Vor 19 Jahren – Volkskammerwahl in der DDR

Allianz für Deutschland mit Triumph

PlakatBei den ersten freien gleichen und demokratischen Wahlen zur Volkskammer in der DDR triumphiert überraschend die Allianz für Deutschland aus CDU, DSU und der Bürgerbewegung Demokratischer Aufbruch.

Lange hatte es nach einem klaren Sieg der Sozialdemokraten ausgesehen, noch eine Woche vor der Wahl lagen sie in den Umfragen deutlich vor Konservativen, Liberalen und Postkommunisten.

Am Ende setzte sich unter der Führung des späteren Ministerpräsidenten Lothar de Maiziere das konservative Wahlbündnis durch, das massive Hilfe von der westdeutschen CDU und der CSU erhielt. Die Bürgerrechtler vom Neuen Forum , Demokratie Jetzt und der Initiative für Frieden und Menschenrechte, die eigentlichen Wegbereiter der friedlichen Revolution 1989/90, erhielten nur minimale Zustimmung.

Viele Emotionen kochten vor bzw. nach der Volkskammerwahl hoch. Viele Kandidaten erwiesen sich als linientreue SED-Parteigänger, „Blockflöten“ und sogar zahlreiche IM waren in den Reihen der angeblich so demokratischen Volksvertreter.

Die Spitzenkandidaten der Allianz für Deutschland, Wolfgang Schnur, und der SPD, Manfred „Ibrahim“ Böhme, wurden als IM enttarnt. Aber auch auf den Sieger der Wahl fiel ein Schatten. Gegenüber de Maiziere, der bis zur formalen deutsch-deutschen Vereinigung am 3.Oktober 1990 als DDR-Ministerpräsident amtierte, wurden Vorwürfe laut, er habe als IM Czerni der DDR-Staatssicherheit gedient. Nachdem er nach der Vereinigung noch Minister für besondere Aufgaben war, trat er Mitte Dezember 1990 zurück. Er bestritt jedoch die Vorwürfe, wissentlich als Stasi-IM tätig gewesen zu sein.

Was vom Wahlkampf 1990 besonders in Erinnerung blieb, war die Amnesie der SED/PDS, die die Hauptverantwortung für den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Niedergang trug. Aber auch deren einstige SED-Blockpartner von Ost-CDU, LDPD, NDPD und Bauernpartei, spätestens seit 1961 die treuesten SED-Bündnispartner, gebärdeten sich im Wahlkampf 1990 als Widerstandskämpfer gegen den real existierenden Sozialismus, obwohl man Widerstand hier wohl eher mit „ie“ schreiben müsste.

Die Sozialdemokraten, die nach 1945 in der sowjetischen Besatzungszone, späteren DDR im Kampf gegen die kommunistischen Machthaber den höchsten Blutzoll zahlten, wurden im Wahlkampf hingegen in übler Weise, insbesondere von der Deutschen Sozialen Union, protegiert von der CSU, diffamiert. Während sich SEDisten und „Blockflöten“ auf funktionierende Parteiapparate, viele Mitglieder, gefüllte Parteikassen, Parteibüros und eine eigene Parteipresse verlassen konnten, hatten ostdeutsche Sozialdemokraten, trotz der westdeutschen Unterstützung, die Grüne Partei und die Bürgerbewegungen einen ungleich schwierigeren Stand.

Der Mut und das Engagement der Bürgerrechtler, die bereits weit vor dem Revolutionsjahr 1989 offen gegen das Block-Regime der DDR aufbegehrten, wurden von den Wählerinnen und Wählern in der Noch-DDR 1990 nicht honoriert.

Die Mehrheit gierte nach D-Mark, West-Autos, Bananen und Mallorca-Urlaub. Für den „dritten Weg“ jenseits vom real existierenden Sozialismus und real existierenden Kapitalismus waren die meisten Ost-Germanen nicht bereit.

Das Ergebnis vom 18.März 1990 zur DDR-Volkskammerwahl:
1.CDU: 40,8 Prozent, 2.SPD: 21,9 Prozent, 3.PDS: 16,4 Prozent, 4.DSU: 6,3 Prozent, 5.Liberale: 5,3 Prozent, 6.Bündnis 90: 2,9 Prozent … 8.Grüne/UFV: 2,0 Prozent

PS: Damit auch wirklich „die Richtigen“ gewinnen, sollte auch vom Wahlrecht Gebrauch gemacht und sich vorher zumindest ein wenig informiert werden – am 7.Juni sind Kommunalwahlen und Europawahlen. Im Herbst folgt noch die Bundestagswahl …

mic

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