum Mit- und Nachdenken, zu mehr Interaktivität herausfordern, als ein „Musikantenstadl“ im TV vom Sofa aus.

Gerade hier in Schwerin – mit der großen Theater-Tradition – lassen sich die Leute ihr Theater, ihre Kultur nicht nehmen. Es gab in den letzten Monaten so viele Solidaritätskundgebungen mit vielfältiger Resonanz, da weiß man: Die Schwerinerinnen und Schweriner stehen zu ihrem Theater!

Vielen Dank und maximale Erfolge mit der „Fledermaus“ auf dem Alten Garten!

… Vorstellungen der Operette  „Die Fledermaus“ auf dem Alten Garten in Schwerin:

Premiere: am 14. Juni um 21.00 Uhr

Weitere Aufführungen: 15.Juni um 21.00 Uhr, 16.Juni um 16.00 Uhr, 20. bis 22.Juni um 21.00 Uhr, 23.Juni um 16.00 Uhr, 27. bis 29.Juni um 21.00 Uhr, 30.Juni um 16.00 Uhr, 4. bis 6.Juli um 21.00 Uhr, 7.Juli um 16.00 Uhr, 11. bis 13.Juli um 21.00 Uhr, 14.Juli um 16.00 Uhr, 17.Juli, 18.Juli, 20.Juli und 21.Juli um 21.00 Uhr

Kartenbestellungen über: Theaterkasse des Mecklenburgischen Staatstheaters 0385-5300123 oder per Mail unter kasse@theater-schwerin.de

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